Start der Handball-WM:Worauf es bei der Handball-WM ankommt

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Wie weit werden es Philipp Weber (links) und das deutsche Team bei dieser WM schaffen? (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Was kann das deutsche Team nach zwei verpatzten Turnieren bei dieser Weltmeisterschaft leisten? Wer sind die Gegner? Und wie viel Raum wird das Thema Corona noch einnehmen? Ein Ausblick.

Von Ralf Tögel

An diesem Mittwoch beginnt die Handball-Weltmeisterschaft in Schweden und Polen (11. bis 29. Januar), die Eröffnungspartie findet in der Spodek-Arena im polnischen Kattowitz statt, Gastgeber Polen trifft auf Olympiasieger Frankreich. Für die deutsche Nationalmannschaft fängt die WM erst am Freitag (18 Uhr) mit der Partie gegen Katar, ebenfalls in Kattowitz, an. Nach der WM in Ägypten vor zwei Jahren wird das Turnier zum zweiten Mal mit 32 Nationen ausgetragen. Ebenfalls zum zweiten Mal gibt es zwei Gastgeberländer, Polen und Schweden; 2019 hatten Deutschland und Dänemark das Weltturnier ausgerichtet.

Jeweils zwei der acht Vorrundengruppen spielen in Kattowitz und Krakau, Co-Gastgeber Schweden beherbergt in Göteborg, Malmö, Jönköping und Kristianstad jeweils eine Vorrundengruppe. Danzig und Stockholm teilen sich Viertelfinal- und Halbfinalspiele auf, das Finale steigt am 29. Januar in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Die vergangene WM in Ägypten schloss die deutsche Mannschaft auf dem historisch schlechten zwölften Platz ab, ein Ergebnis, das sich bei den anstehenden Titelkämpfen nicht wiederholen soll. Zumal sich der Deutsche Handballbund (DHB) ein positives Signal für die Heim-EM im kommenden Jahr erhofft. Der 33:31-Sieg im letzten Test gegen die hoch eingeschätzten Isländer war ein Hoffnungszeichen - und es gibt ein paar weitere Faktoren, die für die deutsche Auswahl sprechen.

Der Trainer

Alfred Gislason geht vermutlich in sein erstes Turnier als Bundestrainer, das nicht im Ausnahmezustand stattfindet. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Manchmal, aber wirklich nur manchmal, kann Alfred Gislason seine Anspannung nicht verbergen. Dann biegt er seinen mächtigen Körper am Spielfeldrand wie eine isländische Fichte im Sturm. Man hat den Eindruck, er würde am liebsten selbst aufs Parkett stürmen, schließlich war der 63-Jährige zu aktiven Zeiten ein gefürchteter Rückraumschütze. Nach einem Spiel aber wirkt der Bundestrainer stets aufgeräumt, analysiert ruhig und gelassen. Gislason, der als Vereinstrainer neben zahlreichen Meisterschaften und nationalen Pokalen auch dreimal die Champions League gewann, war 2020 der erklärte Wunschkandidat des DHB. Auch sein bisher mäßiges Abschneiden (WM-Platz zwölf, Rang sieben bei der EM 2022) hat sein Renommee nicht beschädigt- zumal beide Turniere wegen der Corona-Pandemie im Ausnahmezustand stattfanden. Nun aber werden erste Stimmen laut, dass auch Gislason liefern muss. Der Druck ist größer, aber die isländische Fichte wird sich nichts anmerken lassen.

Die Mannschaft

Für ein gutes Turnier bräuchte Deutschland auch eine gute Torhüterleistung: Andreas Wolff ist diese zweifellos zuzutrauen. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Der Kader hat sich bei den finalen Testspielen gegen Island in wettbewerbsfähiger Form präsentiert - und damit nach den Niederlagen gegen Schweden (33:37) und Spanien (31:32) im EHF Euro Cup vergangenen Oktober eine erfreuliche Entwicklung fortgesetzt. Gislason hat einen guten Mix aus erprobten Kräften wie Andreas Wolff, Kai Häfner, Patrick Groetzki, Philipp Weber, Paul Drux und aufstrebenden Akteuren wie Joel Birlehm, Lukas Mertens, Julian Köster und Juri Knorr zur Verfügung. Vor allem auf Letzterem ruhen viele Hoffnungen, der Regisseur der Rhein-Neckar Löwen hat in der vergangenen Saison unter der Anleitung von Spielmacher-Legende Andy Schmid einen enormen Leistungssprung gemacht.

