Handball:Weiche Faktoren

Handball: "Wenn er funktioniert wie in Wetzlar oder in Berlin, dann ist er eine Maschine": Nationalspieler Steffen Fäth (rechts).

"Wenn er funktioniert wie in Wetzlar oder in Berlin, dann ist er eine Maschine": Nationalspieler Steffen Fäth (rechts).

(Foto: AFP)

Bundesligist HC Erlangen verkündet die Verpflichtung des Nationalspielers Steffen Fäth für den Rückraum.

Von Sebastian Leisgang

Als Carsten Bissel den Anruf am Dienstagmittag entgegennimmt, schneidet er gerade eine Paprika auf. Er bereite zwar einen Salat zu, sagt Bissel, er habe aber ein paar Minuten Zeit. Es gibt schließlich gute Nachrichten, die der Handball-Bundesligist HC Erlangen am späten Vormittag unter die Leute gebracht hat: Steffen Fäth, 30, spielt in der nächsten Saison nicht mehr für die Rhein-Neckar Löwen, sondern für Erlangen. Ein Coup, über den Bissel gerne Auskunft gibt. Paprika hin, Salat her.

Fäth habe den Vertrag schon im Januar unterschrieben, sagt Bissel. Erlangens Aufsichtsratsvorsitzender hätte den Transfer gerne früher bekannt gegeben, hat aber Rücksicht auf die Löwen genommen, die erst einen Nachfolger finden wollten, bevor sie Fäths Abschied kommunizierten. Die Mannheimer sind zwar immer noch nicht fündig geworden, haben sich nun aber bereit erklärt, den Transfer zu veröffentlichen. Nun ist also klar: Fäth spielt in der nächsten Saison regelmäßig in der Nürnberger Halle.

Es ist ein Transfer, bei dem es, auch wenn er zur obersten Kategorie zählt, in erster Linie um weiche Faktoren geht. Um das Signal, das Erlangen an die anderen Mannschaften aussendet - und um Vertrauen, das Fäth für sein Spiel so dringend benötigt und beim HCE wieder fassen will. Empathie, Selbstbewusstsein, das sind große Themen bei Fäth.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht besonders verwunderlich, dass er in der Ellenbogengesellschaft des Mannheimer Kaders nicht so gut zurechtgekommen ist wie zuvor bei den Füchsen Berlin und in Wetzlar. Dass ein Spieler seiner Kategorie nach Erlangen wechselt, ist dennoch bemerkenswert. Bissel aber findet: "Manchmal ist ein Schritt zurück auch ein Schritt nach vorne." Wenn der Spieler sich wohl fühlt. Wenn er spürt, dass er wichtig ist. Wenn er wieder zu sich findet und auf dem Spielfeld das zeigen kann, wozu er imstande ist.

"Eine Kampfansage? An wen?", fragt Aufsichtsratschef Bissel

Fäth ist ein feinfühliger Spieler, einer, der - gerade aufgrund seiner Sensibilität - zwischen den Extremen wandelt. Hat der Europameister von 2016 einen guten Tag, kann er einen Gegner im Alleingang in die Knie zwingen. Hat er einen schlechten, ist er kaum wiederzuerkennen, dann unterlaufen ihm die einfachsten Fehler.

All das ist den Erlangern bewusst. Sie wissen, dass die Personalie Fäth kein Selbstläufer wird. Sie wissen, dass sie den Rückraumspieler umsorgen müssen. Dass es an ihnen ist, eine Oase zu schaffen, in der er sich entfalten kann. Dann aber, da sind sie sicher, ist Fäth nicht nur eine große Stütze, sondern ein Anführer. Oder wie es Bissel formuliert: "Wenn er funktioniert wie in Wetzlar oder in Berlin, dann ist er eine Maschine."

Als spielerisch bewanderter Mann für den linken Rückraum ist Fäth ein ausgezeichnetes Pendant zu Nikolai Link, einem Handballer, der sich in erster Linie über seine Wurfgewalt definiert - während Fäth eher mit Übersicht, klugen Pässen und Spielverständnis besticht. Dass er all das in Zukunft in das Erlanger Spiel einbringen kann, bedeutet auch: Der HCE stößt in eine neue Dimension vor. Mal wieder. Auch Bissel nennt Fäth - wie Simon Jeppsson, der von der SG Flensburg-Handewitt kommt - einen "internationalen Topspieler". Dennoch will er nicht von einer Kampfansage an die Konkurrenz sprechen. Bissel weiß allerdings: Nichts anderes ist Fäths Transfer. Der Wechsel dokumentiert sehr wohl, dass Erlangen nach Höherem strebt. Nur: Galt nicht schon Johannes Sellins Verpflichtung als Kampfansage? Veranschaulichte nicht schon Sime Ivics Transfer, welch großen Ziele der HCE inzwischen verfolgt?

Als im Gespräch also das Wort Kampfansage fällt, ist es für einen Augenblick still in der Leitung. Dann fragt Bissel: "Eine Kampfansage? An wen?" Bissel macht eine kurze Pause, dann sagt er: "Natürlich haben wir uns mehr erhofft, als wir letzte Saison erreicht haben. Aber daraus wollen wir jetzt eben lernen und es nächste Saison besser machen."

Mit Fäth, mit Jeppsson, aber ohne Kevin Schmidt. Der Sportdirektor wird sich Ende Juni, nach gut eineinhalb Jahren, verabschieden. "Wir haben uns unterhalten und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es beide Parteien für besser halten, wenn wir getrennte Wege gehen", sagt Bissel. Die Hintergründe will er nicht ausführen. Nicht an einem Tag, an dem Erlangen einen solch bedeutsamen Transfer verkündet hat.

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