Handball-WM: Deutsches Team:17 Wiedergutmacher

Ein Verrückter im Tor, ein Übertalentierter auf Linksaußen und ein Trainer, der seltsame Wege geht: Diese Männer sollen bei der WM in Schweden die Handballwelt überraschen. Der deutsche Kader in Kurzporträts.

Carsten Eberts

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Germany v Sweden - International Friendly Handball Match

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Ein Verrückter im Tor, ein Übertalentierter auf Linksaußen und ein Trainer, der seltsame Wege geht: Diese Männer sollen bei der WM die Handballwelt überraschen. Der deutsche Kader in Kurzporträts.

Johannes Bitter (Tor, 28 Jahre, HSV Hamburg)

Dass Johannes Bitter ein kritischer Kopf ist, ist wohlbekannt. Er sagt meist, was er denkt, so war erwartbar, dass er sich zum überraschenden WM-Aus seines Hamburger Kollegen Torsten Jansen äußert. Eine "große Überraschung" sei dieser Schritt für ihn, sagte Bitter im Interview mit sueddeutsche.de: "Man hat es nicht so oft, dass ein Außenspieler auf Halb weltklasse deckt. Deshalb würde ich eigentlich sagen, dass er kaum zu ersetzen ist." Der Rüffel von Bundestrainer Heiner Brand an dieser Kritik blieb aus: Schließlich schätzt Brand an Bitter nicht nur, dass er ein formidabler Torhüter ist, der sich wie kein Zweiter in ein Spiel hineinpushen kann. Sondern auch, dass er meist sagt, was er denkt.

EM-Qualifikation Deutschland - Österreich

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Silvio Heinevetter (Tor, 26, Füchse Berlin)

Es sind bewegte Monate im Leben von Silvio Heinevetter. Längst wurde er als Gesicht des Berliner Handballaufschwungs ausgemacht - wann immer von der Unbekümmertheit des Tabellenzweiten Füchse Berlin die Rede ist, fällt auch Heinevetters Name. Die Berliner Euphorie hat ihn sogleich ins Nationalteam gespült, vorbei an Größen wie Henning Fritz oder Carsten Lichtlein. Wer ihm böse will, könnte seine verrückten Leistungen im Tor als unorthodox bezeichnen, wenn Heinevetter mal wieder quer in der Luft hängt. Bitter und Heinevetter sind daher solch unterschiedliche Torwarttypen, dass sie sich nur positiv ergänzen können.

Germany v Brazil - International Handball Match

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Uwe Gensheimer (Linksaußen, 24, Rhein-Neckar Löwen)

Gewiss muss bei dieser WM einiges passen, damit das deutsche Team in Reichweite einer guten Platzierung gelangt. Gewiss braucht die deutsche Mannschaft dabei auch Figuren, die unerwartet zu Gesichtern des Turniers aufsteigen. Gerade Uwe Gensheimer ist dies zuzutrauen: In der Bundesliga ist er der alles überragende Linksaußen, bester deutscher Torschütze, gesegnet mit unzähligen Wurfvarianten, reich an genialen Momenten. Führt zudem die Liste eher fragwürdiger Spitznamen im deutschen Team fort: nach "Pommes", "Mimi" und "Mini" nun auch "Gense".

Germany v Sweden - International Friendly Handball Match

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Pascal Hens (Rückraum links, 30, HSV Hamburg)

Die wichtigste Info gab Pascal Hens vorab dem Handball-Magazin: "Ich bin zurzeit verletzungsfrei und fühle mich richtig gut", sagte er, was an sich ein profaner Satz ist. Doch dass Hens tatsächlich unverletzt in ein WM-Turnier gehen kann, war gefühlt noch nie der Fall. Bundestrainer Brand muss darüber so froh gewesen sein, dass er Hens für die WM auch gleich noch das Kapitänsamt von Michael Kraus verpasst hat. Hens ist sichtlich erwachsener geworden, mittlerweile Familienpapa, der Irokesenschnitt ist nur noch ansatzweise zu erkennen. Nur ein guter Abwehrspieler ist er immer noch nicht. "Wir wollen uns vor allem selbst beweisen, dass der zehnte Platz bei der EM nicht repräsentativ war", sagt er kämpferisch. Gelingt dies nicht, ist Hens vor allem als Moderator gefragt.

