Handball-WM:Die deutschen Handballer haben ihre Welle erwischt

Deutschland - Island

Geschlossene Mannschaft: Deutschland bei der Handball-WM im eigenen Land.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die WM läuft für das DHB-Team besser als erwartet - doch vor dem Spiel gegen Kroatien ist auch klar: Taktiererei kann sich die Mannschaft nicht leisten.

Kommentar von Carsten Scheele

Der Sturm, der sich über diese Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland gelegt hat, hat mit dem Umzug der deutschen Handballer von Berlin nach Köln noch einmal an Kraft zugenommen. 19 250 Zuschauer saßen am Samstagabend in der Kölner Arena, 6000 mehr als in Berlin, sie beklatschten und bekreischten jeden geblockten Ball, als ginge es bereits ums WM-Finale.

Vor den TV-Geräten ein ähnliches Bild: Die Quoten steigen, von durchschnittlich sechs Millionen zu WM-Beginn auf 7,87 Millionen gegen Island, mehr als beim Bundesliga-Rückrundenstart Hoffenheim gegen FC Bayern, der ebenfalls im Free-TV lief. In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Weg vorgezeichnet: Hauptrunde, Halbfinale, Finale. Menschen, die mit Handball wenig zu tun haben, tippen "Deutschland gucken" als Erinnerung ins Smartphone. Immer lauter, immer kraftvoller schwillt der Sturm an.

Das Team von Bundestrainer Prokop hat im Sturm ihre eigene Welle gefunden, auf der sie bislang weitgehend gefahrlos durchs Turnier surft. Die WM läuft besser als erwartet, man ist noch unbesiegt, die Spieler sind gerührt von der Zuneigung, die sie in den Spielstätten erfahren. Dem Einspielen gegen Korea und Brasilien folgten zwei kleine, wenn auch noch nachrangige Rückschläge mit den Remis gegen Russland und Frankreich. Serben und Isländer waren anschließend zu schwach - Prokop konnte experimentieren und Stammkräfte schonen.

Noch ist also nicht viel passiert, das wird sich nun ändern, wenn es schon am Montag gegen Kroatien um den Halbfinal-Einzug geht. Deutschland ist in der Lage, die Reise nach Hamburg aus eigener Kraft klar zu machen, Taktiererei kann sich das Team trotzdem nicht leisten, das lässt die komplizierte Turnierarithmetik nicht zu. Wobei das deutsche Team zumindest den Vorteil hat, dass die direkten Konkurrenten Kroatien und Frankreich am Mittwoch aufeinandertreffen und sich gegenseitig die Punkte wegnehmen.

2007, bei der vergangenen WM im eigenen Land, lief es ähnlich. Auch da funktionierte die Mannschaft in Wellenbewegungen: Erst der geglückte Turnierstart, gefolgt von der unerwarteten Vorrunden-Niederlage gegen Polen, danach der Aufstieg bis ins Finale, der Rausch, die angeklebten Heiner-Brand-Schnauzbärte. Zuvor wäre das Turnier zweimal fast beendet gewesen, im Viertelfinale gegen Spanien, im Halbfinale gegen Frankreich, doch die Mannschaft bestand, als der Druck am größten wurde.

Darauf kommt es nun auch an. So ein Sturm, in dem man die passende Welle erwischt, kann noch an Kraft zulegen - muss er aber nicht. Die Welle kann fortan auch ansatzlos in sich zusammenfallen.

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