Hendrik Pekeler:Nicht bloß der heimliche Chef

IHF Handball World Championship - Germany & Denmark 2019 - Main Round Group 1 - Croatia v Germany

Spielt bislang eine herausragende WM: Hendrik Pekeler vom THW Kiel.

(Foto: REUTERS)
  • Hendrik Pekeler leitet bei der Handball-WM neben Patrick Wiencek und Finn Lemke die bislang famose Defensive der deutschen Mannschaft an.
  • Pekeler soll es auch gewesen sein, der den Bundestrainer nach der missratenen EM 2018 dazu brachte, in der Nationalmannschaft auf die Abwehrsysteme zu setzen, wie sie beim THW Kiel gespielt werden.
  • Der 27-Jährige scheut auch die öffentliche Auseinandersetzung nicht - etwa mit DHB-Präsident Andreas Michelmann, wenn es um die Belastung im Handball geht.

Von Carsten Scheele, Köln

Hendrik Pekeler befolgt ein Ritual. Zum Aufwärmen steckt er sich einen Kaugummi in den Mund, für den guten Geschmack. Ein weiterer kommt in die Socke - fürs Spiel. Abläufe vorauszudenken gehört zu den Anforderungen an den deutschen Handball-Abwehrchef: Er weiß, welchen Block er zu stellen hat, wenn der gegnerische Rückraumspieler auf diese oder jene Weise abspringt. Oder wie er den Kreisläufer packt, damit dieser sich nicht mehr entwinden kann.

Pekeler, 27, leitet bei der Heim-WM neben Patrick Wiencek und Finn Lemke die so famose deutsche Defensive an, und würde er nicht vorausschauend handeln, wer weiß, wo die Handballer heute stehen würden. Es ist viel geschrieben worden über die Metamorphose des Bundestrainers; hatte Christian Prokop bei der Europameisterschaft vor zwölf Monaten die Mannschaft mit seinen Ideen überfordert, lässt er den Spielern nun Freiheiten. Prokop fragt in den Auszeiten, was die Mannschaft als nächstes spielen wolle, auch bei engen Spielständen. Prokops größte Errungenschaft sei es, dass er der Mannschaft eine Stimme verliehen hat.

Doch wenn es heißt, dass die Mannschaft eine Stimme hat, spricht doch auffällig oft Hendrik Pekeler.

Bei der EM setzte Pekeler sich einmal über eine Traineransage hinweg

"Peke", wie er von den Kollegen genannt wird, ist nicht bloß der heimliche Chef, weil er den bislang wichtigsten Mannschaftsteil anleitet. Pekeler gibt die größeren Linien vor, er soll es gewesen sein, der Prokop nach der missratenen EM 2018 (Platz neun) dazu gebracht hat, in der Nationalmannschaft die gleichen Abwehrsysteme zu implementieren wie daheim beim THW Kiel: eine defensivere 6-0-Variante und eine 3-2-1-Formation.

Das klappt bislang famos, Pekeler bildet bei der WM mit seinem Kieler Kollegen Wiencek den Mittelblock - beide verstehen sich nahezu blind. Oder Pekeler stört den Gegner in der 3-2-1-Abwehr in vorderster Spitze. Mit seinen langem Armen fuchtelt der 2,03-Meter-Mann dann zwischen den Rückraumspielern herum, für seine Größe ist er verblüffend schnell auf den Beinen. 25 Gegentore hat Deutschland in der Vorrunde gegen Frankreich kassiert, ansonsten 19, 21, 22, 23, 19 und 21 gegen die übrigen Teams. Das sind schon arg niedrige Werte. Man habe die "beste Abwehr der Welt gestellt", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning nach dem Kroatien-Spiel, man könne einfach nicht besser verteidigen.

Wer in diesem Gebilde nun wen anleitet, darüber reden die deutschen Abwehrspieler nicht. "Wir sind alle Chef", heißt es da, die Mechanismen sind eingespielt. Die Wertschätzung für Pekeler ist unter den Teammitgliedern aber besonders groß. Wiencek lobt, Pekeler sei ein sehr intelligenter Handballer: "Es ist einfach ein Vorteil, wenn man ihn neben sich hat. Man kann sich auf ihn verlassen."

Wie Pekeler seinen Torhüter neckt

Das war früher schon mal anders, als Pekeler als 18-Jähriger zum ersten Mal beim THW Kiel spielte, aber die Abfahrt zu einem Champions-League-Spiel verschlief, den Verein bald darauf verlassen musste. Er sei damals nicht reif gewesen, heute sei das anders, sagt Pekeler. Verantwortung heißt für ihn auch, den Mund aufzumachen: Bei der EM setzte er sich einmal über eine Traineransage hinweg - zu Prokops Ärger, allerdings stand die Abwehr danach wirklich besser. Offen streitet er auch für eine Reduzierung der bis zu 70 Pflichtspiele pro Saison, scheut dabei auch nicht die öffentliche Auseinandersetzung mit Andreas Michelmann, dem DHB-Präsidenten.

Weil das Turnier nach dem Gruppenfinale am Mittwoch gegen Spanien in die entscheidende Phase geht, hat Pekeler nur noch wenige Spielanteile im Angriff - Stichwort Belastungskontrolle. Was ihn gegen Kroatien nicht davon abhielt, zwei der wenigen erfolgreichen Tempogegenstöße zu laufen. Beim zweiten kurz vor Schluss habe er sich "gewundert: Normalerweise lässt Andi sich erst mal feiern, wenn er den Ball hält, bevor er die Kugel rauswirft, da hat er schnell geschaltet." Eine Kitzelei an Torwart Andreas Wolff, und es liegt nahe, dass Pekeler in diesem Moment ebenfalls vorausgedacht hat. Es ist keine gewagte These, dass die beste Abwehr der WM am Ende Weltmeister werden könnte. "Unsere Torhüter können da noch mehr, vor allem auch Andi", sagt Pekeler. Wenn Wolff und Silvio Heinevetter "noch ein paar Prozent draufpacken, wird es unglaublich schwer, uns zu besiegen".

Den größten Verschleiß sieht Pekeler in der zweiten Turnierwoche nämlich bei den Angreifern: "Keine Mannschaft kann in der Offensive ihre Qualitäten ausspielen. Es ist einfach leichter, Bälle zu verteidigen als Tore zu werfen." Schwindende Kräfte machen sich in Schnelligkeit und Wurfgenauigkeit bemerkbar; wenn nun der Torwart rechtzeitig anfängt, noch eine Schippe draufzulegen, könnte das zum mitentscheidenden Faktor werden im Halbfinale am Freitag in Hamburg und im möglichen Finale am Sonntag in Herning.

Dort will Pekeler hin, das Unterstatement hat er längst abgelegt. Gefragt, ob er bereit sei für den ganz großen Coup, da sagt Pekeler nur: "Ja."

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