Polen bei der Handball-WM:Sogar die Tröten verstummen

Polen bei der Handball-WM: Fest im Griff der Slowenen: Polens Michal Olejniczak (Mitte) bei einem seiner beiden Treffer.

Fest im Griff der Slowenen: Polens Michal Olejniczak (Mitte) bei einem seiner beiden Treffer.

(Foto: Mateusz Birecki/Imago)

Polens Handballer verlieren ihr zweites Gruppenspiel deftig gegen Slowenien und haben keine Chancen mehr aufs Viertelfinale. Das dämpft die Stimmung im Gastgeberland gewaltig.

Von Ralf Tögel, Kattowitz

Wenn die polnische Handball-Nationalmannschaft spielt, dann wird es farbig in der riesigen Spodek-Arena zu Kattowitz, genau gesagt: rot-weiß. Man begegnet freundlichen jungen Frauen mit bunten Farbpaletten und Pinseln, die den Besuchern die passende Fahne ins Gesicht malen. Überall stehen kleine Verkaufsstände, fahrende Händler stellen in den Unterführungen vor der Halle lange Tische auf und bieten allerlei Fan-Utensilien an. Alles in Rot-Weiß: Kraushaar-Perücken, Schals und Fahnen, Trikots in allen Größen, Hüte und Mützen in vielen Variationen - und Tröten. Je näher es auf ein Spiel zugeht, wird es nicht nur farbig, sondern auch laut. Überall Getröte, singende rot-weiß ausstaffierte Fans. Die Polen sind ein sportbegeistertes Volk.

Polen ist neben Schweden Gastgeber der 28. Handball-Weltmeisterschaft, Kattowitz neben Krakau Vorrundenspielort der Gruppen B (mit Polen) und E (mit Deutschland). Am späten Samstagabend aber bekam die Euphorie einen empfindlichen Dämpfer. Trotz der Niederlage im Eröffnungsspiel gegen Frankreich waren die Zuschauer zuversichtlich in die Halle gekommen - das knappe 24:26 gegen den Olympiasieger war als nutzloser, aber ehrenhafter Achtungserfolg interpretiert worden.

Doch das fürchterliche 23:32 gegen Slowenien im zweiten Gruppenspiel raubte nicht nur den härtesten Fans die Luft zum Tröten, es beseitigte zudem vorzeitig alle Chancen auf das angestrebte Viertelfinale. Und es führte den Polen auf schmerzhafte Weise vor Augen, dass sie von der Weltspitze im Handball sehr weit entfernt sind.

Polen muss Saudi-Arabien schlagen, um überhaupt in die Hauptrunde nach Krakau zu kommen

"Die Enttäuschung ist riesig", sagte Kapitän Piotr Chrapkowski nach der Niederlage, die von der polnischen Presse sofort mit dem 23:37-Desaster gegen Kroatien bei der Heim-EM 2016 verglichen wurde. Damals verbaselte der Gastgeber durch einen kollektiven Aussetzer alle Chancen auf ein gutes Abschneiden. Gleichwohl ist das aktuelle Team mit dem damaligen Kader nicht zu vergleichen, der bei der WM 2015 noch Bronze gewonnen hatte. Seinerzeit war Chrapkowski als aufstrebender Rückraumspieler dabei, nun stellte der 34-Jährige, der beim deutschen Meister SC Magdeburg unter Vertrag steht, konsterniert fest: "Der Druck war zu groß. Wir sind ein junges Team, und als wir zwei, drei Tore hinten waren, haben wir den Kopf verloren."

Alles sei schlecht gewesen gegen Slowenien, gab der Routinier zu: "Effektivität, Abwehr, Angriff, einfach alles." Polen befindet sich in einem Umbruch, die Mannschaft benötigt offensichtlich noch Zeit.

Dabei waren die Polen gut gestartet, hielten das Spiel bis zum 10:11 (20.) offen; dann allerdings fing sich das Team von Trainer Patryk Rombel fünf Treffer in Serie ein, ein Rückstand, von dem sich die Polen nicht mehr erholten. Obwohl die 10 000 Zuschauer nie gewillt waren, ihr Team aufzugeben, selbst als das Spiel längst entschieden war. Denn die Slowenen stellen ein erfahrenes, gut eingespieltes Team, das Gros der Spieler ist bei europäischen Topklubs oder in der Bundesliga angestellt. Angeführt wird Slowenien vom 34-jährgen Kapitän Jure Dolenec, einem Linkshänder erster Klasse, der lange beim FC Barcelona spielte und mit sieben Treffern bester Schütze des Abends war.

Kurioserweise sind die Slowenen nur per Wildcard in das Starterfeld gerückt, nun streiten sie sich am Montag mit dem sechsmaligen Weltchampion Frankreich um den Gruppensieg und die optimale Voraussetzung für die Hauptrunde.

Polen bei der Handball-WM: Am Boden: Polens Kapitän Piotr Chrapkowski (rechts) müht sich gegen den Slowenen Blaz Blagotinsek - letztlich vergebens.

Am Boden: Polens Kapitän Piotr Chrapkowski (rechts) müht sich gegen den Slowenen Blaz Blagotinsek - letztlich vergebens.

(Foto: Piotr Hawalej/AP)

Die Polen müssen dagegen Saudi-Arabien bezwingen, um überhaupt noch in die Hauptrunde einzuziehen, wo sie dann - mit null mitgebrachten Punkten aus der Vorrunde - trotzdem chancenlos wären. Ein Sieg gegen Saudi-Arabien gilt eigentlich als Pflichtübung, doch Kapitän Chrapkowski sagte, gezeichnet von den Eindrücken der Slowenien-Schlappe: "Erst mal müssen wir es überhaupt nach Krakau schaffen." In der dortigen Tauron Arena, die 15 000 Zuschauer fasst, sollte eigentlich das Viertelfinale gebucht werden. Nun gehe es nur noch um die Ehre, so Chrapkowski: "Wir haben noch vier Spiele, da wollen wir zeigen, dass wir besser sind."

Zunächst muss ein Sieg gegen den Außenseiter von der Arabischen Halbinsel gelingen, dafür werden am Montag in Kattowitz um die Spodek-Arena noch einmal die rot-weißen Buden aus dem Boden sprießen. Zum letzten Mal.

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