Hannover 96:Alle Macht für Kind

Martin Kind

Reizfigur für manche Fans: Hannovers Präsident Martin Kind.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der Präsident des Bundesligisten Hannover 96 kauft dem Klub Anteile ab - und wird beschimpft. Dass sich die Proteste erst jetzt mehrten, zeigt, wie heimlich und leise Kind in den vergangenen Jahren regieren konnte.

Von Carsten Eberts, Hannover

Lange Schlangen bildeten sich vor den Türen, eilig wurden Sitzgelegenheiten herbeigeschafft. 500 Mitglieder finden auf 370 Stühlen nun mal keinen Platz, so mussten einige Fans von Hannover 96 den Abend im Stehen verbringen. Die Gemengelage bei den Niedersachsen ist so brisant, dass sogar die sonst oft wenig erquickliche Mitgliederversammlung zum Großereignis wird, bei dem die Fans die Auseinandersetzung mit Vereinsboss Martin Kind suchen. Der musste schmunzeln ob des Andrangs. Warum die zahlreichen Bedenkenträger alle erst jetzt kämen, amüsierte sich Kind - wo es doch gar nichts mehr zu entscheiden gebe.

Es war ein guter Abend für Kind, zahlreicher Proteste zum Trotz. Der Verein hat den Verkauf der letzten 15,66 Prozent seiner Anteile bekanntgegeben, schon im September 2014 sei der Deal über die Bühne gegangen, berichtete Kind. 3,25 Millionen Euro wurden damit erlöst, mit dem Geld will der Verein unter anderem ein neues Nachwuchsleistungszentrum bauen. Die Investorengruppe, die zugeschlagen hat, kommt nicht etwa aus Katar oder China, sondern steht ebenfalls unter der Führung von Klubchef Kind.

So ist das in Hannover, die Struktur ist so kompliziert, dass sie nur wenige auf Anhieb verstehen. Als Chef der Investorengruppe, der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, kauft Kind dem Mutterverein, dessen Vorstandsvorsitzender ist, seit Jahren die Anteile ab. Seine Arbeit erledigt Kind nach eigenen Angaben unentgeldlich. "Sozialsponsoring" nennt er das. Er reiße die komplette Macht an sich, entgegnen seine Kritiker. Mit der Abwicklung des jüngsten Deals ist Kinds Machtfülle im Verein tatsächlich groß wie nie zuvor. Seiner GmbH, kurz S&S, gehören nun 100 Prozent der Anteile. Die Stimmanteile, mit denen der Klub die im deutschen Profifußball geltende 50+1-Regel wahrt, liegen zwar noch beim Mutterverein, sind aber an eine Management GmbH ausgegliedert. Das gilt bis 2018, dann darf Kind auch die kompletten Stimmanteile übernehmen, weil er den Verein 20 Jahre lang aktiv gefördert hat und in den Augen der DFL dann nicht mehr als reiner Investor gilt.

All das ist im Grunde seit 2011 bekannt, als Kind bei der DFL eine Sonderregelung erwirkte und sich jeder ausmalen konnte, welchen Plan er mit 96 verfolgt. Dass sich die Proteste erst jetzt auf der Mitgliederversammlung mehrten, bei der es praktisch nichts mehr zu entscheiden gab, spricht dafür, wie heimlich und leise Kind in den vergangenen Jahren regieren konnte. Aus dem Gefühl der Ohnmacht heraus, dass die Fans bei Hannover 96 noch weniger mitzuentscheiden haben als bei anderen Klubs, wurden Anträge gestellt, die Redner griffen Kind teilweise scharf an. "Sie schaufeln dem Verein das Grab", lautete einer der Zwischenrufe. Dabei ging es nicht nur um das ungute Gefühl, den Verein komplett in Investorenhand zu sehen, wie es in der Bundesliga nur noch in Leverkusen und Wolfsburg der Fall ist: Beklagt wurden die Intransparenz der Geschäfte, da auch der jüngste Deal vom kritischen Teil der Fans unbemerkt über die Bühne gehen konnte und die Mitglieder nicht befragt wurden. Auch der Umstand, dass einige Anträge wegen Fristversäumnissen nicht zugelassen wurden, besserte die Stimmung nicht. Als die Entlastung des Vorstands anstand, wurde es turbulent. Rund ein Viertel der Mitglieder verweigerten Kind die Gefolgschaft. Dreimal musste ausgezählt werden. "Wahlbetrug" riefen jene, die lieber eine geheime Wahl gesehen hätten. Doch am Ende hatte Kind auch diesen Disput für sich entschieden.

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