Domenico Ebner jubelt, vor dem Spiel, nach der Nationalhymne, bei einer eigenen Parade, bei einer Abwehrtat seines Kollegen, bei Toren und eigentlich auch bei jeder anderen Aktion auf dem Feld. In Dauerschleife hebt er die Arme hoch, dazu reißt Ebner den Mund auf, als gelte es, den Handball im nächsten Moment auf einen Happs zu verschlingen.
Noch verwunderlicher ist dies, da Ebner, 30, Torwart der italienischen Nationalmannschaft ist. Italiener hatten bei Handball-Weltmeisterschaften lange nichts verloren, seit 28 Jahren waren sie nicht mehr dabei. Beim letzten Mal: WM 1997, Platz 18 von 24 Mannschaften. Ehe sich Ebner und seine Kollegen aufmachten, eine der bislang schönsten Geschichten bei dieser WM in Dänemark, Norwegen und Kroatien zu schreiben.

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Die Italiener verwundern alle und sich selbst. Sie spielen und siegen, zum Turnierstart gegen Tunesien und Algerien, zwei gestandene WM-Teilnehmer. Zu viel für den emotionalen Torwart, der überragend pariert, in manchen Spielen jeden zweiten Wurf auf sein Tor. Ebner weint in der Mixed Zone bei den Reportern, als er den Auftaktsieg in Worte fassen soll. Ständig umarmt er einen Mitspieler, Trainer oder Physio. Ebner redet viel und schnell, auf Englisch, Italienisch, Deutsch, alles durcheinander. „Meine Oma ist 92, die sitzt zu Hause vor dem Fernseher und kriegt einen Herzinfarkt“, sagt Ebner, er strahlt dabei.

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Ebners Italienisch ist, nun ja, ausbaufähig
Mittlerweile sind die Italiener dem Boden wieder etwas näher, das happige 20:39 gegen Gastgeber Dänemark war der erwartete Dämpfer im letzten Gruppenspiel, aber die dänischen Fans unterstützen die italienischen Spieler wie noch kein anderes gegnerisches Team in der Jyske Bank Boxen. „Eine der schönsten Niederlagen, die man haben kann“, sagt Ebner hinterher. Der famose Sieg gegen die Tschechen im ersten Hauptrundenspiel ist durch das 27:34 gegen Deutschland nun weitgehend entwertet, für Ebner bleibt das Turnier dennoch „ein Traum“.
Ursprünglich hatte Ebner eine Karriere als deutscher Nationaltorwart im Sinn. Seine Mutter ist Italienerin, sein Vater Deutscher. Er ist in March bei Freiburg aufgewachsen, hat nur für deutsche Klubs gespielt; in der Bundesliga für Bietigheim, Hannover und Leipzig. Sein Italienisch ist, nun ja, ausbaufähig („mir fehlen die Vokabeln“). Aber die Nationalhymne kann er singen, die hat er als Junge mit seiner Mutter vor dem Fernseher geübt.

Als Italiens Verband vor acht Jahren anfragte, entschied sich Ebner für das große Abenteuer. Seinen italienischen Pass musste er erst beantragen, die ersten Tage als Nationalspieler hat er noch genau im Kopf. „Als ich kam, habe ich einen Medizincheck gemacht, der eines Medizinchecks nicht würdig war“, sagt Ebner. Als er das erste Trikot überreicht bekam, wunderte er sich ebenfalls: „Das hat sich angefühlt wie Plastik.“
Seitdem professionalisiert sich der Verband allmählich. Trainer Riccardo Trillini hat eine talentierte Mannschaft aufgebaut, die nicht wirklich homogen wirkt, aber mit umso stärkerem Willen agiert. Die drei Profis aus der deutschen Bundesliga – der Eisenacher Simone Mengon, Leo Prantner vom Zweitligisten Balingen und Ebner – führen das Team. „Wir haben junge Spieler, wir haben alte Spieler. Wir haben dicke, dünne, kleine und große Jungs“, sagt Ebner: „Wenn man diese Mannschaft sieht, geht mir das Herz auf.“
Heute ist sich der Torwart sicher: „Ich habe mich für die richtige Nationalmannschaft entschieden.“