Handball:Zwischen Hoffen und Anfangen

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Der einst so erfolgreiche TV Großwallstadt muss die zweite Bundesliga wieder verlassen. Er hat bereits erste Antworten auf den Abstieg gefunden - kann sich aber vielleicht sogar noch retten.

Von Sebastian Leisgang

Unter Umständen, zumindest hoffen sie das in Großwallstadt, könnte das Schicksal des TVG noch einmal eine Wendung nehmen, in eineinhalb Wochen, an einem Sonntagnachmittag in der Multifunktionshalle in Bietigheim-Bissingen, einen Tag nach Saisonende in der zweiten Handball-Bundesliga, aus der Großwallstadt am vergangenen Wochenende - eigentlich - schon abgestiegen ist.

Geschäftsführer Stefan Wüst, 52, weiß, dass schon einiges zusammenkommen muss, damit der TVG diese letzte Chance nutzt, die er im Grunde gar nicht mehr hat. Doch zumindest in der Theorie könnte das ja tatsächlich passieren: dass die Mannschaft in den verbleibenden beiden Saisonspielen jene zwei Punkte noch aufholt, die sie momentan vom Wilhelmshavener HV und dem obersten Abstiegsrang trennen - und dass der VfL Gummersbach am letzten Spieltag der Bundesliga das Kellerduell bei der derzeit punktgleichen SG BBM Bietigheim verliert, auf den vorletzten Platz stürzt und dann keine Lizenz für die zweite Liga erhält. Dann, aber auch nur dann wäre der TVG doch noch gerettet. "Theoretisch ist also noch was drin", sagt Wüst, "wir haben eine Resthoffnung." Gleichwohl sagt er aber auch: "Wir planen für die dritte Liga."

Der TV Großwallstadt ist ein ehemals großer Klub, der inzwischen ein eher kleiner Klub ist. Er ist auf ein Normalmaß geschrumpft, vielleicht sogar noch ein bisschen weiter. Er steht zwar noch immer auf Platz vier der ewigen Bundesligatabelle, hinter dem THW Kiel, hinter Gummersbach und hinter der SG Flensburg-Handewitt - in der nächsten Saison spielt er aber wohl gegen Vereine, die MSG Groß-Bieberau/Modau und HG Oftersheim/Schwetzingen heißen und so klingen, wie sie tatsächlich sind: drittklassig.

Vor einem Jahr, nach der Rückkehr in die zweite Liga, hat sich der TVG entschieden, seine Mannschaft nur auf wenigen Positionen aufzurüsten. Jetzt gesteht Wüst im Zuge seiner Saisonanalyse: "Wir waren zu schwach aufgestellt." Und: "Es wäre - bei aller Dankbarkeit, die Florian Bauer für seinen aufrechten Job verdient hat - sinnvoll gewesen, das früher zu tun." Er meint: Der Verein hätte sich früher von seinem Trainer trennen müssen, nicht erst vor zwei Wochen, als Manfred Hofmann und Maik Pallach einsprangen, um zu retten, was im Grunde nicht mehr zu retten war.

Und doch ist den Verantwortlichen des TVG zumindest das zugute zu halten: dass sie bereits erste Schlüsse aus der missratenen Saison gezogen und - etwa mit der Einstellung des Sportkoordinators Pallach - entsprechende Antworten formuliert haben. "Wir haben uns sportliche Kompetenz eingekauft, durch die unsere Vernetzung immer besser wird", erklärt Wüst und reklamiert deshalb für die Führungsetage des Klubs: "Wir haben dazugelernt. Wir wissen, wo unsere Defizite im sportlichen Bereich sind, und haben schon begonnen, das zu kompensieren." Und ohnehin: "Wir haben in dieser Saison seriös gewirtschaftet und in dieser Hinsicht eine Punktlandung gemacht."

Dass Wüst das überhaupt betont, ist auf die Geschichte des TVG zurückzuführen, in der die Verantwortlichen alles andere als seriös gewirtschaftet und dann eine Bauchlandung gemacht haben. 2015 hat Großwallstadt, vor rund vier Jahrzehnten mehrmals Europapokalsieger und bis 2013 Erstligist, Insolvenz angemeldet, sich dann aber an die guten Tage erinnert und die schlechten hinter sich gelassen. Der Abstieg in die dritte Liga soll nun nicht mehr als ein Betriebsunfall sein.

Der TVG geht zwar mit einem geringeren Etat in die nächste Saison, will sich dann aber die Duelle mit Groß-Bieberau/Modau und Oftersheim/Schwetzingen zunutze machen, um auf direktem Wege in die zweite Liga zurückzukehren. "Das ist kein einfaches Unterfangen", weiß Wüst, "aber das Gros der Spieler wird bleiben, das Gros der Sponsoren auch." Damit hat Großwallstadt ein tragfähiges Fundament, um den beschwerlichen Rückweg zu meistern.

Da Hofmann und Pallach nicht mehr als eine Übergangsbesetzung für die Seitenlinie sind, müssen die Verantwortlichen zunächst aber die Trainerfrage klären. Es gebe "einige Kandidaten", sagt Wüst und kündigt eine Entscheidung "in den nächsten vier Wochen" an. Klar ist: Die Lösung Bauer, tagsüber berufstätig, abends in der Halle, hat sich als Fehler herausgestellt. Nun will der TVG die Zügel anziehen und acht Einheiten pro Woche abhalten lassen. Unabhängig davon, ob BBM Bietigheim noch Schützenhilfe leistet - oder ob Großwallstadt nächstes Jahr tatsächlich gegen Groß-Bieberau/Modau und Oftersheim/Schwetzingen spielt.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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