Hannover 96:Ein Fall für die Sonderpädagogik

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Trainer Thomas Schaaf verliert mit Hannover immer weiter, muss seinen Spielern und dem Umfeld aber Mut machen.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Der jüngste Glücksmoment des Hannoveraner Fußballs ist zweieinhalb Monate her. Ende November erzielten Marcelo, Leon Andreasen und Kenan Karaman binnen 19 Minuten drei Tore gegen den FC Ingolstadt. "Jetzt mal alle die Augen wischen!", rief der Stadionsprecher, als auf der Anzeigetafel der Zwischenstand aufleuchtete. Am Ende gewann Hannover 4:0. Seither haben die Niedersachsen sieben Ligaspiele bestritten, also zehneinhalb Stunden Fußball gespielt, und dabei nur noch zwei Tore erzielt. Sieben Niederlagen, zwei Tore - das ist die triste Wahrheit über den Tabellenletzten der Bundesliga.

Am Samstag haben die 96er auch das vierte Spiel unter ihrem neuen Trainer Thomas Schaaf verloren, 0:1 in Dortmund. "Das Ergebnis ist schlecht - aber unser Spiel war sehr gut", sagte Schaaf. Der 54-Jährige klang wie ein Sonderpädagoge, der aufpassen muss, was er sagt. Weil die Spieler sonst zusammenbrechen.

Das größte Problem des neuen Trainers: 96 trifft das Tor nicht

Schaaf hat seine Startelf am Samstag zum dritten Mal verändert. Fünf neue Spieler musste er einbauen, weil in den beiden Stürmern Hugo Almeida und Adam Szalai sowie dem Verteidiger Christian Schulz drei Männer ausfielen, und weil er zwei weitere aus sportlichen Erwägungen ersetzte. 19 Spieler hat der Trainer in den vier Partien unter seiner Leitung schon eingesetzt. Im ersten Schaaf-Spiel, beim 1:2 gegen Darmstadt, hat Almeida getroffen. Seitdem spielt Hannover ohne Torerfolg.

Dabei haben die Hannoveraner vor 80 000 Zuschauern in der Dortmunder Arena wirklich gut verteidigt. Sie haben sehr tief und sehr verschachtelt gestanden und den Dortmundern ohne deren verletzten Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang die Lust am Spielen geraubt. Hätten die 96er nur einen ihren drei, vier Konter besser abgeschlossen, hätten sie sogar in Führung gehen können. Stattdessen aber schoss Dortmunds Henrikh Mkhitaryan in der 57. Minute aus 20 Metern das einzige Tor des Spiels. "Vom Engagement, von der Begeisterung, vom Miteinander und vom Einsatz würden wir es gern immer so erleben; die Mannschaft hat sich gewehrt, hat dem Gegner das Leben schwer gemacht, sie hat gut ineinander gearbeitet und war bereit, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen", sagte Schaaf hinterher. Aber man merkte, wie anstrengend es ist, das Positive aufzuzählen, wenn all die Mühen doch soeben mal wieder vergeblich waren.

14 Punkte nach 21 Spielen: Damit ist bisher jeder Klub abgestiegen

121 Kilometer waren die Hannoveraner gelaufen und damit sieben Kilometer mehr als die Dortmunder. Das zeugt von Disziplin und Wehrhaftigkeit. Am kommenden Sonntag empfangen sie mit dem FC Augsburg eine Mannschaft, gegen die ein Sieg besonders wertvoll wäre: tabellarisch wie psychologisch. Doch die Statistik macht den Niedersachsen schon jetzt nur noch wenig Hoffnung. Seit es die Drei-Punkte-Regel gibt, hat keine Mannschaft, die nach 21 Spielen nur 14 Punkte hatte, den Klassenerhalt noch geschafft.

Solche Statistiken interessieren Schaaf schon lange nicht mehr. "Wir wollen in der Liga bleiben", sagt er unbeirrt und zieht seine Hoffnung aus dem Spiel in Dortmund. "Wir haben da vieles richtig gemacht, das war der Weg, den wir jetzt weiter gehen müssen." Schon gegen Augsburg könnte das Spiel aus einer ähnliche soliden Abwehr heraus womöglich mehr einbringen. Sollte jedoch auch da kein Sieg gelingen, dann wird es duster. Dann droht Hannover 96 in der 14. aufeinanderfolgenden Bundesliga-Saison wohl doch der Abstieg in die zweite Liga. Schaaf steht jetzt vor einer seiner größten Herausforderungen.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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