Süddeutsche Zeitung

Deutschland bei der Handball-WM:"Ich glaube, dass wir uns noch steigern müssen"

Von Joachim Mölter, Berlin

Das letzte Tor der deutschen Handballer bei der WM-Vorrunde in Berlin erzielte am Donnerstagabend der Torhüter, Silvio Heinevetter, ein Berliner auch noch, wie passend. Der 34-Jährige hatte das ganze Spiel über hervorragend gehalten gegen die Serben, und als er einen Moment vor der Schlusssirene auch deren letzten Ball noch in die Finger bekam, hielt er ihn nicht bloß fest - er warf ihn umgehend übers ganze Spielfeld hinweg ins verlassene Tor zum Endstand von 31:23 (16:12). "Ich glaube, ich habe mein Soll erfüllt", fand Heinevetter.

Das galt in diesem Spiel speziell für ihn, und in der gesamten Vorrunde für die komplette deutsche Mannschaft. Sie beendete ihre fünf Partien der Gruppe A vor jeweils 13 500 Zuschauern in der Berliner Arena ohne Niederlage, mit 8:2 Punkten, und zieht nun weiter zur Hauptrunde nach Köln. Dort bestreiten sie ihr erstes Spiel am Samstag (20.30 Uhr/ARD) vor bereits ausverkauftem Haus gegen Island. Weitere Gegner sind dann Kroatien (Montag); der verlustpunktfreie Gruppengewinner von München, sowie Europameister Spanien (Mittwoch)

. "Ich glaube, dass wir uns noch steigern müssen, um in Richtung Halbfinale zu gehen", warnte Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). "Jetzt kommen echte Hochkaräter auf uns zu."

Das Spiel hatte nur noch statistischen Wert - also testet Prokop für die Schwergewichte

In der ersten Partie des Tages hatte Brasilien in Berlin das gemeinsame Team aus Süd- und Nordkorea 33:26 besiegt und sich damit den dritten Tabellenplatz sowie die Teilnahme an der Hauptrunde gesichert. Für die Südamerikaner bedeutet das mindestens Rang zwölf im Endklassement, also in jedem Fall die beste WM-Platzierung ihrer Handball-Historie.

Die beruhigende Nebenwirkung für die DHB-Auswahl: Weil alle Vorrunden-Ergebnisse gegen die ebenfalls qualifizierten Gruppengegner mit in die nächste Runde genommen werden, wusste sie bereits vor ihrem abschließenden Gruppenspiel, dass sie in Köln mit den 3:1 Punkten beginnt, die sie gegen Brasilien (34:21) und den Titelverteidiger Frankreich (25:25) gesammelt hat. Eine prima Ausgangsbasis für das angestrebte WM-Ziel Halbfinale.

Weil es in der Partie gegen Serbien "um nicht mehr so viel ging", wie Rechtsaußen Patrick Groetzki diplomatisch formulierte, konnte Bundestrainer Christian Prokop experimentieren; nur in einem Fall war er tatsächlich dazu gezwungen. Wegen des Ausfalls von Steffen Weinhold kam Franz Semper im rechten Rückraum zu seinem ersten längeren Einsatz bei diesem Turnier. Zudem stand diesmal Heinevetter im Tor, der von Prokop vor dem Turnier als Nummer eins gesetzte Andreas Wolff bekam ein Päuschen.

Obwohl die Anfangsformation ansonsten gleich geblieben war, lief es zunächst nicht rund. Kapitän Uwe Gensheimer, der bis dato beste Torjäger des Turniers, vergab erst einen und später sogar noch einen weiteren Siebenmeter, doppelt so viele wie in den vier vorherigen WM-Partien zusammen. Erst als sich die Serben zwei Zeitstrafen innerhalb weniger Sekunden einfingen, gelang es der DHB-Auswahl, sich abzusetzen. Mit zwei Mann in Überzahl erhöhte sie von 12:11 (23.) auf 14:11 (26.). Da hatte der Linksaußen Gensheimer längst Platz gemacht für seinen Ersatzmann, den Magdeburger Matthias Musche, immerhin bester Torjäger der Bundesliga. Musche war mit insgesamt fünf Treffern bester deutscher Werfer, der Rückraumspieler Paul Drux und der Kreisläufer Jannik Kohlbacher kamen auf jeweils vier.

Prokop testete jedoch nicht nur sein Personal, sondern auch diverse Spielvarianten. Das zweite Abwehrsystem seiner Mannschaft, eine 3-2-1-Formation, machte dabei erfolgreich Druck auf den Angriff der Serben. Was auch klappte, war eine unkonventionelle Aufstellung, die der Bundestrainer kurz vor der Halbzeit aufs Feld schickte: alle seine drei Kreisläufer, dazu drei Rückraumspieler, von denen zwei auch noch Linkshänder waren.

Solch eine Konstellation sieht man so gut wie nie, entsprechend verwirrt reagierten die Serben - Fabian Wiede nutzte das zum Halbzeitstand von 16:12. Was ebenfalls funktionierte: Das Zusammenspiel von Aushilfsspielmacher Drux mit Kohlbacher am Kreis. Der vollendete drei Pässe nacheinander bis zum 20:15 (42.), danach schien die Gegenwehr der Serben zu erlahmen, sie gerieten mit zehn Toren in Rückstand.

Aber auch der Schwung von Prokops Spielern kam noch einmal ins Stocken, als der Bundestrainer nämlich partout überprüfen wollte, wie das Überzahlspiel mit sieben Angreifern gegen sechs Verteidiger funktioniert. "Das ging nicht ganz so gut", beobachtete Heinevetter. Seine Kollegen vertändelten dreimal den Ball, die Serben nutzten das zu Würfen ins leere Tor und verkürzten auf 26:19 (52.). Heinevetter fand dieses missglückte Experiment "nicht schlimm. Das musst Du ja auch nutzen am Ende, wenn's so gut aussieht".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4292961
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.01.2019/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.