Hannover 96:Druck als Triebfeder

1. FC Kaiserslautern v Hannover 96 - Second Bundesliga

Sorgte für die Entscheidung in Kaiserslautern: Artur Sobiech köpft erst zum 3:0 und trifft kurz vor Spielende erneut zum 4:0.

(Foto: Andreas Schlichter/Getty Images)

Der niedersächsische Bundesliga-Absteiger erwischt in Kaiserslautern einen sensationellen Saison-Auftakt - sieht aber trotzdem "noch Luft nach oben".

Von Jörg Marwedel, Kaiserslautern/München

"Das Leben, das ist Druck." So sieht es Martin Kind, der Präsident von Hannover 96. Er hat nach dem Bundesliga-Abstieg seines Klubs den sofortigen Wiederaufstieg als Ziel ausgegeben. Und wie es aussieht, kann das Team damit offenbar gut umgehen. "Die Favoritenrolle ist für uns kein Druck", sagte etwa Zugang Sebastian Maier nach dem 4:0 beim 1. FC Kaiserslautern im Auftakt-Spiel der zweiten Liga, "wir nehmen sie als Motivation." Nur eine Viertelstunde brauchte 96, um sich an die neue Rolle in Liga zwei zu gewöhnen. Da spielte der stark verjüngte 1.FC Kaiserslautern so schwungvoll, dass man sich an bessere Zeiten auf dem Betzenberg erinnerte. 96-Torwart Philipp Tschauner verhinderte gegen Marcel Gaus und Osayamen Osawe zweimal den Rückstand. Da habe man "ein paar Sorgen" gehabt, sagte 96-Manager Martin Bader. Eine gewisse Nervosität war zu spüren.

Doch dann wurde es vor 40.021 Zuschauern ein Spiel, in dem die Pfälzer "viel Lehrgeld" zahlen mussten, wie es Tayfun Korkut ausdrückte, der FCK-Trainer, der bis April 2015 auf der 96-Bank saß. Die Tore erzielten die Niedersachsen mit Eiseskälte. Erst verwandelte Maier eine von Naser Aliji abgefälschte Flanke von Felix Klaus zum 0:1 (16. Minute). Kurz nach der Pause adressierte Maier einen Eckball auf den Kopf von Salif Sané, den Abpraller verwandelte Sanés Abwehrpartner Waldemar Anton zum 0:2. Und dann zeigte der zum Vize-Kapitän aufgestiegene Artur Sobiech seine Klasse als Torjäger, als er erst eine Kopfballvorlage von Kenan Karaman im Netz unterbrachte und schließlich in der 84. Minute mit einem Schlenzer zum 0:4 mindestens Bundesliga-Niveau zeigte.

Die immerhin 2500 mitgereisten Fans hatten da schon längst gezeigt, dass "die Stimmung positiv gekippt ist, in der Mannschaft und im Umfeld". So hatte es Trainer Daniel Stendel formuliert. Der Mann, der laut Bader "96 lebt" und schon 2002 beim vergangenen Bundesliga-Aufstieg als Stürmer 16 Tore beigesteuert hatte, ist offenbar ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Anhänger wieder stärker mit dem Klub identifizieren als in den vergangenen Jahren. "Nie mehr Zweite Liga" sangen sie, oder "Spitzenreiter, Spitzenreiter." Der vom FC St. Pauli gekommene Mittelfeldspieler Maier, der neben Kapitän Manuel Schmiedebach dem Spiel Struktur gab, hat das Erlebte so gedeutet, dass es der Konkurrenz Angst machen könnte. Ein "4:0 auf dem Betze ist eine Ansage", bemerkte der gebürtige Münchner, "aber das Schönste ist, dass bei uns noch Luft nach oben ist".

Der VfL Wolfsburg erhöht sein Angebot für Salif Sané

Tatsächlich fehlte ja noch das neue Angriffs-Traumpaar Niclas Füllkrug (verletzt) und Martin Harnik, der erst in der 75. Minute für Klaus aufs Feld kam, weil er noch einen Trainingsrückstand aufzuholen hat. Auch der aus Paderborn gekommene kampfstarke Mittelfeldspieler Marvin Bakalorz oder Andre Hoffmann fehlten mit Blessuren. Nur eine Personalie sorgt für Verdruss im Lager der Hannoveraner: der begehrte Abwehrspieler Salif Sané wird nun vom VfL Wolfsburg gejagt. Das Angebot des VfL, der angeblich acht Millionen Euro geboten hat, nähert sich langsam jenen zehn Millionen Ablöse, die 96 vor zwei Monaten aufgerufen hatte. Da wird 96 noch einmal in sich gehen müssen, ob der Verkauf wirtschaftlich nicht doch sinnvoll wäre.

Während Kind offiziell sagte, er plane weiterhin mit Sané, weil "wir dem Thema Wiederaufstieg alles unterordnen", glaubt Stendel offenbar noch nicht an das letzte Wort. Vor der Partie sagte er dem Sky-Reporter auf die Frage nach der Zukunft des Senegalesen: "Ich plane von Spiel zu Spiel, danach sehen wir weiter." Auch Bader betonte, man werde sich weiter auf dem Markt umschauen, was durchaus als Zeichen gewertet werden könnte, dass diese Frage noch offen ist. Auffallend war, wie unkonzentriert Sané zuweilen zu Werke ging. Als habe er nicht nur die 90 Minuten auf dem Betzenberg im Kopf.

Dramatischer ist die Lage beim 1. FC Kaiserslautern. Er werde bis zum 31. August "noch drei bis vier Spieler" holen, kündigte Sportdirektor Uwe Stöver an. Auffallend war jedenfalls, wie naiv die junge Mannschaft den Kampf mit dem überlegenen Gegner aufnahm. Die Taktgeber Daniel Halfar und Christoph Moritz waren noch keine Dirigenten. Und der zu Beginn des Spiels wirbelnde Osawe (ehemals Halle) konnte das Anfangs-Tempo eben so wenig halten wie seine neuen Kollegen.

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