Handball-WM: Deutsches Team:Anders als Fußball

Vor der entscheidenden Partie gegen Frankreich suchen die deutschen Handballer ihre Leitfiguren. Michael Kraus und Pascal Hens sind das nur bedingt - weil beide vor Jahren denselben Fehler begingen.

Christian Zaschke

Die deutschen Handballer haben bei der WM nur ein Spiel verloren, es gibt also keinen Grund, den Stab über sie zu brechen. Gegen Spanien kann man verlieren, die Mannschaft ist routiniert, nervenstark und frei von Angst. Dennoch ist es eine Niederlage, auf die einen genaueren Blick zu werfen sich lohnt, denn sie offenbart ein grundsätzliches Problem: Dem deutschen Team fehlen die Leitfiguren.

Handball-WM: Deutschland - Spanien

Keine Leitfigur gegen Spanien: Michael Kraus (links) gegen Spaniens Roberto Garcia Parrondo.

(Foto: dapd)

Das klingt nach einer faden Führungsspieler-Debatte, die schon im Fußball so betäubend langweilig war, im Handball liegt die Sache jedoch anders. Die Männer, die die Leitfiguren sein müssten, sind hier in Schweden. Sie sind aber nicht dazu in der Lage, das Team zu führen.

Der 30 Jahre alte Pascal Hens ist Kapitän des Teams, sein Vorgänger war der 27 Jahre alte Michael Kraus, der jedoch abgesetzt wurde, weil die Rolle ihn überforderte. Beide sind hochveranlagte Handballer, beide haben immer wieder sehr gute Momente, sehr gute Spiele, manchmal auch längere sehr gute Phasen. Richtig schlecht sind sie selten, aber insgesamt spielen beide unter ihren Möglichkeiten.

Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es im Fall von Hens auch daran, dass er 2003 als Supertalent des deutschen Handballs nicht zum THW Kiel ging, wo ihm Trainer Noka Serdarusic beibringen wollte, wie man verteidigt. Er ging nach Hamburg, auch ein sehr guter Klub, aber vielleicht hätte der unvergleichlich harte Kieler Konkurrenzkampf Hens zu einem noch besseren Handballer gemacht.

Ähnliches lässt sich über Kraus sagen, der, als er in Lemgo spielte, am Wochenende stets nach Hause fuhr, nach Göppingen, um sich zu amüsieren. Auch er hätte nach Kiel gehen und als zweiter Mann hinter dem großen Regisseur Stefan Lövgren sein Spiel auf der Mitte perfektionieren können. Auch er lehnte das ab.

Die Niederlage der Deutschen lässt sich natürlich nicht einfach auf diese beiden Spieler schieben. Ein grundsätzliches Problem ist aber, dass beide so schlechte Deckungsspieler sind. Früher war das egal im Handball. Wenn einer vorne die Tore warf, reichte das. Im modernen, schnellen Handball reicht das nicht mehr. Fast alle sehr guten Rückraumspieler der führenden Handball-Nationen sind auch sehr gute Deckungsspieler, anders geht es nicht mehr in diesem Sport.

Sich derart umfassend weiterzubilden, haben die außergewöhnlich talentierten Kraus und Hens versäumt. Einerseits ist das nicht weiter schlimm, es ist ja ein sympathischer Charakterzug, nicht verbissen der Beste der Besten sein zu wollen. Andererseits stößt man im Spitzensport dann eben bisweilen früher an seine Grenzen, als einem lieb sein kann.

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