Hannover 96 in der Bundesliga:Dolls Mannschaft geht wie am Gummiband

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Thomas Doll trat Anfang der Woche die Nachfolge von André Breitenreiter als Trainer bei Hannover 96 an. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Hannover 96 hat das erste Spiel in der Bundesliga unter dem neuen Trainer Thomas Doll gegen RB Leipzig 0:3 (0:1) verloren.
  • Doll krempelte bei seiner Bundesliga-Rückkehr nach elf Jahren das Team gleich auf sechs Positionen um. Doch vor allem spielerisch war kaum eine Verbesserung zu erkennen.
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Von Jörg Marwedel, Hannover, Hannover

Leipzigs Coach Ralf Rangnick war zufrieden mit seiner Mannschaft. Die hatte beim 3:0 beim Tabellenvorletzten Hannover 96 quasi ein Trainingsspiel auch ohne Stammkräfte wie Upamecano, Kampl, Werner und Zugang Haidara seriös über die Bühne gebracht. Aber Rangnick, der 2002 den Bundesliga-Aufstieg mit Hannover schaffte und insgesamt drei Jahre für 96 tätig war, machte sich auch Sorgen um seinen ehemaligen Arbeitgeber. Man hatte den Eindruck, er habe Mitleid mit seinem Kollegen Thomas Doll, dem er seinen Einstand als neuer 96-Trainer verhagelt hatte. Ob er in dieser Partie einen Funken Hoffnung für den Gegner gesehen habe? Na ja, vielleicht "reichen ja diesmal 30 Punkte, um wenigstens den Relegationsplatz zu erreichen, das ist möglich", versuchte er sich als Mutmacher. Derzeit hängt Hannover nach der fünften Heimniederlage in Folge bei elf Punkten fest.

Thomas Doll hingegen hat die unzulängliche Leistung seiner neuen Elf, die er auf fünf Positionen gegenüber dem 1:5 in Dortmund verändert hatte, nicht schön geredet. Zwar hätte die Abwehr mit den Innenverteidigern Kevin Akpoguma und Waldemar Anton besser funktioniert als zuletzt. Aber im Spiel nach vorne habe jede "Power" gefehlt. Tatsächlich kam kein einziger gefährlicher Torschuss auf das Leipziger Tor, nicht einmal ein Eckball wurde herausgeholt. So schwerfällig habe er einige 96-Profis erlebt, "als würden die an einem Gummiband gehen", urteilte Doll. Mancher habe Nachholbedarf, deshalb müsse in der kommenden Woche beim Training "ein kühler Nordwind rein".

Deutlich wurde, warum sich 96-Manager Horst Heldt, wenn auch vergeblich, bis zum Ende des Transfermarktes am Donnerstag um den in Dortmund verschmähten Spielmacher Shinji Kagawa bemüht hatte. Niemand konnte die Angreifer Jonathas, Takuma Asano oder Nicolai Müller einsetzen, weshalb sie so harmlos blieben wie Löwen ohne Zähne. Es sei "brutal schwierig momentan", sagte Mittelfeldspieler Pirmin Schwegler. Man habe gesehen, wie "tief der Stachel" bei einigen Profis nach den erfolglosen Monaten sitze, erkannte Doll. Dabei hatte 96 überraschend kein Tor aus dem Spiel heraus kassiert, alle drei Leipziger Tore fielen aus Standardsituationen. Und das 0:1 kurz vor der Pause war auch noch sehr unglücklich.

Akpoguma traf Leipzigs Stürmer Matheus Cunha am Bein, der einstige Hannoveraner Marcel Halstenberg verwandelte den Strafstoß so kühl, als habe er kein Mitgefühl mit seinem früheren Klub. Allerdings klagte Akpobuma, sein Gegenspieler habe ihm zuvor den Ellenbogen ins Gesicht geschlagen. Bei den anderen Treffern nach Eckbällen von Halstenberg und des eingewechselten Emil Forsberg schlief das gesamte 96-Team, Leipzigs Abwehrspieler Willi Orban stürmte beide Male heran und nutzte die Schlafmützigkeit in der 64. und 85. Minute gnadenlos aus. Zu erwähnen ist noch, dass 96-Keeper Michael Esser wie in den vergangenen Spielen gegen Bremen und Dortmund der beste Spieler seiner Elf war - auch wenn er beim 0:2 ebenfalls nicht gut aussah, weil er zwischen Torlinie und Fünfmeterraum festklebte. Allein in der ersten Halbzeit bewahrte er mit fünf Paraden seine Kollegen vor dem frühen Rückstand.

Während die Leipziger nun nach dem DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg am Mittwoch drei Tage später ihren Champions-League-Rang gegen den Rivalen aus Frankfurt verteidigen müssen, steht für Hannover 96 das Überlebensspiel gegen Tabellennachbar 1. FC Nürnberg an, ebenfalls daheim. Endlich komme ein Gegner "auf Augenhöhe", sagte der vom Champions-League-Aspiranten Hoffenheim ausgeliehene Akpoguma. Immerhin sagte Torwart Esser, der neue Trainer habe "eine gute Ansprache" und sei "extrem ehrgeizig". Und auch, wenn Doll die Probleme seiner neuen Aufgabe vielleicht doch unterschätzt hat, sei er "froh, dass ich hier bin, denn die Mannschaft braucht mich". Ob er mit seiner Art, die Elf während des Spiels zu coachen, irgendwann Erfolg hat? Gegen Leipzig war Doll am Spielfeldrand so aktiv, als sei er der zwölfte Spieler. Genützt hat es nichts.

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