Handball-WM der Frauen:Lumpi und die Multitalente

Eine Kommissarin und eine Spielerin, die so häufig verletzt ist wie Holger Badstuber: Das sind die deutschen Handballerinnen, die ab Freitag bei der Heim-WM um eine Medaille kämpfen.

Von Saskia Aleythe

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Katja Kramarczyk, 33, Bayer Leverkusen, Debüt im Nationalteam im Oktober 2005

Handball Frauen: Deutschland - Island

Quelle: dpa

Hat turbulente Zeiten hinter sich und darf zwölf Jahre nach ihrem Debüt im Nationalteam tatsächlich noch eine Heim-WM erleben. Feierte als gebürtige Katja Schülke mit dem Ostklub Frankfurter HC 2004 die Deutsche Meisterschaft, dieser ging später insolvent. Feierte dann mit dem HC Leipzig zwei Deutsche Meisterschaften - der ging in diesem Sommer insolvent. Unproblematisch für Schülke, äh Kramarczyk: Sie wechselte schon im vergangenen Winter nach Leverkusen. Seit Ende 2013 ist sie Mutter, was sie natürlich auch nicht stoppen konnte. Genau wie der Umstand, dass eine Clara Woltering in der Vergangenheit oft den Vorzug im Team bekam. Kramarczyk ist da, wenn sie gebraucht wird. Nicht die schlechteste Eigenschaft in einem Mannschaftssport.

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Clara Woltering, 34, Borussia Dortmund, Debüt im November 2003

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Quelle: AP

Lebt mit 250 Bullen auf einem Bauernhof im Münsterland, wo die diplomierte Agrarbetriebswirtin täglich um sechs Uhr zum Ausmisten vorbeikommt. Ist eine überragende Handballerin und in Sachen Erfahrung unschlagbar. Lebte zwischenzeitlich in Montenegro, mit dem Klub ŽRK Budućnost Podgorica gewann sie die Champions League und wurde zur wertvollsten Spielerin der Finalrunde gekürt. Spielt seit 2015 in Dortmund, was die Sache mit den Bullen einfacher macht. Hielt bei der WM 2007 überragend und wurde mit Bronze belohnt - wäre zehn Jahre später immer noch dazu in der Lage.

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Angie Geschke, 32, VfL Oldenburg, Debüt im April 2006

Germany vs Netherlands

Quelle: dpa

Es gibt im Grunde nichts, was Angie Geschke nicht schon gemacht hätte. Auf eine medizinische Fachausbildung (abgebrochen) folgte eine Ausbildung zur Sport- und Fitnessökonomin (abgeschlossen), das Eröffnen eines Crossfit-Studios sowie die Ausbildung zur Polizistin (laufend). Was man halt so macht, wenn man bei einem Verein namens Buntekuh Lübeck Handball spielte. Auch ihr Sportlerleben führte sie durch etliche Länder. Einst spielte sie bei Randers HK in der dänischen und besten Liga im Frauenhandball, sie wurde Deutsche Meisterin mit dem Frankfurter HC, spielte zwei Monate in Leverkusen und mittlerweile in Oldenburg. Wo sie mit ihrer meist unkonventionellen Wurfart so erfolgreich ist, dass sie die Torschützenliste der Bundesliga anführt, zwei Mal war sie da schon die Königin. 2007 gewann sie WM-Bronze. Sollte das ihre letzte WM werden, kann man sich sicher sein: Ihr wird auch danach nicht langweilig werden.

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Nadja Månsson, 29, Borussia Dortmund, Debüt im März 2009

Handball Frauen: Deutschland - Island

Quelle: dpa

Tochter eines Weißrussen und einer Ukrainerin, verheiratet mit einem Schweden: Nadja Månsson spielte als Nadja Nadgornaja fünf Jahre für den Branchen-Primus Thüringer HC, 2015 wechselte sie auch der Liebe wegen nach Dortmund. Im Dezember 2016 wurde sie Mutter und verpasste die EM. Doch Michael Biegler weiß, was er an der Frau mit den einfachen Toren hat und holte sie zurück ins Team. Nun will sie umso mehr angreifen. Zu Hause wartet ja auch ein Fan mehr.

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Xenia Smits, 23, Metz HB, Debüt im November 2014

Deutschland - Norwegen

Quelle: Ingrid Anderson-Jensen/dpa

Hat es als gebürtige Belgierin zu einer Handball-WM geschafft, was an sich schon eine Leistung ist. Auf dem Handball-Globus kommt Belgien quasi nicht vor, weshalb es nicht die dümmste Entscheidung von Xenia Smits war, sich in Deutschland einbürgern zu lassen. Spielte einst beim lautmalerisch schönen Klub Blomberg-Lippe und gehörte dort schon als 19-Jährige zu den Leistungsträgerinnen im Team. Gehört nun dem französischen Verein Metz HB an, der in den vergangenen 28 Jahren 21 Mal die Meisterschaft gewann.

