Neulich hat Martin Kind erzählt, dass ihn im Streit um den Investoreneinstieg im deutschen Fußball nichts mehr schocken kann. Weil er von Haus aus beim Zweitligisten Hannover 96 eine ganz andere Schlaghärte gewohnt ist. Nach ruhigeren Wochen und Monaten hat es bei 96 nun wieder ordentlich geknallt, Grund ist eine Entscheidung des Profiklubs und seines Geschäftsführers Kind, die Dauerkartenpreise zu erhöhen, um hohe Strafen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) teilweise zu refinanzieren.
In der Ausgestaltung ist es so, dass die Ticketpreise stadionweit vergleichsweise moderat um fünf Prozent angehoben werden; nicht jedoch in den Blocks in der Nordkurve, in denen vornehmlich die Ultras ihre Plätze haben, die federführend für jene Pyro-Zündelei verantwortlich sind, die den Verein seit Jahren viel Geld kostet. Hier gehen die Ticketpreise um durchschnittlich 22 Prozent nach oben. Im Oberrang der Nordkurve soll die Dauerkarte zukünftig 405 Euro statt bisher 344 kosten. Das ist viel Geld.
Sportlich darbt der frühere Europapokalteilnehmer 96 seit Jahren in der Zweitklassigkeit, in Bezug auf DFB-Strafen gehört der Klub aber deutschlandweit zu den Top drei, hinter Köln und Frankfurt. Man sei nach dem Ende der Pandemie "saisonübergreifend zu Strafzahlungen in Höhe von über 1 200 000 Euro" verurteilt worden; noch nicht enthalten das erwartbare Bußgeld für das Spiel beim Lokalrivalen Eintracht Braunschweig im April 2024. Also wird umgelegt. Wer zündelt, muss mehr zahlen, so die Devise. Kind war schon immer ein Mann der freien Marktwirtschaft.
Ein Bündnis fordert alle Dauerkartenbesitzer auf, ihre Saisonkarten zunächst nicht zu verlängern
Nun passen freie Marktwirtschaft und Ultrabewegung aber eher selten gut zusammen, und die Replik der organisierten 96-Fanszene ließ nicht lange auf sich warten. Man habe diesen Schritt erwartet, heißt es in einem Statement, werde ihn aber "nicht stillschweigend hinnehmen". Das Bündnis "hannovereint" fordert alle Dauerkartenbesitzer in der Nordkurve auf, ihre Saisonkarten zunächst nicht zu verlängern. Denkbar sei etwa ein Blockwechsel der Supporters in einen angrenzenden, vom 22-Prozent-Aufschlag nicht betroffenen Rang. Notfalls sei immer noch genug Zeit, die Tickets zu den neuen Konditionen zu verlängern.
Doch da Kind vermutlich nicht gewillt ist, den Ultras auf irgendeine Weise entgegenzukommen (im Gegenteil, er wäre froh um manchen Supporter, der nicht mehr ins Stadion kommt), stehen die Chancen der Fanszene eher schlecht. Langfristig hätte Kind allerdings lieber eine andere, viel weiter greifende Lösung. Verbandsrechtlich sei es aktuell so gelöst, dass die Klubs "für das Fehlverhalten Dritter", also die Zündelei der Fans, haften müssten: "Dieses System halten wir für falsch." Das betrifft dann wiederum den Clinch mit den Verbänden. Kind kämpft ja an mehreren Fronten.