Süddeutsche Zeitung

Hannover 96:126-tägiges Missverständnis

Der Absteiger aus der ersten Liga trennt sich nach einer bisher enttäuschenden Saison von Cheftrainer Mirko Slomka. Der 52-Jährige kann nicht an den Erfolg bei seinem ersten Engagement in Hannover anknüpfen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Einst war Mirko Slomka, 52, bei Hannover 96 der Chef des Mittelfeldspielers Jan Schlaudraff. Es war nicht immer einfach mit den beiden, aber sportlich war es zwischen 2010 und 2013 eine schöne Zeit. Der Klub spielte zweimal in der Europa League mit. Seit dem 1. Juli 2019 war nun Schlaudraff Slomkas Vorgesetzter als Sportchef jenes Klubs, zu dem Slomka vor 126 Tagen zurückgekehrt war. Ein weiterer Tag aber wird nicht mehr hinzukommen.

Schlaudraff teilte Slomka im Auftrag des Mehrheitsgesellschaftes Martin Kind am Sonntag in einem kurzen Gespräch mit, dass die Zusammenarbeit ab sofort beendet sei. Auslöser war das 1:1 gegen den SV Sandhausen am Freitagabend.

Es war das sechste Zweitliga-Heimspiel ohne Sieg, nur noch 24 000 Zuschauer waren ins Stadion am Maschsee gekommen, und nicht wenige stimmten in den Chor der Frustrierten ein: "Slomka raus!" Tatsächlich war Slomkas zweite Ära als Cheftrainer in Hannover von Anfang an offenbar ein Missverständnis. Er konnte der mit Rückkehrern wie Ron-Robert Zieler, Marvin Ducksch, Dennis Aogo und Marc Stendera ergänzten Mannschaft keine neuen Impulse geben - zumal fast alle Zugänge auszeichnete, dass sie ihren Karrierehöhepunkt schon hinter sich haben. In der Klubmitteilung wurde Schlaudraff so zitiert: "Leider ist es nicht gelungen, die Entwicklung der Mannschaft so voranzutreiben, wie wir es uns gewünscht haben." Statt um den Wiederaufstieg zu kämpfen, findet sich 96 auf dem 13. Tabellenplatz wieder.

Schon nach dem 0:4-Heimdebakel gegen den 1. FC Nürnberg im September stand Slomka vor dem Aus. Doch der wankelmütige Geschäftsführer Kind verlängerte dessen Arbeitszeit nach langen Beratungen noch einmal. Nun hat Slomka auch seine Verbindung zu Stadt und Klub nicht mehr geholfen. "Der Druck ist berechtigt. Ich halte das aus - ob die anderen das aushalten, kann ich nicht sagen", sagte er nach dem Unentschieden gegen Sandhausen im TV-Sender Sky. Dabei war Slomkas Wirken schon vor seiner 96-Rückkehr nicht gerade von Erfolg geprägt gewesen. Beim Hamburger SV entging er, der Schalke 04 einst in die Champions League führte, nur knapp dem Abstieg, wurde nach nur sieben Monaten entlassen. Beim Karlsruher SC währte sein Engagement im Frühjahr 2017 sogar nur drei Monate.

Wer sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest. Zu den Kandidaten soll Markus Anfang zählen, der im April beim 1. FC Köln beurlaubt wurde und schon vor Slomkas Anstellung Gespräche mit 96 geführt hatte. Auch Kenan Kocak, der bis 2018 den SV Sandhausen betreute, soll ein Kandidat sein. Ein Problem wird der Nachfolger schwer beheben können: Das Team wurde nach dem Abstieg stark geschwächt, Transferüberschüsse von mehr als 20 Millionen Euro sollten die Zweitligasaison absichern. Dennoch glaubt die Führung offenbar weiter, dass das Team oben mithalten kann: "Unser Ziel ist es, mit dem neuen Trainer eine solide Saison zu spielen und den Anschluss nach oben nicht komplett zu verlieren", so Schlaudraff.

Die Frage ist nur, ob die von ihm angekündigte "umfassende Analyse" kurzfristig viel bewirkt. Seit dem Abstieg im Mai hat es in Hannover schon manche interne Prüfung gegeben. Sollte man nun zu dem Ergebnis kommen, dass die akute Personalpolitik bei den Spielern doch missglückt ist, kann man frühestens im Winter Korrekturen anbringen.

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Quelle:
SZ vom 04.11.2019
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