Deutschland bei der Handball-WM:Sorgen um den Regisseur trüben die Freude

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Mittelmann Juri Knorr (rechts) setzt sich gegen den Polen Ariel Pietrasik durch, später verletzt er sich aber am Knie. (Foto: Claus Fisker/AFP)

Die deutschen Handballer tun sich zum WM-Auftakt gegen Polen schwer – es reicht aber zu einem 35:28-Sieg. Mittelmann Juri Knorr spielt erst stark, muss dann aber verletzt vom Feld.

Von Carsten Scheele, Herning

Für ein paar Minuten Gegnerbeobachtung ist Alfred Gislason immer zu haben. Also setzte sich der deutsche Bundestrainer zwei Stunden vor dem Anpfiff des ersten WM-Spiels der deutschen Nationalmannschaft auf die Tribüne im dänischen Herning. Grüßte nach links und rechts, dann schaute er sich an, was die beiden kommenden Gegner, die Schweiz und Tschechien, in ihrem Auftaktspiel fabrizierten. Furchterregend war das nicht, 17:17 endete die Partie, und vielleicht tat es Gislason gut, ein paar Minuten an etwas anders zu denken.

Denn die Anspannung war spürbar vor dem WM-Auftakt am Mittwochabend gegen Polen. Zwei mittelmäßige Testspiele gegen Brasilien hatten genügt, um leichte Zweifel an der WM-Form der deutschen Mannschaft zu streuen. Nicht ganz zu Unrecht, die Deutschen taten sich auch gegen Polen zunächst schwer, ehe sie das erste Spiel bei dieser Weltmeisterschaft 35:28 (15:14) gewinnen konnten. Folglich huschte Gislason bei der Analyse am ARD-Mikrofon sogar ein Lächeln über das Gesicht, allerdings hatte der Isländer nicht übersehen, dass „wir heute 40 Minuten lang Probleme hatten“. Polens Halblinker Ariel Pietrasik und der hünenhafte Kreisläufer Kamil Syprzak hatten seinem Team in der ersten Halbzeit Probleme bereitet, immerhin „haben wir uns in der zweiten Halbzeit gesteigert“. Womit der Bundestrainer vor allem die deutlich verbesserte Chancenverwertung meinte.

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Das erste Tor gelang Juri Knorr, völlig frei sprang der deutsche Mittelmann schon nach 40 Sekunden durch die polnische Abwehrreihe. Die frühe Führung trug aber nicht dazu bei, die Nervosität zu lindern. Es folgte eine einigermaßen wilde Anfangsviertelstunde, in der das DHB-Team immer wieder gute Aktionen hatte, sich das Leben aber auch erschwerte, weil die Spieler sehr viele freie Bälle verwarfen. Der polnische Torwart Adam Moravski vom Bundesliga-Tabellenführer MT Melsungen hatte oft seine Finger im Spiel.

Juri Knorr verletzt sich am Knie, muss behandelt werden und bleibt auf der Bank

Erst vergab Knorr, dann scheiterte Uscins, später mit zehn Treffern bester Torschütze der Partie, frei von der Sechsmeterlinie, auch Julian Köster traf nur den Pfosten. Nach einem polnischen Wechselfehler spielte Knorr in doppelter Überzahl einen völlig verunglückten Pass ins Aus. So blieb die Partie eng, kurz vor der Pause parierte Torwart Andreas Wolff sehenswert einen polnischen Siebenmeter, indem er den Ball mit dem Fuß erwischte und an die Hallendecke kickte. Zur Halbzeit führte das deutsche Team immerhin mit einem Tor.

Seit Tagen hatte Gislason seine Mannschaft gewarnt, die Auftaktpartie gegen die Polen nicht zu leicht zu nehmen. Das Team von Coach Marcin Lijewski befindet sich zwar im Neuaufbau und ist noch ein gutes Stück davon entfernt, einen Erfolg wie 2007 zu wiederholen, als die Polen überraschend WM-Silber gewannen, damals noch mit großen Namen wie Slawomir Schmal oder Karol Bielecki. Aber die Ergebnisse in der Vorbereitung waren gut, und mit zunehmender Spieldauer spürten die Polen, dass auch gegen dieses nervöse deutsche Team etwas gehen könnte.

Der Schlüssel lag für die Deutschen in der Abwehrarbeit, allzu oft hatten die Polen in der ersten Halbzeit den Weg über den Kreis gefunden, mitten durch den deutschen Mittelblock. Ganz konnten Kapitän Johannes Golla und Köster die Durchbrüche auch in der zweiten Halbzeit nicht verhindern, aber weil die Angreifer nun beständiger trafen, warf das deutsche Team die erste Drei-Tore-Führung heraus (18:15). Besonders die Variante mit zwei nominellen Spiellenkern bewährte sich: Luca Witzke organisierte das Spiel in der Mitte, Knorr kam über die linke Rückraumposition. Bei dem damit im deutschen Rückraum herrschenden Tempo konnten die Polen häufig nur hinterherschauen.

Anfangs klappte vieles nicht: Bundestrainer Alfred Gislason reagiert am Spielfeldrand. (Foto: Sören Stache/dpa)

Mit beharrlicher Arbeit setzte sich die deutsche Mannschaft allmählich ab. Der starke Witzke, der sich für weitere Einsatzminuten bei dieser WM empfahl, traf zur ersten Fünf-Tore-Führung (30:25). Auch Rückraumtalent Marko Grgic kam jetzt in die Partie und erzielte die ersten WM-Tore seiner Karriere. Torwart Wolff hatte ebenfalls seinen Anteil, dass den Polen der Glaube an die große Überraschung abhandenkam – er parierte zwei weitere Siebenmeter. Doch auch Wolff mahnte Redebedarf an: „Es ist letztlich ein gutes Ergebnis, aber das Wie müssen wir noch besprechen.“

Einmal herrschte aber noch Betriebsamkeit auf der deutschen Bank. Der starke Knorr rutschte aus und griff sich ans Knie, musste minutenlang hinter der Bank liegend behandelt werden. Sein Ausfall würde das deutsche Team vor dem zweiten Spiel am Freitag gegen die Schweiz (20.30 Uhr/ZDF) hart treffen.

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