Deutschland - Schweden

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Michael Kraus (Mitte, 27, HSV Hamburg)

Als Michael Kraus in der Vorbereitung gegen WM-Gastgeber Schweden sein erstes überzeugendes Länderspiel seit langem zeigte, war überall die Erleichterung greifbar. "Mimi hat nach langer Zeit mal wieder gezeigt, was in ihm steckt", sagte Bundestrainer Brand. Kraus hat ein bewegtes Jahr hinter sich - vom schlechten Abschneiden der Nationalmannschaft bei der EM in Österreich, das in der öffentlichen Wahrnehmung zu großen Teilen am Mittelmann Kraus festgemacht wurde, bis hin zu seinem Wechsel zum HSV Hamburg. Kraus weiß aber auch: An seiner Wertschätzung im Team hat sich wenig geändert. Soll das deutsche Team eine gute Rolle spielen, muss Kraus die Griffigkeit und Torgefahr aus dem Schweden-Spiel zeigen. Mindestens.

Handball EM Deutschland - Schweden

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Holger Glandorf (Rückraum rechts, 27, TBV Lemgo)

Nein, vollkommen fit geht Holger Glandorf nicht in diese WM. Nach seiner schweren Knieverletzung Mitte Dezember kehrte er erst zu den beiden Island-Spielen in den Kader zurück und bekam von Bundestrainer Brand sogleich eine Art WM-Garantie. "Steht Holger Glandorf die Spiele problemlos durch, ist er dabei", sagte Brand, wohl wissend, dass er keinen Zweiten derart wühlenden und unberechenbaren rechten Rückraummann hat. Wie gefährlich der deutsche Rückraum bei der WM agiert, hängt definitiv auch von Glandorf ab. Wirklich Zeit, langsam wieder seine Form zu finden, bekommt er deshalb nicht.

Deutschland - Schweden

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Christian Sprenger (Rechtsaußen, 27, THW Kiel)

Die Zeiten von Rechtsaußen Florian Kehrmann sind im deutschen Team längst vorbei. Folgerichtig wurde Christian Sprenger auf dieser Position in die erste Sieben gespült. Abzuwarten bleibt, ob Sprenger diese Aufgabe diesmal wahrnehmen kann. Der 27-Jährige hat nämlich stets großes Pech, wenn es auf große Turniere zugeht: Die WM 2007 verpasste er wegen eines Bänderisses, bei der WM 2009 verletzte er sich gleich im Auftaktspiel. Sprenger hat selbstredend das Zeug zu einem der besten Rechtsaußen der Welt - schließlich spielt er beim THW Kiel. Und der Rekordmeister setzt immerhin auf den Außenpositionen auf deutsche Spieler.

Handball: Deutschland - Schweden

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Sebastian Preiß (Kreis, 29, TBV Lemgo)

Auf der Kreisposition herrscht in Deutschland seit Jahren die Gewissheit, dass es seit dem Abschied von Christian Schwarzer keinen Weltklassespieler mehr gibt. Schwarzer hält sich zwar immer noch fit, zuletzt bei der Verbandsliga-Mannschaft der SGH St. Ingbert II, seine abermalige Rückkehr ist mit 41 Jahren jedoch nicht zu verantworten. Bundestrainer Brand setzt deshalb auf Sebastian Preiß vom TBV Lemgo, der zwar seit einigen Jahren zum festen Stamm der Nationalmannschaft gehört, den Schritt zum absoluten Klassespieler jedoch wohl nicht mehr packt. In der Abwehr ist Preiß ein zuverlässiger Mann, im Angriff jedoch häufig ein wenig zu langsam.

