Hannover 96 in der Krise:Vertrauen klingt anders

Michael Frontzeck

Michael Frontzeck: Dünne Luft bei Hannover 96

(Foto: dpa)
  • Hannovers Präsident Martin Kind deutet an, dass sein Vertrauen in Trainer Michael Frontzeck nicht ewig währt.
  • Womöglich muss der neue Geschäftsführer Martin Bader bald einen neuen Trainer beschaffen.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Bundesliga.

Von Jörg Marwedel, Hannover

Martin Kind ist bekannt dafür, dass er gerne eine deutliche Sprache spricht. Also zog der Präsident von Hannover 96 nach dem 1:3 gegen den bis dahin punktlosen VfB Stuttgart eine ziemlich realistische Zwischenbilanz. Dass sein Team mit nur einem Zähler auf dem letzten Tabellenplatz angekommen sei, entspreche genau der "derzeitigen Leistungssituation".

Man habe gesehen, "dass die Leistungsstruktur nicht ausreichend ist", fügte Kind mit Blick auf die Transfers im Sommer streng an. Und dem Trainer Michael Frontzeck, der noch vor kurzem der Retter im Abstiegskampf war, nun aber als Architekt einer neuen Mannschaft die Transfers mit verantwortet, gab er vor dem Niedersachsenderby beim VfL Wolfsburg auf den Weg, man müsse sich "deutlich verbessern, um Ergebnisse zu erzielen".

Das klang nicht mehr ganz nach jenem Vertrauen, das er ihm zwei Tage zuvor noch ausgesprochen hatte. Aber er könne es ja nicht sagen und am nächsten Tag dann zurücknehmen, sagte Kind offen, allerdings sei es "unseriös und auch nicht realistisch, irgendwas aufs Wolfsburg-Spiel abzustimmen". Man wolle mit dem Trainer weiterarbeiten, eine Niederlage bedeute nicht, dass er entlassen werde.

Das typische Krisen-Szenario in der Arena

Aber wenn man zentralen Profis wie Torwart Ron-Robert Zieler zuhörte, dann befürchten diese wohl das Schlimmste. Man dürfe jetzt "auf keinen Fall auseinanderfallen", mahnte er und wiederholte Kinds Lieblingsvokabel, Fußball sei ein "Ergebnissport". Eine verdächtige Floskel, die gern bei erfolglosen Trainern benutzt wird. Was Zieler nicht sagte: Die Profis, die schon länger bei 96 unter Vertrag stehen, sind genauso entsetzt wie die Fans. Weil keiner der von Frontzeck und dem ausgeschiedenen Sportdirektor Dirk Dufner geholten sieben Neuen - zumindest bisher - die Qualität hat, um zu helfen.

Also gab es mal wieder das typische Krisen-Szenario in der Arena. Die lautstarken Anhänger wünschten sich einen Verein ohne Frontzeck und Kind. Aber der Klubchef hat eine andere Personalie vorgezogen. Am Donnerstag gab der Präsident bekannt, dass Martin Bader, bisher in Nürnberg, von Oktober an als neuer Geschäftsführer tätig sein wird - "eine zukunftsweisende" Entscheidung, so Kind. Er selbst will sich angeblich 2017 zurückziehen. Zudem sei "Herr Bader seit Jahren ein ausgewiesener Fachmann im Profifußball".

Baders erste Aufgabe wird die Bestellung eines neuen Sportdirektors sein, der im Winter Verstärkungen besorgen soll. Auch einen neuen Coach wird er möglicherweise bald beschaffen müssen, aber noch ist es nicht so weit. Frontzeck wird sich vorerst weiter bemühen, dem Team einen wettbewerbsfähigen Fußball zu vermitteln. Gegen Stuttgart waren allenfalls Torwart Zieler, die Mittelfeldspieler Salif Sané und Hiroshi Kiyotake sowie mit Abstrichen der junge Offensivspieler Kenan Karaman bundesligatauglich.

"Alles Gute für Michael"

Passenderweise wurde Karamans Führungstreffer in der 14. Minute mit einer genauen Flanke von Kiyotake vorbereitet, es war der beste 96-Spielzug. Als sich der humpelnde Japaner kurz darauf behandeln lassen musste, eilte Frontzeck herbei, um ihm aufmunternd durch die Haare zu streichen. Er mochte sich wohl lieber nicht vorstellen, was es bedeuten würden, den einzigen Kreativen zu verlieren. Kiyotake hielt durch, obwohl er, so Frontzeck, "von oben bis unten gezeichnet war". Es half nichts.

Der zuletzt kaum weniger gebeutelte Stuttgarter Kollege Alexander Zorniger konnte nach seinem ersten Sieg in der Bundesliga derweil großzügig sein. "Alles Gute für Michael und 96 für die nächsten Spiele", sagte Zorniger, der den eigenen Erfolg nach fünf Niederlagen natürlich als "sehr befreiend" erlebt hatte. Dabei hatte er sein Team "spielerisch und in der Klarheit nicht so gut gesehen wie in den letzten Wochen". Er hätte sogar einen "dreckigen Sieg" genommen, doch so dreckig war er nun auch wieder nicht. Früh wurde klar, dass der VfB trotz seiner weiter etwas wackligen Abwehr das bessere Team war.

In Stuttgart könnte die Zukunft erfreulicher aussehen

Binnen 135 Sekunden, zwischen Minute 16 und 18, verwandelten die Stuttgarter einen 0:1-Rückstand in eine 2:1-Führung. Kein Hannoveraner hatte VfB-Kapitän Christian Genter bei seinem Solo zum Ausgleich angegriffen, und als Timo Werner zum 1:2 abstaubte, war in der Tat zu sehen, "dass wir trotz null Punkten noch Selbstvertrauen hatten", wie Gentner später zu Protokoll gab.

Es wurde durch den Schlenzerball des eingewechselten Alexandru Maxim zum 1:3 in der Nachspielzeit noch weiter gestärkt. Und das, obwohl "wir weiter nicht für Effektivität stehen", wie Gentner milde kritisierte. Die interne Strategie war da aber schon aufgegangen. Nicht an die fünf verlorenen Spiele denken, hatte Zorniger gefordert, und über das öffentlich diskutierte Offensivsystem wurde intern nicht gesprochen. Und weil das Mittelfeld mit Serey Die und Gentner sehr präsent war und der 19 Jahre alte Timo Werner sein erstes längeres Formtief abstreifen konnte, könnte die Zukunft in Stuttgart schon wieder etwas erfreulicher aussehen.

Wenn man eine Leistung wie gegen Schalke (als man trotz 0:1-Niederlage Chancen im Minutentakt herausgespielt hatte) gegen Gladbach wiederholen könne, wäre das prima, sagte Sportchef Robin Dutt. Von Hannover sprach schon keiner mehr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: