Hannover 96:Erwischt mit rauchender Pistole

1 FC Köln Hannover 96 0 1 0 1 1 Fussball Bundesliga Saison 2015 2016 RheinEnergie Stadion Koel

Kurz mal die Sportart verwechselt: Hannovers Mittelfeldspieler Andreasen verwendet zum Torschuss ein verbotenes Körperteil.

(Foto: Eduard Bopp/Imago)

Das Handtor des Hannoveraners Andreasen weckt beim 1. FC Köln düstere Erinnerungen.

Von Philipp Selldorf, Köln

Leon Andreasen fühlte sich nicht wohl, obwohl er Hannover 96 mit seinem Siegtreffer zum 1:0 beim 1. FC Köln zu hochgradig wichtigen drei Punkten verholfen hatte. Wie er da in den Tiefen des Kölner Stadions vor den Reportern stand, sah er aus wie jemand, der genau weiß, dass er einen großen Fehler begangen hat und ihn liebend gern ungeschehen machen würde. Warum sich der dänische Mittelfeldspieler nach der Partie überhaupt den peinigenden Fragen der Reporter aussetzte, hat er nicht aufgeklärt - vielleicht war es der Versuch, Buße zu tun für seine Missetat. Ein Geständnis wollte er gleichwohl auch nicht ablegen, er sprach davon, dass alles "sehr schnell gegangen" sei und dass er sich "das noch mal im Fernsehen angucken" müsse.

Aus der Menge der Zuhörer kam dann die Frage, warum sich Fußballer eigentlich so schwer tun, hinterher zuzugeben, dass sie etwas Unerlaubtes getan hatten. Andreasen antwortete nicht auf die Frage.

Im Sinne der Spielregeln und des Fair-plays hatte sich Andreasen schuldig gemacht, als er in der 38. Minute den Ball nach einem Eckstoß mit dem rechten Arm ins Tor lenkte. Niemand wollte nach Ansicht dieser Szene zu Andreasens Gunsten behaupten, diese Armbewegung habe auf einem unglücklichen Zufall oder einem Reflex beruht. Andreasen hatte mit Vorsatz gehandelt, die Fernsehbilder und die Dokumente der Sportfotografen überführten ihn wie einen Täter, den die Polizei mit der rauchenden Pistole erwischt.

Dem Gesetzeshüter, den der DFB zu dieser Begegnung geschickt hatte, standen jedoch keine Bilder zur Verfügung. Der Schiedsrichter glaubte an die Rechtmäßigkeit des Treffers, obwohl die Kölner Spieler auf eine Weise protestierten, die sich von den obligatorischen Protesten deutlich unterschied. Dass die FC-Spieler eine verdächtige Wahrnehmung gemacht hatten, wie es im Polizeideutsch heißt, interessierte den Spielleiter Bastian Dankert aus Rostock aber nicht. Er ließ sich von den Kölnern auch nicht dafür gewinnen, bei Andreasen nachzufragen, ob da womöglich der Arm im Einsatz war.

Er sei halt überzeugt gewesen, "dass bei diesem Tor alles seine Richtigkeit gehabt habe", erläuterte Dankert später vor Fernsehkameras. Da hatte er seinen Fehler längst eingesehen ("das darf auf diesem Niveau nicht passieren") und entschuldigte sich dafür bei den Kölnern.

Nicht nur promovierte Historiker erinnern sich, dass den Kölnern ein vergleichbares Unheil schon einmal widerfuhr. Mitten im Abstiegskampf der Saison 97/98 traten die Kölner beim FC Schalke 04 an. Die Kölner waren gut im Spiel, die Schalker weniger. Dann schoss Toni Polster aufs Tor, und im letzten Moment lenkte ihn Oliver Held mit einer Glanzparade über die Latte. Doch Held war kein Torwart, sondern Feldspieler. Schiedsrichter Uwe Kemmling hatte die Rettungstat zwar nicht gesehen, fragte aber auf Kölner Betreiben bei Held nach. Der stellte sich unwissend, und es gab keinen Elfmeter, sondern Eckstoß. Der FC verlor die Partie noch, stieg später ab - und Oliver Held ging als ewiger Sünder in die Kölner Stadtgeschichte ein.

"Null Prozent Vorwurf an den Spieler", sagt Manager Schmadtke

Auch Andreasen hätte berühmt werden können - wenn er ganz einfach zugegeben hätte, was geschehen war. Dass er es nicht getan hat, wollten ihm die Kölner Kollegen aber nicht anlasten. "Ich kann verstehen, dass er da nicht zum Schiedsrichter geht - in der Situation, in der Hannover sich befindet", meinte Kölns Torwart Timo Horn. "Null Prozent Vorwurf an den Spieler", schloss sich FC-Trainer Peter Stöger an, der auch den Schiedsrichter nicht in Haftung nehmen wollte ("er hat einen Fehler gemacht, mehr nicht"). Im Moment der Fehlentscheidung hatte Stöger noch seine Brille von der Nase genommen und sie dem Schiedsrichter demonstrativ zur besseren Durchsicht angeboten. Doch bald war sein Zorn verraucht. Manager Jörg Schmadtke kritisierte immerhin, es sei "fahrlässig" von Dankert gewesen, nicht noch mal nachgefragt zu haben.

Oliver Held kam damals nicht so gut davon. Toni Polster wünschte ihm, dass er "nie wieder Glück" haben solle, und tatsächlich ging es nach diesem Ausspruch bergab mit Helds Profi-Karriere. Und seitdem hat Held mehrfach öffentlich erklärt, sein Leugnen vor Schiedsrichter Kemmling sei einer der größten Fehler seines Lebens gewesen.

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