Süddeutsche Zeitung

Höhner-Interview zur Handball-WM:"Wenn nicht jetzt, wann dann..."

Die Handball-WM kommt nach Köln - in die Stadt der Musikgruppe "Die Höhner", aus deren Feder die populärste Handball-Hymne stammt. Gründungsmitglied Janus Fröhlich erklärt, wie es überhaupt dazu kam.

Interview von Klaus Hoeltzenbein

SZ: Herr Fröhlich, Sie sind Botschafter der Handball-WM am Standort Köln, an dem ab diesem Wochenende die Hauptrunde gespielt wird. Das haben Sie offenbar jenem Lied zu verdanken, das bis heute in allen Skihütten beim Après-Ski geschmettert wird: "Wenn nicht jetzt, wann dann ..."

Janus Fröhlich: Einspruch! Ich bin übergeordnet sogar Sportbotschafter der Stadt Köln. Und das hat nicht mit der Handball-WM 2007, sondern mit dem Fußball-Pokalfinale der Frauen zu tun, das Die Höhner und die Stadt nach Köln gelotst haben. Das ist verbunden mit den Lied "Viva Colonia". Wir hatten das Lied damals zur Verfügung gestellt, damit wir das Finale bekommen.

Sie können mit Ihrer Musik offenbar fast alles: ein Pokalfinale nach Köln holen. Und einen WM-Titel gewinnen helfen.

Ich sag' es mal so: Wir können flankierende Maßnahmen beisteuern.

Wie kam es zu "Wenn nicht jetzt, wann dann"?

Wollen Sie das präzise wissen? Wir, meine Familie und ich, sind seit über 30 Jahren mit Heiner Brand befreundet, zufällig hat sich das ergeben: Wir waren in Griechenland auf der Insel Kos, da waren damals auch Handballer, Heiner, Kurt Klühspies. Wir drei waren ein Fußballteam und gewannen alles, was es zu gewinnen gab.

Sind Sie selbst Handballer?

Ich habe bei Olympia Köln gespielt, einem Vorortverein, wirklich nur in der Schule und der Jugend. Aber aus dem Urlaub hat sich die Freundschaft entwickelt. Seit ewigen Zeiten treffen wir uns zum Weihnachtsessen, und 2006, kurz vor der WM, waren wir bei den Brands zu Hause. Und da hatte ich das Originallied, in dem es um eine Zweierbeziehung geht, auf CD mitgebracht. Ich hab Heiner vorgeschlagen, wir können doch einen neuen Text schreiben und diesen explizit auf Handball beziehen.

Und Brand war begeistert?

Er hat sich Bedenkzeit erbeten. Man muss ja in so einer Situation überlegen, ob man sich selbst oder die Mannschaft nicht zu stark unter Druck setzt. Ob man nicht lächerlich wirken kann, wenn sportlich nichts draus wird. Aber binnen zwei Tagen hatte er sich entschieden.

Dann wurde umgedichtet?

Ja: "Kleine Tore, große Männer, das ist der Trend der Zeit. Handball ist der Sport für Kenner, jederzeit zum Wurf bereit."

Das ist von Ihnen?

Das ist eine Komposition aus der Höhner-Gruppe, auch der Text ist ein Gesamtkunstwerk. Ich kann da nix für mich reklamieren. Von mir kam der Kontakt zu Heiner und die Idee. Und dass ich mich halt im Handball auskannte. Dass es da keinen Elfmeter gibt, sondern einen Siebenmeter.

Nur der Refrain ist geblieben?

Nein, da haben Sie nicht genau hingehört. Bei den Handballern heißt es: "Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht hier, sag mir wo und wann? Wenn nicht wir, wer sonst?" Und das ist der Unterschied zum Liebeslied, da heißt es: "Wenn nicht du, wer sonst". Einmal: wir! Einmal: du! Einmal mit Fragezeichen. Einmal ohne. Sonst ist der Refrain identisch, weil der als Motivation natürlich sowohl für die Zweierbeziehung als auch für den Handball perfekt passt.

Das zog auf Anhieb?

Nun ja, in der Max-Schmeling-Halle in Berlin, beim Eröffnungsspiel gegen Brasilien, haben wir es vorgestellt. Für uns war das damals logistisches Harakiri. Es war mitten in der Karnevalszeit, und um überhaupt nach Berlin zu kommen, hatten wir eine zweimotorige Cessna gebucht, einen Tag nach dem Orkan Kyrill, unser Gitarrist ist gar nicht mitgeflogen. Die Leute haben gedacht: Was ist das? Wer ist das? Höhner? Wir kennen "Viva Colonia", aber was wollen die mit Handball? Aber dann haben wir es noch mal gespielt, da hat man gemerkt, dass der Funken überspringt. Da war fast schon klar: Das Ding hat Potenzial.

Es wurde ein Ohrwurm.

Als die Mannschaft dann in Köln war, vor dem letzten Abenteuer, da haben wir mit den Spielern im Bus den Text geübt.

Sie vorne?

Nicht zum Endspiel, aber vorher, beim Viertelfinale gegen Spanien. Da stand ich vorne am Mikrofon. Ich bin ja klein, 1,69 Meter, und dann überall diese großen Männer um mich herum. Aber spätestens da hatte man das Gefühl, dass sie das verinnerlicht hatten, dass sie einen Bezug zum Song, zum Text aufgebaut hatten. Und dass sie diese Energie, diese Motivation ins Spiel mitnehmen konnten. Als dann alle anfingen zu singen: Das war Gänsehaut pur.

Es ist ja der einzige Handball-Hit überhaupt. Akzeptieren Sie ein vergleichbares Lied im deutschen Sport, das ähnlich viele Emotionen wecken konnte?