Handball: Deutschland - Schweden

Quelle: dapd

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Oliver Roggisch (Kreis, 32, Rhein-Neckar Löwen)

Fast schien es, als könnte diese WM ohne Abwehrchef Oliver Roggisch stattfinden. Beim Testspiel gegen Schweden ließ Bundestrainer Brand auffallend akribisch eine 5:1-Abwehr üben - eine Formation, für die Körperspieler Roggisch nicht unbedingt gebraucht wird. Als Brand auf etwaige Überlegungen angesprochen wurde, beschwichtigte er gleich, wie wichtig Roggisch doch für die deutsche Defensive sei, auch wenn er im letzten halben Jahr bei den Rhein-Neckar Löwen kaum Spielzeit hatte. Wird spätestens gebraucht, wenn Deutschland in der vierten Vorrundenpartie auf Frankreich trifft. Dort spielt bekanntlich Guillaume Gille, der spürt seine Knochen wahrscheinlich jetzt schon wieder.

Lars Kaufmann,Mariusz Jurkiewicz

Quelle: AP

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Lars Kaufmann (Rückraum links, 28, Frisch Auf! Göppingen)

Der ein oder andere Brocken dürfte Lars Kaufmann vom Herzen geplumpst sein, als feststand, dass Pascal Hens nach seiner selbstverordneten Pause wieder fit zum Nationalteam stößt. Bei der EM 2010 in Österreich pausierte Hens, Kaufmann stieg entsprechend seines Rangs zur Nummer eins im linken Rückraum auf - und war ziemlich überfordert. Da Hens nun zurück ist, kann Kaufmann das tun, was er am besten kann: Mit Elan von der Bank kommen, die gegnerische Abwehr mit seiner Wucht überraschen, in der Schlussphase wichtige Treffer erzielen - wie bei der WM 2007 in Deutschland. Danach kann er sich auch gerne wieder ausruhen.

Handball: Deutschland - Schweden

Quelle: dapd

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Sven-Sören Christophersen (Rückraum links, 25, Füchse Berlin)

Galt in den vergangenen Jahren immer als einer der ersten Streichkandidaten, hat in Berlin jedoch einen gewaltigen Schritt gemacht. Christophersen ist plötzlich ein stilprägender Rückraummann, der vor allem eines kann: viele, viele Tore werfen, mal spektakulär, mal ohne Schnörkel und Ansatz. Kann auch auf der Mittelposition eingesetzt werden, was bei Brands überschaubarem Rückraumpersonal sicher kein Nachteil ist.

Handball: Deutschland - Schweden

Quelle: dapd

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Dominik Klein (Linksaußen, 27, THW Kiel)

Dominik Klein ist der Mann, den Heiner Brand letztlich dem Hamburger Torsten Jansen vorzog. Bei genauerem Hinsehen eine knifflige Sache: Denn auch Klein hat eine bestenfalls solide Saison gespielt, nie wirklich schlecht, jedoch auch ganz selten mit echten Ausreißern nach oben. In Kiel teilt er sich die Linksaußenposition mit Henrik Lundström, ist mit Sicherheit auf der Halbposition nicht so abwehrstark wie Jansen. Aber trotzdem, der sympathische Klein hat es verdient, zur WM zu fahren. Kaum einer läuft schnellere Tempogegenstöße, keiner kämpft so verbissen. Als Mann von der Bank hinter Gensheimer sicher keine Notlösung. Die wäre jedoch auch Jansen nicht gewesen.

Island - Deutschland

Quelle: dpa

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Michael Haaß (Mitte, 27, Frisch Auf! Göppingen)

Mit Michael Haaß ist das so eine Sache. Bei Frisch Auf! Göppingen spielt er bisweilen überragend, in der Nationalmannschaft zwar zuverlässig, jedoch selten brillant. Trotzdem ist er hinter Michael Kraus die klare deutsche Nummer zwei auf der Mittelposition. Findet Kraus gut ins Turnier, kann sich Haaß offensiv zu dessen Entlastung bereithalten, sich ansonsten auf Defensivaufgaben beschränken. Spielt Kraus jedoch ähnlich uninspiriert wie bei der EM 2010 oder muss er im linken Rückraum aushelfen, kommt Haaß schnell auch im Angriff eine tragende Rolle zu.

