Schweden bei der Handball-WM:Erben unerfüllbarer Erwartungen

Schweden bei der Handball-WM: Durch dick und dünn: Jim Gottfridsson (Mitte) führt Schwedens Handballer ins WM-Viertelfinale.

Durch dick und dünn: Jim Gottfridsson (Mitte) führt Schwedens Handballer ins WM-Viertelfinale.

(Foto: Mohamed Abd El Ghany/AP)

Die schwedische Mannschaft zieht ins Viertelfinale ein, leidet aber unter den Erfolgen ihrer Vorgänger - gerade in Ägypten.

Von Joachim Mölter

Natürlich waren einige der alten Schweden am Sonntag nicht zufällig bei der Handball-WM in Kairo. Ljubomir Vranjes, 47, der gewitzte Spielmacher von einst, stand als Chefcoach der Slowenen an der Seitenlinie, als die gegen den Gastgeber Ägypten spielten (25:25). Magnus Wislander, 56, der Welthandballer des 20. Jahrhunderts, überreichte danach als Ehrengast die Auszeichnung für den besten Spieler der Partie. Und Martin Boquist, 43, früher im Rückraum unterwegs, saß als Assistenzcoach des schwedischen Teams auf der Bank, als es sich mit einer russischen Auswahl maß. Spätestens da wurden Erinnerungen wach.

In Kairos Sportkomplex hatten Wislander, Vranjes, Boquist und Co. 1999 den bislang letzten von Schwedens vier WM-Titeln geholt, in einem dramatischen Finale gegen Russland, 25:24. Und dort trafen ihre Nachfolger nun erneut auf eine russische Equipe, diesmal zum Abschluss der WM-Hauptrunde und ganz undramatisch, 34:20. Damit geht Schweden als Gruppensieger ins Viertelfinale und dort dem Titelverteidiger Dänemark aus dem Weg. Zumindest das Halbfinale ist mal wieder drin.

Es gab mal eine Zeit, da wäre weniger als das eine Enttäuschung gewesen. Zwischen 1986 und 2002 schafften es Schwedens Handballer nur einmal nicht ins Halbfinale internationaler Veranstaltungen - bei Olympia 1988; da belegten sie Platz fünf. Von den übrigen 15 Turnieren brachten sie sechs Titel, fünf Silber- und zwei Bronzemedaillen mit, es hat im Handball nie eine Mannschaft gegeben, die über einen so langen Zeitraum so konstant so erfolgreich gewesen ist; selbst die zuletzt dominierenden Franzosen nahmen sich immer mal wieder Auszeiten.

Die deutschen Handballer sollten sich schon mal in Acht nehmen

Die jungen Schweden leiden nun natürlich unter den unerfüllbaren Erwartungen, die sie geerbt haben; gerade in Kairo, dem Ort des letzten Welterfolgs. Es gab danach Zwischenhochs wie bei Olympia-Silber 2012 oder EM-Silber 2018, aber der große Wurf gelang nicht mehr. Die Schweden haben keinen herausragenden Weltklassespieler mehr, wie es Wislander war, dessen Rückraum-Partner Staffan Olsson oder auch der Abwehrspezialist Ola Lindgren. Aber sie verfügen weiter über ein selten breites Reservoir an überdurchschnittlichen Könnern, angeführt von Flensburgs Spielmacher Jim Gottfridsson, 28, einem von zwölf Bundesliga-Profis, die Chefcoach Glenn Solberg zur WM mitgenommen hat.

Bei diesem Turnier beeindrucken die Schweden vor allem mit ihrer Abwehrarbeit, sie sind bemerkenswert flink auf den Beinen: Wo immer auch am Sonntag ein Russe eine Lücke suchte, war ein Schwede schon da, um sie zuzustellen. Dabei treten sie nicht mal in Bestbesetzung an: Aus diversen Gründen fehlen sieben Spieler, darunter Stammtorwart Mikael Appelgren, Rechtsaußen Niclas Ekberg, der erfolgreichste Torjäger von Champions-League-Sieger THW Kiel, oder Andreas Nilsson, der erfahrenste Kreisläufer mit 142 Länderspielen.

Die deutsche Auswahl sollte sich schon mal in Acht nehmen vor diesen Schweden: Die sind beim Olympia-Qualifikationsturnier im März in Berlin der erste Gegner, und so wie sie sich in Kairo präsentieren auch der stärkste.

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