Handspiel von BVB-Verteidiger Subotic:Unglück aus zehn Zentimetern

Borussia Dortmund verspielt in der Champions League den Sieg bei Manchester City, weil Neven Subotic kurz vor Schluss am Ellbogen angeschossen wird. Die Debatte, ob das nun ein Elfmeter ist oder nicht, erregt die Beteiligten. Doch selbst ein Blick ins Regelwerk hilft kaum weiter.

Thomas Hummel

Ob Neven Subotic tatsächlich die von ihm prophezeite schlechte Nacht gehabt hat? Das wäre jedenfalls nicht verwunderlich, so niedergeschlagen wie er eine Stunde vor Mitternacht in den Katakomben des Stadions von Manchester City stand. Der Dortmunder Verteidiger wirkte nicht verärgert, er zürnte nicht gegen diese zweifelhafte Entscheidung. Er wirkte traurig.

Subotic hatte zuvor in der 88. Spielminute den Ball an den Ellbogen bekommen, Gegenspieler Sergio Agüero hatte ihn aus kurzer Entfernung mit einem Drehschuss getroffen. Schiedsrichter Pavel Kralovec aus Tschechien gab Elfmeter und Mario Balotelli schoss das 1:1 für Manchester City. Das unverdiente 1:1 für den englischen Meister, der sich damit eine Chance auf das Weiterkommen in der heftigen Champions-League-Gruppe D bewahrte.

"Es war ein Albtraum. Ich dachte, warum nur bin ich der Pechvogel. Ich werde heute schlecht schlafen", sagte Subotic. Zuvor hatte Marco Reus die immer stärker werdenden Dortmunder 1:0 in Führung gebracht (62.), noch einmal Reus, Robert Lewandowski und Mario Götze vergaben zudem riesengroße Möglichkeiten auf einen weiteren Treffer, allein der hervorragende City-Torwart Joe Hart hielt die Gastgeber im Spiel. Auch über die vergebenen Torchancen wurde später gesprochen - doch im Mittelpunkt stand dieser Elfmeterpfiff. Und die ewige Debatte: Leitet sich aus einem solchen Handspiel ein Strafstoß ab?

Agüero hatte den Ball in einer artistischen Szene in Richtung Tormitte getreten und den direkt hinter ihm stehenden Subotic am Ellbogen getroffen. "Ich wurde aus gefühlt zehn Zentimetern angeschossen. Soll ich mir etwa die Hand abhacken?", klagte der Serbe.

Wird ein verteidigender Spieler im Strafraum aus kurzer Distanz am Arm getroffen, gibt es stets Debatten: Elfmeter oder nicht? Eine einheitliche Linie der Schiedsrichter ist dabei kaum zu erkennen, weshalb sich auch keine Lösung für die Debatten andeutet. Der eine pfeift es, der andere nicht. Und die Argumente für oder gegen einen Pfiff sind vielfältig.

Im ZDF-Studio sprach Oliver Kahn davon, dass man beurteilen müsse, wohin der Ball geflogen wäre, falls Subotics Arm nicht im Weg gewesen wäre. Vielleicht ins Tor? Oder zu einem Mitspieler, der das Tor erzielt? Kahns Interpretation klingt logisch - für die Schiedsrichter darf das aber keine Rolle spielen. Auch die allseits bemühte "unnatürliche Handbewegung" steht so nicht im Regelwerk.

Regelwerk hinterlässt Grauzone

Stattdessen ist dort vermerkt: "Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt. Der Schiedsrichter achtet bei der Beurteilung der Situation auf:

[] die Bewegung der Hand zum Ball (nicht des Balls zur Hand),

[] die Entfernung zwischen Gegner und Ball (unerwartetes Zuspiel),

[] die Position der Hand (Das Berühren des Balles an sich ist noch kein Vergehen.),

[] das Berühren des Balles durch einen Gegenstand in der Hand des Spielers (Kleidung, Schienbeinschoner usw.), was ein Vergehen darstellt.

Es dürfte Neven Subotic nur ein bisschen trösten, dass nach dieser Definition der Schiedsrichter eher keinen Elfmeter hätte pfeifen dürfen: Seine Hand bewegte sich nicht zum Ball, das Zuspiel war unerwartet und die Entfernung gering, er hat auch nicht seine Schienbeinschoner nach der Kugel geworfen. Und die Position seines Ellbogens war recht nah am Körper, dass er sich den Arm schon hätte unnatürlich auf den Rücken binden müssen, um eine Berührung zu verhindern.

Roman Weidenfeller versuchte noch, die gefühlte Fehlentscheidung durch eine gefühlte Unsportlichkeit auszugleichen, in dem er den Schützen Balotelli mit ein paar Worten ins Ohr ablenken wollte. Weidenfeller nahm später von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch und wollte die Worte vor der Kamera nicht wiederholen. Doch was er auch immer sagte, es half ohnehin nichts. Der Italiener zog nur abschätzig einen Mundwinkel nach oben und verwandelte sicher zum Ausgleich.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Die Handspiel-Regel lässt eine so große Grauzone offen, dass sich das Fußballvolk weiterhin emsig darum streiten wird, ob der Schiedsrichter nun pfeifen muss oder soll oder darf oder auf gar keinen Fall. Oder wie es Mats Hummels ausdrückte: "Für einige war der Elfmeter vertretbar, für andere nicht."

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