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Anna Loerper, 33, TuS Metzingen, Debüt im Oktober 2005

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Quelle: Jonathan Nackstrand/AFP

Gehört zum einzigen Verein, der seine Frauenabteilung gefahrlos als "Tussies" bezeichnen kann: dem TuS Metzingen. Loerper, Spitzname Lumpi, hat schon mehr als 230 Spiele im Nationaltrikot bestritten, was sie früher selbst nicht gedacht hätte. Gehörte mit einer Körpergröße von 1,64 Metern zu den Spielerinnen, die Auswahltrainer eigentlich sofort ignorieren. In der Jugend deshalb auch kein einziges Mal vom DHB beachtet, trug das deutsche Trikot erst mit 21. Ist als Spielgestalterin über die Jahre gereift. Gewann 2007 WM-Bronze, spielt nun ihr 13. internationales Turnier. Kündigte in der Vorbereitung ihren Job beim Württembergischen Landessportbund, um alles auf die WM ausrichten zu können. Nicht umsonst von Trainer Michael Biegler zur Kapitänin ernannt.

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Kim Naidzinavicius, 26, SG Bietigheim, Debüt im Mai 2012

Handball Magdeburg 28 10 2017 Länderspiel Nationalmannschaft DHB Frauen Deutschland GER Niederla; Biegler

Quelle: imago/Camera 4

Gehört in Bietigheim zu den gefährlichsten Torschützinnen, zeigte bei der vergangenen EM aber, was sie in der Abwehr leisten kann: Blockt Torwürfe schon mal serienmäßig weg. Mit 1,83 Metern sind die Voraussetzungen dafür nicht die schlechtesten. Wurde 2008 mit der U20 Weltmeisterin, galt dann bei der WM der Erwachsenen 2013 als großes Talent. Erlebte seitdem aber auch holprige Phasen. Und nun steht ihr vielleicht die schwierigste Phase ihrer Karriere bevor: Gleich im Auftaktspiel gegen Kamerun riss ihr Kreuzband. Nun muss sie bei der Heim-WM zuschauen.

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Kerstin Wohlbold, 33, Thüringer HC, Debüt im April 2011

Handball Frauen: Deutschland - Island

Quelle: dpa

Zwischen der Handballerin Kerstin Wohlbold und der Grundschullehrerin Kerstin Wohlbold liegt nur eine Mittagspause. Morgens unterrichtet sie Erstklässler in Erfurt, nachmittags absolviert sie Krafteinheiten und abends das Training beim Thüringer HC - abwechselnd in Erfurt und in der Stammspielstätte in Bad Langensalza. Wie so viele im deutschen Team muss sich auch Wohlbold neben der Sportkarriere mit einem richtigen Job den Lebensunterhalt verdienen, was erstaunlich gut klappt: Acht Mal wurde die 33-Jährige schon Deutsche Meisterin - davon sechs Mal hintereinander mit dem THC. Nur in der Nationalmannschaft sollte es mit einem großen Erfolg noch nicht klappen. Von Michael Bieglers Vorgänger wurde sie ausgemustert, nun ist Wohlbold wieder dabei. Ihre Schüler sehen Frau Wohlbold im Dezember erst mal nur im Fernsehen.

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Friederike Gubernatis, 29, Buxtehuder SV, Debüt im September 2009

Handball Frauen: Deutschland - Island

Quelle: dpa

Erlebte ihren Biegler-Moment im Oktober: Spielte nach ihrem Debüt 2009 jahrelang keine Rolle in der Nationalmannschaft, wurde nun doch wieder in die Auswahl berufen. Hat ihre Stärken in der Abwehr, was der akribische Tüftler Biegler natürlich erkannt hat. "Wenn man gegen sie spielt, tut es immer weh", sagt Kapitänin Loerper.

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Isabell Klein, 33, Nantes LAH, Debüt im Juli 2008

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Quelle: Jonathan Nackstrand/AFP

Ist so etwas wie der Holger Badstuber des Frauen-Handballs: Erlebte in ihrer Karriere enorm viele Verletzungen. Am dramatischsten: Vor der EM 2012 ein Kreuzband- und Meniskusriss, vor der EM 2014 ein Mittelfußbruch. Zog sich symptomatisch dafür bei der vergangenen EM während des Turniers einen Nasenbeinbruch zu. Doch Klein ist immer noch dabei. Zusammen mit Nationalspieler Dominik Klein und dem dreijährigen Sohn lebt und spielt sie mittlerweile in Frankreich.

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Außen: Lone Fischer, 29, Buxtehuder SV, Debüt im Oktober 2012

GER HB Damen FSP Deutschland GER vs Island ISL 25 11 2017 BallsportARENA Dresden GER H; Handball Lone Fischer

Quelle: imago/Nordphoto

Reckte eine WM-Trophäe in die Höhe, als sie mit der U20 Weltmeisterin wurde. Gehörte in den WM-Vorbereitungsspielen zu den erfolgreichsten Torschützinnen, hat auch in der laufenden Bundesligasaison mit 7,3 Toren pro Spiel eine fabelhafte Ausbeute. Ist dafür als flinke Außenspielerin freilich auch prädestiniert. Kann sich glücklich schätzen, beim Buxtehuder SV zu spielen, der deutschlandweit derzeit die meisten Fans anlockt: 1110 Zuschauer im Durchschnitt.

