Handball-WM:Der Trainer, der auch mal zuschlägt

Handball-WM: Veselin Vujovic: Macht momentan nur sportlich auf sich aufmerksam

Veselin Vujovic: Macht momentan nur sportlich auf sich aufmerksam

(Foto: AFP)
  • Veselin Vujovic ist eine umstrittene Handball-Persönlichkeit. Er war der erste Welthandballer und dabei durchaus handfest, später als Trainer trat er nach Spielern und attackierte Schiedsrichter.
  • Nun kämpft Vujovic mit Slowenien um den Titel bei der Handball-WM: Am Donnerstagabend trifft sein Team auf Gastgeber Frankreich.
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Von Saskia Aleythe

Das Hemd hing nur noch in Fetzen an ihm herunter. Veselin Vujovic schnaubte, die Augen aufgerissen, um ihn herum Hektik und giftige Atmosphäre. Jeder zerrte und schubste einen anderen Spieler, war gefangen im Tumult einer Massenschlägerei. Gerade war das Final-Hinspiel im wichtigsten europäischen Handball-Wettbewerb beendet, 31:22 hatte BM Ciudad Real die Flensburger besiegt, da begannen die Rempeleien. Und Vujovic, Trainer im Dienste der Spanier, stürmte wutentbrannt los: Nach 30 Metern Anlauf trat er dem Flensburger Lars Christiansen wuchtig in die Kniekehle und prügelte auf den am Boden liegenden Lars Krogh Jeppesen ein. Brutaler ging es im Handball nie zu.

Im April jährt sich diese Szene zum 15. Mal, längst vergessen, könnte man meinen. Doch jener Vujovic ist nicht irgendwer, und dieser Aussetzer nur der Höhepunkt einiger Verfehlungen. Der heute 56-Jährige ist gerade mit Slowenien ins Halbfinale der Handball-WM eingezogen und dort wohl der streitbarste aller Nationaltrainer: Bei keinem anderen driften die sportlichen Verdienste und charakterlichen Herausforderungen so auseinander. Wer Dagur Sigurdsson als Saubermann im Handball bezeichnen mag, hat für Vujovic wohl nur ein Wort übrig: Rüpel.

Als er selber noch Handball spielte, war Vujovic der kompletteste seiner Art: groß gewachsen, ein hartnäckiger Verteidiger, ein Shooter mit Spielübersicht und Selbstvertrauen - kurz gesagt: ein Spielertyp, den es heute gar nicht mehr gibt. 1988 wurde erstmals ein Welthandballer gekürt, die Wahl fiel auf Vujovic. Da war er schon Weltmeister und Olympiasieger und hatte mit dem ehemaligen jugoslawischen Spitzenklub Metaloplastika Šabac die wichtigsten Titel im Vereinshandball reihenweise abgeräumt.

Viele Sperren und Geldstrafen

Schon damals hatte er zusammen mit vier Mitspielern eine Sperre aufgrund von Tätlichkeiten verhängt bekommen. Im Spitzenspiel der jugoslawischen Bundesliga gegen den Tabellennachbarn Pelister Bitola kam es zur Massenprügelei zwischen Spielern und zwischen Fans, einige Zuschauer mussten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Vujovic durfte neun Monate nicht Handball spielen.

Handball und Jugoslawien, das war damals eine Leidenschaft, die ihre Spuren bis in die Gegenwart zeichnet. Noch heute brennen Bengalos in den mazedonischen oder serbischen Hallen, die Atmosphäre ist aufgeheizt durch den Stolz auf die Erfolge der Vergangenheit. Das kann stimmungsvoll sein oder in Schlägereien münden. Als Vujovic 1988 zum FC Barcelona wechselte, sagte er: "Ich gehe dahin, wo Handball gespielt wird, wo man nicht verprügelt wird, wo einem nicht die Augen blau geschlagen werden, wenn man zehn oder mehr Tore wirft."

Den Hang zur Tätlichkeit konnte er selber aber nie ablegen. Für seinen Aussetzer 2002 in Flensburg bekam er eine zehnmonatige Sperre aufgebrummt, Geldstrafe 9000 Euro, sein Arbeitgeber Real trennte sich von ihm. Im November 2008 attackierte er als Skopje-Trainer das Schiedsrichter-Duo in einem Europapokalspiel verbal und tätlich, die Folge: zwölf Monate Sperre und 3000 Euro Strafe. Seine letzte teure Entgleisung leistete er sich 2013, dieses Mal "nur" in Form von Beleidigungen gegenüber den Referees im EHF-Pokal gegen den SC Magdeburg. Die waren aber so unsittlich, dass er mit zwei Spielen Sperre und 4000 Euro Strafe belegt wurde.

Plötzlich weint der Torwart

Ausrasten ist das Eine. Was sich bei der EM 2006 abspielte, noch etwas ganz Anderes: Damals war Arpad Sterbik, gerade zum Welthandballer gekürt, plötzlich in Tränen aufgelöst. Als Torwart der Mannschaft aus Serbien und Montenegro berichtete er, wie sein Trainer Vujovic die Spieler dazu aufgefordert habe, das Gruppenspiel gegen Kroatien absichtlich zu verlieren. Serbien war bereits ausgeschieden, für Kroatien ging es um den sicheren Einzug ins Halbfinale und einen Gefallen gut zu haben beim Nachbarn, ist ja manchmal nicht schlecht. Der Europäische Handballverband nahm Ermittlungen auf, kam aber nicht zu dem Ergebnis, dass die Partie manipuliert worden war. Vujovic erklärte: Er wollte seine Spieler mit der Aufforderung nur motivieren.

Trotz allem ist er nie von der Bildfläche verschwunden, sein Handball-Fachverstand wird hoch geschätzt, in Skopke singen die Fans ihm heute noch minutenlange Ständchen. Seit Mai 2015 trainiert er Sloweniens Nationalmannschaft, bisherige Bilanz: Platz 14 bei der EM im vergangenen Jahr, Rang acht bei Olympia in Rio. Das Halbfinale nun ist die Belohnung für eine konsequente Wurfausbeute: Im Viertelfinale trafen die Slowenen auf Katar, das Deutschland aus dem Turnier geworfen hatte. Die katarischen Torwarte hielten in der ersten Hälfte keinen einzigen Ball.

Diesen Donnerstagabend trifft Vujovics Team auf Gastgeber Frankreich, der seinen Weg bis ins Finale unerschütterlich weitergehen will, um sich den Traum vom Titel im eigenen Land zu erfüllen. Bisher ist Vujovic bei diesem Turnier ruhig geblieben, nur eine gelbe Karte musste er sich wegen Meckerns abholen. Seine heißblütigen Zeiten sind hoffentlich endgültig vorbei.

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