Die Aussichten

Gehört ganz klar zum "ersten Anzug": Kreisläufer und Kapitän Johannes Golla. (Foto: Ingrid Anderson-Jensen/Lobeca/Imago)

Bundestrainer Gislason hat in einer für ihn ungewöhnlichen Deutlichkeit den "zweiten Anzug" kritisiert, seiner ersten Formation indes das Format attestiert, mit der Weltklasse mithalten zu können. Allerdings ist schwer einzuschätzen, wie tief er dabei in die psychologische Trickkiste gegriffen hat, denn jeder der nominierten Akteure spielt in der Bundesliga eine tragende Rolle. Vielleicht will er sein Ersatzpersonal so zu besseren Leistungen kitzeln. Klar ist dagegen, dass das Team für Siege gegen große Mannschaften mehr Konstanz benötigt. In entscheidenden Phasen unterlaufen den Spielern zu oft technische Fehler, wird überhastet abgeschlossen. Und auf dem höchsten internationalen Parkett werden derlei Aussetzer mit eben jener vermissten Konstanz bestraft.

Die Gruppengegner

Schlechte Erinnerungen: Bei der WM 2015 scheiterte das deutsche Team mit Hendrik Pekeler (rechts) überraschend im Viertelfinale an Gastgeber Katar. (Foto: Guillaume Horcajuelo/dpa)

Kapitän Johannes Golla gab mit seiner Einschätzung ein Beispiel für die eher zurückhaltende Herangehensweise des DHB. Man wähne sich sportlich schon in der Lage, mit Katar, Serbien und Algerien mitzuhalten, sagte er. Damit betrieb der 25-jährige Kreisläufer gepflegtes Understatement, denn will Deutschland seinen Anspruch aufrechterhalten, zu den führenden Handballnationen zu zählen, sollten drei Siege gelingen. Der vermeintlich stärkste Kontrahent dürfte Asienmeister Katar sein, an den die DHB-Auswahl nicht die besten Erinnerungen hat. Unvergessen das überraschende Viertelfinal-Aus bei der WM 2015, als Gastgeber Katar (allerdings mit zahlreichen eingebürgerten Spielern) als erstes nicht europäisches Team in ein Finale einzog.

2017 und 2021 stand Katar jeweils im WM-Viertelfinale, auch bei dieser WM ist dies das erklärte Ziel des spanischen Erfolgstrainers Trainers Valero Rivera. Die serbische Auswahl ist dagegen gespickt mit Akteuren aus europäischen Topklubs, aus der Bundesliga sind drei Spieler dabei, unter ihnen Torhüter Dejan Milosavljev vom Tabellenführer Füchse Berlin. Das algerische Team ist wegen seiner bekannt unorthodoxen Spielweise ein unangenehmer Kontrahent, dürfte aber der leichteste Gegner sein.

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Die Favoriten

Mikkel Hansen und die Dänen gehen als Titelverteidiger ins Turnier. (Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Olympiasieger Frankreich, Weltmeister Dänemark, Europameister Schweden sowie Spanien und Norwegen gelten als Favoriten auf den WM-Titel. Dahinter kommt ein breites Mittelfeld, dem Chancen auf die Medaillen eingeräumt werden, mit Nationen wie Kroatien, Ägypten, Gastgeber Polen, Slowenien, Island - und dem deutschen Team. Der Modus ist bekannt: Von den vier Teams der acht Vorrundengruppen ziehen jeweils die drei besten in die Hauptrunde ein, dort werden vier Sechser-Gruppen gebildet. Die Punkte aus den Vorrundenspielen werden mitgenommen, die besten zwei Teams jeder Hauptrundengruppe stehen im Viertelfinale.

Deutschland bekäme es dann mit der Gruppe F zu tun, in der sich Argentinien, die Niederlande, Nordmazedonien und Norwegen um das Weiterkommen streiten. Der Einzug ins Viertelfinale wäre für das DHB-Team auch wegen Olympia wichtig, denn: Die Teams auf den Rängen zwei bis sieben im Endklassement erhalten ein Ticket für eines von drei Olympia-Qualifikationsturnieren.

Die Corona-Maßnahmen

Nur mit Maske: Deutsche Fans bei der Corona-EM 2022 in Ungarn. Diesmal sind die Vorschriften weit weniger streng. (Foto: Marijan Murat/dpa)

In beiden Gastgeberländern sind die Corona-Maßnahmen weitgehend zurückgefahren worden, der Weltverband IHF hat, dessen ungeachtet, einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, der bei einigen Aktiven harsche Kritik hervorgerufen hat. Islands Nationaltorhüter Björgvin Pall Gustavsson beklagte in einem offenen Brief eine Einschränkung seiner Menschenrechte, womit er weniger den geforderten Nachweis des Impf- oder Genesenen-Status meinte als verpflichtende PCR-Tests sowie die fünftägige Isolation im Falle eines positiven Ergebnisses. Der DHB gibt sich gelassen, man werde alle Voraussetzungen erfüllen. Das betreffe auch Juri Knorr, wurde mitgeteilt, der hatte auf die Europameisterschaft 2022 noch verzichtet, weil er sich nicht impfen lassen wollte. Diesmal saß Knorr im Flieger. Denn während die Dänen in Simon Pytlick und Mads Mensah Larsen zwei positiv getestete Spieler meldeten, waren im deutschen Lager sämtliche Testergebnisse negativ.

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