Ja, Xavier Naidoo: "Dieser Weg wird kein leichter sein". Der hat die Fußballer bei der WM 2006 tatsächlich eng begleitet.

Udo Jürgens?

"Buenos Dias Argentina"? WM 1978? Von diesen Liedern gab es ja viele, bei denen die Fußballnationalmannschaft mit den Protagonisten gesungen hat. Das waren aber eher Songs, die auf eine Situation, die auf das Land, in dem eine WM gespielt wurde, hinführen sollte. Aber reine Motivationssongs? Da habe ich außer Xavier Naidoo keinen im Kopf.

Sie haben ja in Köln auch die Stadionhymne verfasst: "Mer stonn zo dir, FC Kölle". Bei dem Lied kriegen sogar die gegnerischen Fans Gänsehaut.

Die Hymne basiert auf der Melodie eines schottischen Volksliedes: "Loch Lomond". Ich hatte diese Idee zum Fünfzigjährigen des FC Köln, dass man einen kölschen Text drauf legt. Das haben die Höhner gemacht und das Lied dem Klub geschenkt. Das Lied wird heute im Dom nahe am Jahresanfang auf der Orgel gespielt. Und die Fans singen dort mit.

Verraten Sie Ihre Rezeptur für Gänsehaut-Ohrwürmer?

Der Text sollte so auf der Musik liegen, dass er wie selbstverständlich kommt. Dass der Zuhörer denkt: Genauso muss es sein. Man muss daran arbeiten, dass man die Hookline trifft, dass man die emotionalen Musiklinien findet: "Mer stonn zu dir, Effzeh Köllleeee" - also dieser Kick nach oben am Ende, der muss perfekt passen. Das ist dann der Ohrwurmeffekt.

Lernt man das im Karneval?

Das hat bestimmt damit zu tun, ich hab 44 Jahre lang Karneval gemacht. Und ausgerechnet Rosenmontag 2007 standen wir ja mit unserer Handball-Hymne von der WM auf Platz eins der deutschen Single-Charts. Die Liste hängt hier in meinem Büro, die Charts von damals von eins bis zu Platz hundert.

Mithilfe der Suchmaschine findet man auch, dass das Lied 58 Wochen in den Single-Charts platziert war. Es ist bis heute der Bestseller aus dem Kölner Hühnerstall: "Viva Colonia" 53 Wochen, der Karnevalsklassiker "Die Karawane zieht weiter" 25 Wochen. Wie oft haben Sie "Wenn nicht jetzt, wann dann ..." gespielt?

Ich weiß, dass ich "Ich ben ne Räuber" 15 000 Mal spielte. Die gleiche Rechnung kann ich mit dem Handball-Lied machen, bei 300 Auftritten im Jahr. Das wäre von 2007 bis 2015: zweieinhalbtausend Mal.

2015 haben Sie die Höhner nach mehr als vier Jahrzehnten verlassen. Ermattet von zu viel Karneval und zu vielen Wiederholungen am Schlagzeug?

Nein, niemals. Ich hab leidenschaftlich gerne gespielt. Und wissen Sie, welches der tollste Auftritt mit den Handballern war? In der Kölner Arena, als der WM-Finalsieg gegen Polen durch war, sowieso. Aber anschließend standen wir vor 20 000 Menschen auf dem Balkon des historischen Rathauses der Stadt Köln und sangen "Wenn nicht jetzt, wann dann ...". Alle. A cappella!

Trugen auch Sie wie die Handballer diesen künstlichen Heiner-Brand-Bart?

Ich hab schon ewig einen natürlichen Heiner-Brand-Bart. Wobei: Heiner hat eher einen traditionellen Schnauzer. Bei ihm mag ich das ja ... Kennen Sie Antje vom NDR?

Das Walross? Einst NDR-Maskottchen?

Ja, Heiner hat mehr so einen Seelöwen-Schnauzbart. Ich habe mehr so einen gekünstelten Schnäuzer, einen an den Enden hochgestellten.

Damit wurden Sie 2015 zum Bartträger des Jahres, jedenfalls kürte Sie der Verein "Belle Moustache" in Leinfelden-Echterdingen dazu.

Die Trophäe steht hier vor mir. Auf dem Sockel ist mein Schnäuzer verewigt.

Ihr Nachfolger wurde Andreas Wolff, der Handball-Torwart, nachdem er 2016 der Finalheld beim Gewinn der Europameisterschaft war.

Ja, aber er trägt einen gestutzen Hipsterbart. Das ist was anderes als der Heiner-Brand-Schnäuzer oder meine preußische Kaiser-Wilhelm-Variante.

Favorit auf den Titel "Bartträger der Weltmeisterschaft 2019" dürfte jetzt aber, klar vor Torwart Wolff, Linksaußen Matthias Musche sein. Der Magdeburger präsentiert eine Hipster-und-Ziegenbart-Variante. Bärte hat die aktuelle WM-Mannschaft ja wieder, aber sie hat keine starke Hymne. Können Sie helfen?

Man könnte jetzt sagen: Nehmt noch mal "Wenn nicht jetzt, wann dann ...". Man könnte aber auch sagen: Das war einmal. Es ist vorbei. Wir brauchen was Neues.

Wenn Sie jetzt aber die Handballer in Köln um Motivationshilfe bitten würden?

Für die Höhner kann ich nicht garantieren, aber ich als Janus stehe sofort zur Verfügung. Ich würde mich wieder vorne in den Bus stellen und über Bordmikrofon das Lied singen, ja, auf jeden Fall.

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Quelle:
SZ vom 12.01.2019/ebc
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