Handball-WM:Mit großem Getöse ins Halbfinale

Lesezeit: 3 min

Es war laut, sehr laut in Köln - Deutschlands Handballer freute es. (Foto: Martin Meissner/AP)
  • Deutschlands Handballer erreichen das WM-Halbfinale in einem echten Krimi gegen Kroatien.
  • Selbst die schwere Verletzung von Spielmacher Strobel bringt die Mannschaft nicht aus dem Konzept.

Von Carsten Scheele, Köln

Wieder dieses Getöse, wieder dieses Gebrüll. Als hätte sich jeder einzelne der Zuschauer in der Kölner Handball-Arena vorgenommen, noch ein oder zwei Dezibel lauter zu brüllen als beim ersten Hauptrundenspiel, ging ein rauschender Lärm auf die deutschen Nationalspieler nieder, als sie am Montagabend die Halle betraten.

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Welch eine Dramatik, was für ein Kampf: Die deutschen Handballer gewinnen ein wahnsinnig intensives Spiel gegen Kroatien und spielen um eine Medaille.

Es glitzerte schon wieder verdächtig in den Augen von Silvio Heinevetter, dem Ersatztorhüter, der für die Emotionen von den Rängen besonders empfänglich ist. Emotional und aufbrausend blieb die Partie bis zum Abpfiff, am Ende stand vor 19 250 Zuschauern ein hart erkämpftes 22:21 (11:11) gegen Kroatien, womit die Deutschen bei dieser Weltmeisterschaft vorzeitig als Halbfinalist feststehen.

Das erste große Ziel bei der Heim-WM ist damit erreicht: Die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop wird Köln am Donnerstag verlassen und nach Hamburg reisen, wo sie am Freitag um den Einzug ins Finale spielt. Zuvor können im abschließenden Hauptrundenspiel gegen Spanien am Mittwoch einige Kräfte geschont werden. Nebenbei ist Deutschland schon jetzt für eines der Qualifikationsturniere zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio qualifiziert.

Strobel fällt früh verletzt aus

"Das war heute eine ganz harte Prüfung", sagte Prokop, "so eine Drucksituation zu bestehen, darauf bin ich unheimlich stolz." Torhüter Wolff stellte den Berliner Rückraumspieler Wiede heraus: "Fabi hat ein unglaubliches Spiel gemacht, er hat wahnsinnig gespielt." Der Gelobte gab zu Protokoll: "Wenn man im Halbfinale ist, will man auch ins Finale und dann den Pokal hochstemmen."

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Die WM läuft für das DHB-Team besser als erwartet - doch vor dem Spiel gegen Kroatien ist auch klar: Taktiererei kann sich die Mannschaft nicht leisten.

Kommentar von Carsten Scheele

Die Kroaten hatten nur eine Nacht und einen halben Tag Zeit, um die arg überraschende 26:29-Niederlage gegen Brasilien aus den Köpfen zu bekommen. Mit einem Schlag hatte das Team von Trainer Lino Červar die gute Ausgangsposition für das Halbfinale verspielt, und dann musste die medizinische Abteilung am Montag auch noch das WM-Aus für Mittelmann Luka Cindrić von KS Kielce vermelden. Eine Beinverletzung, für ihn wurde Kristian Bećiri nachnominiert.

Auch ohne ihren Chefantreiber fanden die Kroaten besser in die Partie, führten schnell 3:1; als die Deutschen begannen, sich in die Partie hineinzukämpfen und Torwart Andreas Wolff den ersten kroatischen Siebenmeter parierte, folgte der erste personelle Tiefschlag der Heim-WM: Mittelmann Martin Strobel verdrehte sich ohne direkte gegnerische Einwirkung das Knie (9.), musste von Sanitätern auf einer Trage aus der Halle und ins Krankenhaus befördert werden. Die Diagnose: Innenbandriss und Riss des vorderen Kreuzbandes, für ihn ist die WM beendet. Die Halle stellte sich noch vehementer hinter die deutsche Mannschaft, was auch daran lag, dass sich Kroatiens Željko Musa während der Verletzungspause beschwerte und die Anhänger zum Singen animierte, während Strobel am Boden lag.

Nun war Hektik in der Partie, wozu auch die dänischen Schiedsrichter beitrugen, die die Zweiminutenstrafen anfänglich wie Kamelle verteilten. Bis zur zwölften Minute mussten drei Deutsche raus, erst Patrick Wiencek, dann Patrick Groetzki und Hendrik Pekeler. Wieder vollzählig tat sich Prokops Mannschaft im Angriff sehr schwer, wie schon im kompletten Turnierverlauf.

Die Rückraumspieler passten sich zwar die Bälle sauber zu, generierten aber keine echte Gefahr. Das Spiel über die zweite Welle, die zweite größere DHB-Baustelle, wurde wegen geringer Erfolgsaussichten fast komplett eingestellt. Einen einzigen Tempogegenstoß lief die Mannschaft in der ersten Halbzeit durch, den Pekeler prompt zur ersten Führung des DHB-Teams verwertete (8:7, 21. Minute).

Dafür präsentierte sich die Abwehr erneut als eingespieltes Bollwerk. Pekeler und Wiencek hatten im Mittelblock ihren Kieler Teamkollegen Domagoi Duvnjak fast ausnahmslos gut im Griff. Kam doch mal ein Kroate durch, parierte Wolff mit bisweilen aufreizender Leichtigkeit. In abermals doppelter Unterzahl (Groetzki, Pekeler) musste das DHB-Team die Führung wieder hergeben, Wiede rettete mit einem Kracher das 11:11 zur Halbzeit.

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Da Strobel raus war, übernahm Wiede in der zweiten Halbzeit die Regie. Auch zwei Hannoveraner standen nun auf der Platte, Kai Häfner und Fabian Böhm; letzterer brachte das DHB-Team mit zwei Rückraumgeschossen wieder in Führung.

Weil auch der zur Hauptrunde nachnominierte Häfner doppelt traf und Wiede einen unwiderstehlichen Stemmwurf ins Netz zischen ließ, ging das DHB-Team erstmals mit drei Treffern in Führung (18:15, 46.). Anschließend vergaben Linksaußen Matthias Musche und Kreisläufer Jannik Kohlbacher die Chance, die Partie vorzeitig zu entscheiden. Doch sie trafen nicht, die Kroaten erzielten drei Treffer in Serie - die Partie war wieder ausgeglichen (23.).

Kroatien holte sich sogar die Führung zurück (20:19, 57.), aber Wiede und Fäth hielten das DHB-Team im Spiel. In größter Bedrängnis lief Pekeler dann den zweiten erfolgreichen deutschen Tempogegenstoß in dieser Partie - zu einem perfekten Zeitpunkt. Der eher unglücklich agierende Uwe Gensheimer sorgte dann dafür, dass die WM-Reise auch nach Hamburg führt.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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