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Svenja Huber, 32, Borussia Dortmund, Debüt im Oktober 2006

Women's Handball - Spain v Germany - 2016 Women's European Championship Main Round - Group 1

Quelle: REUTERS

War aus der Nationalmannschaft schon zurückgetreten, hatte im November 2015 Konsequenzen aus damaligen Querelen im deutschen Team gezogen. Michael Biegler holte Huber zurück. "Ich war heilfroh, als er mich anrief", sagte die Außenspielerin jüngst dem Handball-Magazin, schließlich erlebt sie nun mit 32 Jahren ihre erste WM. Feierte mit dem Thüringer HC drei Mal die Deutsche Meisterschaft, spielt seit Sommer 2016 aber in Dortmund und arbeitet nebenbei als Journalistin. Das Vertrauen des Bundestrainers hat sie wieder erstarken lassen, schon bei der EM 2016 war sie eine verlässliche Schützin - auch vom Sieben-Meter-Punkt.

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Kreis: Julia Behnke, 24, TuS Metzingen, Debüt im November 2013

Julia Behnke Deutschland Deutschland vs Island Handball Testspiel 25 11 2017 Dresden *** Ju; Handball Julia Behnke

Quelle: imago/Eibner

Hat die Begabung, Bälle in unmöglichen Situationen zu fangen und umgehend in Tore zu verwandeln. Kam bei der EM 2016 bis zur Hauptrunde auf eine 100-prozentige Erfolgsquote, verwarf dann ausgerechnet im entscheidenden Spiel gegen Spanien, das Halbfinale verpassten die Deutschen denkbar knapp. Ist trotzdem unumstritten am Kreis: Hat die Durchsetzungskraft einer Abrissbirne. Könnte ihr in ihrem Halbtagsjob als Industriekauffrau auch nützlich sein.

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Jenny Karolius, 31, Bayer Leverkusen, Debüt im Juni 2016

GER HB Damen FSP Deutschland GER vs Island ISL 25 11 2017 BallsportARENA Dresden GER H; Jenny Karolius Handball

Quelle: imago/Nordphoto

Hat auch so eine ungewöhnliche Karriere: Wurde von Michael Biegler 2016 ins Nationalteam berufen, ungeachtet der Tatsache, dass sie zum damaligen Zeitpunkt schon 30 Jahre alt war und noch kein einziges Länderspiel bestritten hatte. Alter ist manchmal eben nicht die einzige Kenngröße für eine vielversprechende Leistung. Und so erspielte sich Karolius gleich eine gewichtige Position, vor allem in der Abwehr sorgt sie für Zusammenhalt. Arbeitet sonst noch als Ergotherapeutin, ist also definitiv gut ausgelastet.

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Antje Lauenroth, 29, SG Bietigheim, Debüt im Juni 2017

Antje Lauenroth Deutschland vorn und Thea Imani Sturludottir Island hinten Deutschland vs Isla; Antje Lauenroth Handball

Quelle: imago/Eibner

Hat am Kreis starke Konkurrenz, doch was ist schon unmöglich? Hat es schließlich mit 29 Jahren noch ins Nationalteam geschafft, absolvierte erst vor sechs Monaten ihr erstes A-Länderspiel. Dabei hat Lauenroth schon mit der U20 einen WM-Titel gewonnen. Ist ausgebildete Kriminalkommissarin, Fachgebiet Wohnungseinbrüche. Ihre Kolleginnen dürften sich bei der WM recht sicher fühlen.

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Emily Bölk, 19, Buxtehuder SV, Debüt im Juni 2016

Emily Bölk

Quelle: dpa

Kommt aus einer Handballerfamilie: Oma Inge war DDR-Nationalspielerin, Mutter Andrea eroberte 1993 den WM-Titel. Emily Bölk wird sogar noch mehr Talent zugesprochen, schon mit 16 Jahren debütierte sie in der Bundesliga, bei der U18-WM wurde sie als wertvollste Spielerin ausgezeichnet. Das Wort "Jahrhunderttalent" fällt im Zusammenhang mit ihrem Namen. Allerdings wird sie bei der Heim-WM wegen einer Fußverletzung zunächst noch geschont.

Während des Turniers steht Bölk zum Nachrücken in den aktuellen 15er-Kader bereit. Ebenso Torfrau Dinah Eckerle (Thüringer HC) sowie Alicia Stolle (HSG Blomberg-Lippe), Stella Kramer (Borussia Dortmund), Meike Schmelzer, Saskia Lang (beide Thüringer HC) und Shenia Minevskaja (TuS Metzingen).

© SZ.de/ebc/cat
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