WM der Frauen:Diesmal zählt es für die deutschen Handballerinnen

Silje Brons Petersen (TusSies Metzingen 34) TusSies Metzingen vs. BVB Borussia Dortmund Handball Handball, HBF, 8.Ligas

Hofft auf einen WM-Einsatz: die kürzlich eingebürgerte Dänin Silje Bröns Petersen.

(Foto: Eibner/Imago)

Die DHB-Frauen kamen zuletzt nie über die Gruppenphase einer Großveranstaltung hinaus. Die WM im Dezember soll endlich zu einem Erfolg werden - die Hoffnungen ruhen auch auf einer eingebürgerten Dänin.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Bereits die vergangene Woche war stressig für Silje Bröns Petersen. Am Mittwoch hatte sie die ersehnte deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und spielte am Sonntag in Düsseldorf schon die ersten Minuten im deutschen Nationaltrikot. Passenderweise feierte man einen überraschenden 28:27-Sieg im Freundschaftsspiel gegen den Olympiazweiten Russland. "Das war ein unglaubliches Erlebnis", sagte sie hinterher.

Doch ihr Puls wird in dieser Woche kaum heruntergehen. Die 26-Jährige aus Dänemark, die von 2016 an in der Handball-Bundesliga zunächst für die HSG Blomberg-Lippe gespielt hat und seit 2020 beim TuS Metzingen die Ballverteilung im Rückraum organisiert, träumt davon, mit den deutschen Frauen bei der Weltmeisterschaft im Dezember in Spanien anzutreten. Ob sich so kurz nach der Einbürgerung und dem Länderspieldebüt auch noch dieser Wunsch erfüllt, das erfährt sie in dieser Woche, in der der Bundestrainer Henk Groener den WM-Kader nominiert.

Bundestrainer Henk Groener nominiert bald den WM-Kader

"Ich lebe schon so lange in Deutschland, dass ich jetzt auch gerne für Deutschland spielen würde", sagt die in Herlev, einem Vorort von Kopenhagen, geborene Handballerin. In der Torschützenliste der Bundesliga rangiert sie mit 4,4 Treffern pro Spiel auf dem 14. Rang. Solch eine ebenso torgefährliche wie mitgestaltende Rückraumspielerin könnte die deutsche Mannschaft gut gebrauchen. "Ich hoffe, dass ich helfen kann", sagt Bröns Petersen betont demütig und wartet jetzt mal ab, wie sich der Bundestrainer entscheidet.

Der Niederländer Groener wird sich die Kadernominierung diesmal womöglich so schwer wie nie machen, denn für den 61-Jährigen, seit 2018 deutscher Nationaltrainer, geht es bei der WM um seine Zukunft in diesem Amt. Seinen Ende des Jahres auslaufenden Vertrag hat der Deutsche Handball-Bund zunächst mal nur um vier Monate bis Ende April 2022 verlängert. Man will erst sehen, wie sich die Mannschaft bei der WM schlägt. Wir wollen dort den nächsten Schritt in der Entwicklung gehen", sagt Sportvorstand Axel Kromer und formuliert damit bereits die Anforderung an den Trainer.

Erst der Sieg, dann die Nerven - und das Aus

Bei der EM 2018, der WM 2019 und der EM 2020 hat die deutsche Mannschaft das ersehnte Halbfinale jeweils verpasst. Nach gelungenen Turnierstarts baute die Mannschaft stets ab und verlor in den zunehmend brenzligen Partien die Nerven. "2019 in Japan sind wir unglücklich kurz vor dem Halbfinale gescheitert und 2020 in Dänemark war es wiederum von den coronabedingten Umständen her ein bisschen chaotisch, wodurch es uns schwer gefallen ist, die Gesamtleistung und die Entwicklung richtig einzuordnen", sagt Kromer.

Mit anderen Worten: Diesmal zählt es! Im Dezember in Spanien muss Groener beweisen, dass er den deutschen Handballerinnen zum seit vier Jahren ersehnten Schritt in Richtung Weltspitze verhelfen kann. Die Forderung eines konkreten Turnierziels verkneift sich Kromer zwar, aber sollte die Mannschaft einen verheißungsvollen Turnierauftakt wieder kläglich verspielen, dann sähe es wohl düster aus für Groener.

Deutschland - Portugal

Wie lange ist er noch Bundestrainer der deutschen Handballerinnen? Henk Groener muss sich in den kommenden Partien beweisen.

(Foto: Guido Kirchner/dpa)

Den Bundestrainer ausgangs seines vierten Jahres im Amt ultimativ unter Druck zu setzen, hält Kromer für "legitim". Vier Monate Aufschub im Anschluss hat er ihm bereits eingeräumt. Diese Zeit will man zur Analyse nutzen. Kromer erklärt: "Wir lassen jetzt die WM durchlaufen, werden sie gemeinsam analysieren und dann festlegen, wie lange die nächste Amtszeit dauern soll. Wir beurteilen Henk Groeners Arbeit nicht nur an diesem einen Turnier, aber wir möchten auch die Entwicklungsschritte sehen. Im Spitzensport wird jeder an Ergebnissen gemessen."

Der knappe Sieg gegen Russland am Sonntag beim "Tag des Handballs" in Düsseldorf hat die deutschen Handballerinnen mal spüren lassen, wie es sich anfühlt, wenn man eine Crunch-Time gewinnt. Im Ernstfall bei den Turnieren ist ihnen ja genau dies nicht gelungen. In Spanien wollen sie neuerlich versuchen, sich dem Halbfinale ernsthaft zu nähern. Am übernächsten Montag, 22. November, trifft man sich zur Vorbereitung in Großwallstadt und fliegt drei Tage später nach Spanien, wo noch ein Vier-Nationen-Turnier zur Vorbereitung ansteht. Spanien, Polen und die Slowakei heißen die Gegner. Tschechien (2. Dezember), Slowakei (4. Dezember) und Ungarn (6. Dezember) sind anschließend die Gegner in der WM-Gruppenphase.

Silje Bröns Petersen hofft, dass sie sich für diese Zeit nichts anderes vornehmen muss. Dass sie im Falle ihrer Nominierung mitentscheiden würde über die Zukunft jenes Bundestrainers, der ihr den Traum einer WM für Deutschland überhaupt erst erfüllen würde, das war ursprünglich natürlich nicht Bestandteil ihrer Vision.

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