EM-Qualifikation Deutschland - Österreich

Quelle: dpa

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Adrian Pfahl (Rückraum rechts, 28, VfL Gummersbach)

Adrian Pfahl ist der Beweis, dass es auch anders geht. Wer Handball-Nationalspieler werden will, muss nicht unbedingt sämtliche Jugend-Nationalmannschaften durchlaufen, schon in jungen Jahren Bundesliga-Stammspieler sein. Pfahl ist mittlerweile 28 Jahre - und steht in Schweden vor seinem WM-Debüt. Jahrelang spielte er in der zweiten Liga, in der Bundesliga beim VfL Gummersbach hatte er zunächst Anlaufschwierigkeiten. "Ich bin ein bisschen spät dran", gibt er selbst zu, "aber auch andere Nationen haben ihre Spätzünder." In Schweden ist er zunächst Nummer zwei im deutschen Rückraum, zudem auch auf Rechtsaußen einsetzbar. Sollte Glandorf jedoch erneut Knieprobleme bekommen, könnte Pfahl sehr schnell eine wichtige Rolle innehaben.

Rhein Neckar Loewen v SG Flensburg-Handewitt - Toyota HBL

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Jacob Heinl (Kreis, 24, SG Flensburg-Handewitt)

Zweiter Mann hinter Preiß ist der junge Jacob Heinl, der seit 2008 für die SG Flensburg-Handewitt in der Bundesliga spielt. Heinl ist erst 24 Jahre alt, somit ein Mann für die baldige Zukunft. In den WM-Kader rutschte er auch, weil er bei Flensburg nach der schweren Verletzung von Michael Knudsen viel Einsatzzeit bekommt. Das können in der Bundesliga wahrlich nicht viele deutsche Kreisläufer von sich behaupten.

Handball-WM - Team Deutschland Pk Groetzki

Quelle: dpa

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Patrick Groetzki (Rechtsaußen, 21, Rhein-Neckar Löwen)

Wurde von Bundestrainer Brand bereits in der Vorrunde nachnominiert, weil Rechtsaußen Christian Sprenger Oberschenkelprobleme hat. Hat mit erst 21 Jahren eine rasante Entwicklung vollzogen: Neben seinem Zivildienst spielt Groetzki bei den Rhein-Neckar Löwen eine beachtenswerte Saison in der Bundesliga, sammelte Erfahrung in der Champions League, kam bereits vor der WM auf 16 Länderspiele. Immerhin: Auch Weltmeister war er schon mal, 2009 mit den deutschen Junioren.

Handball: Deutschland - Schweden

Quelle: dapd

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Heiner Brand (Trainer, 58)

Ein Mann der Überraschungen war Heiner Brand nie. Im Zweifelsfall setzte er lieber auf erfahrene Kräfte, anstatt junge Spieler zu verheizen, beinahe stoisch hielt er über Jahre hinweg an seiner 6:0-Abwehrformation fest. Die enttäuschende EM 2010 in Österreich mit Platz zehn war wohl auch für Brand ein gewaltiges Erlebnis. Er geht plötzlich Risiko, degradiert aus zumindest fragwürdigen Gründen verdiente Spieler (siehe Jansen), probiert andere Deckungsformationen aus (siehe Schweden-Spiel). Was kommt als nächstes? Kommt der Schnauzer ab? Oder spricht der brummige Brand in glockenhellem Sopran? Der Trainer weiß, dass der Weltmeister von 2007 in Schweden Wiedergutmachung betreiben muss - und dass es dazu manchmal neue Wege braucht.

© sueddeutsche.de/ebc
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