Handball:Viel Arbeit, während alles stillsteht

07-02-2020 / pmk / NC106383 Handball/Herren 2.Bundesliga Saison 2019/2020 TuS-N-Luebbecke - TV HSC 2000 Coburg Moritz SC

Gute Nachricht: Der HSC hat den Vertrag mit Christoph Neuhold (am Ball) rechtzeitig verlängert, auch Kreisläufer Stepan Zeman wird kommende Saison in Coburg spielen. In welcher Liga auch immer.

(Foto: imago)

Die Zweitliga-Saison steht vor dem Abbruch, trotzdem kann sich Tabellenführer HSC Coburg Hoffnungen machen auf den Aufstieg.

Von Ralf Tögel

Zwischen den Spielzeiten fährt Jan Gorr traditionell für ein paar Tage an die Ostsee. Zum Angeln. Er braucht diese Tage der Ruhe, dann kann er abschalten, Kraft schöpfen für seinen fordernden Job, er nennt es sein "schönes Kontrastprogramm zum Alltag". Den Rest des Jahres ist Gorr nämlich Handballtrainer. Der 42-Jährige hat trotz seines jungen Alters schon ordentlich Berufserfahrung, er arbeitete für die HSG Wetzlar, den TV Hüttenberg, war Co-Trainer der Handball-Nationalmannschaft und ist seit 2013 Chefcoach des Zweitligisten HSC Coburg. Sein Job ist kraftraubend, hektisch, zeitintensiv, nervenaufreibend. Wenn man so will, das Gegenteil seines Hobbys, beim Angeln sind Ruhe und Geduld gefragt. Eigenschaften, die in diesen üblen Zeiten hilfreich sind. Denn der Spielbetrieb in der ersten und zweiten Bundesliga ruht bis zum 16. Mai, mindestens. Und nach dem Beschluss der Regierung, dass Großveranstaltungen jeglicher Art bis Ende August untersagt sind, scheint das Ende der Handballsaison unmittelbar bevorzustehen.

Am liebsten würde Gorr die Saison zu Ende bringen und als Meister aufsteigen. Zehn Spieltage würden dafür noch fehlen, Coburg hat als Tabellenführer fünf Punkte Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz. Aber daran, auch das sagt der HSC-Trainer, will er nicht mehr glauben. Zumal Geisterspiele im Gegensatz zum Fußball, wo sich die Fernsehgelder im hohen Millionenbereich bewegen würden, im Handball wenig sinnvoll seien. "Bei einem Zweitligisten liegt das bei etwa fünf Prozent des Gesamtetats." Wenn man den Apparat hochfahre, "fallen die Kosten wieder an, aber die Einnahmen bleiben aus", so Gorr. Es spricht also vieles für ein vorzeitiges Saisonende, sagt auch HSC-Geschäftsführer Michael Häfner. In einer Videokonferenz der Handball-Bundesliga (HBL) am Donnerstag wurde jedenfalls von den 36 Erst- und Zweitligavereinen beschlossen, bis Anfang nächster Woche in einem Umlaufverfahren über einen Abbruch der Saison abzustimmen - wofür eine Dreiviertelmehrheit nötig wäre. Sollte es so kommen, muss das HBL-Präsidium über die weitere Vorgehensweise entscheiden - also welche Tabelle schlussendlich zählt, die aktuelle oder die der Vorrunde, wer Meister ist, wer aufsteigt oder absteigt. Als sicher gilt bisher nur, dass es keine Absteiger geben wird, das hat HBL-Präsident Uwe Schwenker bereits mitgeteilt. Jedenfalls wurde in jener Online-Schalte schon mal ein juristisches Gutachten vorgestellt, da nicht mit dem Einverständnis aller Betroffenen zu rechnen sei.

"Der Kader ist noch nicht komplett", sagt Trainer Gorr - er denke "in mehreren Szenarien"

Gleichwohl deutet sich an, dass der Abbruch der Runde im Coburger Lager auf Wohlwollen stoßen dürfte, denn egal ob die Hinrunde oder das aktuelle Ranking gewertet werden, der HSC würde es in beiden Fällen anführen. "Es gibt mehrere Denkmodelle", sagt Gorr, ihm aber fehle ein schlüssiges Rechenbeispiel, dass der Aufstieg in die Handball-Beletage an seinem Klub vorbeigehen könnte: "Ich vertraue auf das Augenmaß der HBL." Es ist also sehr wahrscheinlich, dass man Coburg zum Wochenbeginn zum Aufstieg gratulieren kann. Doch solange das nicht rechtens sei, bleibe das Personal in Habachtstellung. "Die Spieler sind alle vor Ort", sagt der Trainer. Er dürfe aufgrund der geltenden Kurzarbeitsbestimmungen keine Trainingsanweisungen geben, er habe den Spielern aber "einen Pool an Empfehlungen gebastelt, damit sie für den Fall der Fälle fit sind". Was selbstredend für eine zeitnahe Wiederaufnahme des Sportbetriebes nicht reichen würde: "Dafür braucht man eine gewisse Vorlaufzeit", erklärt Gorr, "um einen vernünftigen Wettbewerb zu garantieren und die Spieler vor Verletzungen zu schützen." Egal, was man sich überlege, es sei "wie ein Blick in die Kristallkugel", die Vereine hängen weiter in der Luft.

Die Zeit bis zur Entscheidung aber in Schockstarre zu verharren, ist ebenfalls wenig zielführend. Der HSC hat sie genutzt, um das Gespräch mit den Sponsoren zu suchen, was schon mal ein paar schöne Reaktionen zur Folge hatte. Mehrere große Partner hätten signalisiert, dem Verein weiter die Treue zu halten. "Wir haben in diese Richtung einige Ideen entwickelt", erzählt Häfner, es habe etwa ein Online-Meeting mit den Sponsoren gegeben. "So ein Austausch ist wichtig", erklärt der Geschäftsführer, die Partner seien über den aktuellen Stand wie die Pläne informiert worden. Eigentlich, so sagt Häfner noch, wäre es nun an der Zeit, sich damit zu beschäftigen, wie man den Flow, den der Aufstieg in Stadt und Region gebracht hätte, nutzen kann. "Jetzt müssen wir sehen, wie wir die Situation überstehen."

Die zweite Liga immerhin sei gesichert, das Gros der Mannschaft bleibt zusammen, was auch für die beiden schwedischen Schlüsselspieler Tobias Varvne und Pontus Zettermann gelte. Die Verträge mit allen Stammspielern wie Christoph Neuhold oder Jakob Knauer wurden, sofern notwendig, rechtzeitig verlängert. In Justin Kurch und Paul Schikora kommen zwei Talente aus Magdeburg, die Marcel Timm (zu Lemgo) und Lukas Wucherpfennig (unbekannt) ersetzen sollen.

Aber: "Der Kader ist noch nicht komplett", gibt Gorr zu bedenken, er denke "in mehreren Szenarien", sprich mit Blick auf das Oberhaus. Allein daher halte er die Augen offen: "Ich mache mir natürlich intensiv Gedanken, welche Spieler für uns in Frage kommen könnten, um die Mannschaft kommende Saison zu verstärken." Die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage werde dabei zum zentralen Thema, davon hänge letztendlich ab, "was wir wirklich in Neuzugänge investieren können".

Also viel Arbeit für den HSC, obwohl alles stillsteht. Zu Beginn der Pandemie, so erzählt Gorr, fand er sogar noch Zeit, an den Westsee zum Angeln zu fahren. Doch diese Ruhe ist längst vorbei.

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