Süddeutsche Zeitung

Handball:Weltpolitik auf dem Feld

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Deutschland trifft bei der Heim-Weltmeisterschaft 2019 (mit Dänemark) bereits in der Vorrunde auf Titelverteidiger Frankreich - und womöglich auf eine vereinte Mannschaft aus Korea. Das ergab die Gruppenauslosung.

Von Joachim Mölter, Kopenhagen/München

Das heutzutage immer noch gern verbreitete Märchen, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun haben und streng voneinander zu trennen seien, lässt sich von den Sportfunktionären dieser Welt bald nicht mal mehr gutgläubigen Kleinkindern ernsthaft erzählen. Denn wenn die Pläne der Internationalen Handball-Föderation (IHF) aufgehen, dann holt der Sport die Politik bald zum zweiten Mal binnen eines Jahres auf eine große, globale Bühne.

Nachdem im Februar bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ein gemischtes Eishockeyteam aus süd- und nordkoreanischen Frauen antrat, soll nun auch bei der von Deutschland und Dänemark zusammen ausgerichteten Handball-WM der Männer im Januar 2019 eine gesamtkoreanische Auswahl auflaufen. Zumindest hat das Exekutivkomitee der IHF gerade beschlossen, ein gemeinsames Team der beiden offiziell immer noch im Kriegszustand befindlichen koreanischen Staaten zur WM einzuladen. "Das wird eine große Gelegenheit, ein weiteres Mal die einzigartige Kraft des Sports zu demonstrieren, Völker zusammenzubringen", heißt es in einer entsprechenden IHF-Mitteilung. In der ist auch schon sehr konkret verkündet worden, dass die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) das Eröffnungsspiel dieser WM am 10. Januar gegen eben jenes gesamtkoreanisches Team in Berlin bestreiten wird. Das habe ja eine "riesige symbolische Bedeutung", betont die IHF: "Keine andere Stadt auf der Welt kann den positiven Geist und die Vorteile einer wiedervereinigten Nation besser demonstrieren."

Nebst Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem IOC-Präsidenten Thomas Bach, vom dem ja die Initiative zum gemeinsamen Eishockeyteam bei Olympia ausging, wollen die Handball-Funktionäre auch die Staatschefs von Nordkorea, Kim Jong-un, und Südkorea, Moon Jae-in, zum Eröffnungsspiel einladen. Das wäre dann ganz große Weltpolitik. Aber: "Das ist bislang nur eine Willensbekundung", sagt Mark Schober, der Vorstandsvorsitzende des DHB. Ob alles wirklich so komme, müssten Verhandlungen in den nächsten Wochen und Monaten erst noch zeigen.

Immerhin hat die IHF den Ereignissen schon mal so weit vorgegriffen, dass sie die sportlich qualifizierten Südkoreaner zum Auftaktgegner der deutschen Auswahl bestimmte, noch ehe die Vorrundengruppen der WM am Montag in Kopenhagen überhaupt ausgelost waren. Eine große sportliche Herausforderung dürfte die Partie so oder so nicht werden für das DHB-Team. Südkorea war zuletzt bei der WM 2013 dabei und hat dabei den 21. Platz unter den 24 Teilnehmern belegt, und aus dem international noch nie im Handball auffällig gewordenen Nordkorea ist sicher keine spielerische Verstärkung zu erwarten. Bundestrainer Christian Prokop rechnet eher mit "teilweise auch exotischem Handball".

Insgesamt war Prokop aber "zufrieden mit der Auslosung", auch wenn die ihm und seinen Spielern den Titelverteidiger Frankreich bereits in der Vorrunde beschert, "einen richtig schweren Gegner, der über eine enorme Physis verfügt", wie der Bundestrainer feststellte. DHB-Präsident Andreas Michelmann sagt: "Als Weltmeister ist Frankreich natürlich der große Favorit. Unser Ziel muss mindestens Platz zwei in der Gruppe sein." Die ersten Drei kommen in die Hauptrunde, die dann in Köln ausgetragen wird. Weitere Vorrundengegner sind Brasilien (am 12. Januar), Russland (14. Januar) und Serbien (17. Januar); das Duell mit Weltmeister Frankreich wird am 15. Januar eingeschoben.

Zweiter deutscher Spielort in der Vorrunde ist München, zu den als Gruppenkopf gesetzten Kroaten wurden Europameister Spanien, Mazedonien, Island, Bahrain und Japan gelost. Dabei ergibt sich eine reizvolle Begegnung: Der frühere Bundestrainer Dagur Sigurdsson trifft als Coach von Japan auf seine Landsleute aus Island.

Was bislang noch ungeklärt ist, ist die Vergabe der Fernsehrechte. "Ich bin aber optimistisch und relativ entspannt, dass wir das noch rechtzeitig hinbekommen", sagt DHB-Chef Michelmann. Das ist ja auch ein Klacks im Vergleich zu den Bemühungen, die beiden verfeindeten Koreas zusammenzubringen.

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SZ vom 26.06.2018
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