Handball:Zurück auf dem Boden

Rhein-Neckar Löwen verspielen alle Titelchancen in dieser Saison: In der Champions League scheiterte der frühere Meister an Nantes. Im DHB-Pokal ist er ausgeschieden. Und in der Meisterschaft liegt er nur auf Platz vier.

Der riesigen Enttäuschung folgte eine große Stille. Es dauerte eine Weile, bis die frustrierten Handballer der Rhein-Neckar Löwen nach dem Aus in der Champions League beim Vorjahresfinalisten HBC Nantes ihre Kabinentür öffneten und mit versteinerten Mienen zum Bus schlichen. Durch das 27:30 (14:14) im Rückspiel gingen die Löwen bereits zum fünften Mal nacheinander im Achtelfinale der Königsklasse K. o.; gleichzeitig hatten sie damit ihre letzte Titelchance in dieser Saison verspielt. "Das ist eine Scheiß-Situation", beschrieb Kapitän Andy Schmid in drastischen Worten die Gefühlslage.

Es wird also nichts mit einem Abschiedsgeschenk für den im Sommer scheidenden Trainer Nikolaj Jacobsen. "Das hat er nicht verdient, aber wir haben alles gegeben", sagte Kreisläufer Jannik Kohlbacher. Jacobsen fühlte mit seinen Spielern, die er zwischen 2016 und 2018 zu drei Supercuptiteln, zwei Meisterschaften und einem Pokalsieg geführt hatte. "Das ist hart für die Jungs", sagte der Däne, der zudem die Auswahl seines Heimatlandes im Januar noch zum WM-Titel gecoacht hat.

"Wir werden wiederkommen", verspricht Kapitän Schmid: "Wir haben Charaktere im Team."

In einem packenden Duell hatte der Pokalsieger aus Mannheim bis zur letzten Minute die Chance aufs Weiterkommen, doch nach dem 34:32-Hinspielsieg reichte es am Ende nicht. Schmid ärgerte sich über die "einfachen Gegentore" und die vergebenen Chancen. "Wir hatten es selbst in der Hand und müssen die Schuld bei uns suchen", sagte Nationalspieler Patrick Groetzki. Vor allem aus dem Rückraum fehlte Torgefahr, die Nantes in Person von Romain Lagarde hatte. Der 22-Jährige war mit acht Toren der beste Werfer beim Sieger; er wechselt 2020 zu den Löwen.

"Es ist bitter, hier so auszuscheiden", sagte Schmid, "aber es passt zu dieser Saison. Dass es nach unglaublich erfolgreichen Jahren auch mal so etwas geben wird, müssen wir in Kauf nehmen. Jetzt sind wir zurück auf dem Boden." Die Nordbadener waren zuvor bereits im Viertelfinale des DHB-Pokals gescheitert, in der Bundesliga haben sie nach der überraschend deutlichen Niederlage (23:28) beim abstiegsbedrohten VfL Gummersbach am Donnerstag nun acht Punkte Rückstand auf Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt und damit keine realistische Titelchance mehr. Die "desolate Vorstellung" (Schmid) in Gummersbach offenbarte zudem Einstellungsprobleme. "Wir denken wohl, wir können hier mit 80 Prozent gewinnen", klagte danach Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Löwen.

Vor der Partie in Nantes hatte Trainer Jacobsen seine Mannschaft zumindest wieder aufgeweckt, immerhin der Einsatz stimmte. "Am Ende", sagte Schmid, "haben Kleinigkeiten entschieden." Der Schweizer war gemeinsam mit Jannick Kohlbacher und Vladan Lipovina (alle fünf Tore) erfolgreichster Schütze seines Teams; er ist trotz des schwachen Saisonverlaufs sicher: "Wir haben große Charaktere im Team und werden wiederkommen." Sportchef Roggisch nahm das Verpassen aller Saisonziele am Samstag vergleichsweise unaufgeregt hin: "Wir sind alle verwöhnt aus den vergangenen Jahren. Eine Saison ohne Champions League kann dieser Verein verkraften." Derzeit sind die Löwen in der Bundesliga nur Vierter, vier Punkte hinter dem zweitplatzierten THW Kiel. Die ersten beiden Mannschaften sind für die Königsklasse qualifiziert. "Es wird schwer, die Mannschaft jetzt aufzubauen", räumte Jacobsen ein, "aber wir wollen Dritter oder Vierter werden, damit wir sicher in der nächsten Saison im EHF-Pokal dabei sind." Den zweitrangigen europäischen Wettbewerb gewannen die Löwen 2013 schon einmal - damals durch einen Finalsieg in Nantes.

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