Handball:Unbezahlbar gut

Handball: Wie lange noch sind Florian Scheerer (li.) und Yannick Engelmann (gegen Tobias Kosak vom TV Neuhausen) in Fürstenfeldbrucker Diensten? Engelmann wird mit HT München in Verbindung gebracht, Toptalent Scheerer, der per Zweitspielrecht noch in der Bundesliga für die Allacher A-Junioren spielt, zieht Interesse höherklassiger Vereine auf sich.

Wie lange noch sind Florian Scheerer (li.) und Yannick Engelmann (gegen Tobias Kosak vom TV Neuhausen) in Fürstenfeldbrucker Diensten? Engelmann wird mit HT München in Verbindung gebracht, Toptalent Scheerer, der per Zweitspielrecht noch in der Bundesliga für die Allacher A-Junioren spielt, zieht Interesse höherklassiger Vereine auf sich.

(Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Fürstenfeldbrucks Drittliga-Handballer können sich erneut für die Aufstiegsrunde qualifizieren. Ob sie sich die Rückkehr leisten könnten, ist fraglich. Zudem erwächst dem Verein Konkurrenz in der Region.

Von Heike A. Batzer

Ein bisschen klingt es so, als würde Martin Wild aus einer längst vergangenen Zeit erzählen. Dabei ist es erst gut zwei Jahre her, seit er und seine Fürstenfeldbrucker Handballer dieses völlig verrückte Ding gemacht haben. In der zweiten Bundesliga mitzuspielen, obwohl die sportlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen nicht gegeben waren. "Weil wir Lust drauf hatten", erinnert sich Wild, der Trainer. Zum Mittwochabend-Punktspiel nach Hamburg gereist, nachts im Zug zurück und von dort aus sofort in den Unterricht. Denn Wild ist auch Sportlehrer - und der musste pünktlich erscheinen. Man werde zwar ein ganzes Leben lang davon erzählen, ist er sich sicher, "aber nüchtern betrachtet, muss man sagen: Das kann man einmal machen." Aber noch einmal?

Der TuS Fürstenfeldbruck, etablierter Sportverein im Westen von München, ist seit Jahren Handball-Aushängeschild nicht nur im Großraum München, sondern in ganz Südbayern. Seit einem Jahrzehnt dritte Liga, mittlerweile Spitzengruppe. Zweitliga-Abenteuer in der Corona-Saison 2020/21. Und nun stellt sich die Frage nach der zweiten Liga erneut.

Drei Spieltage vor Schluss sind Fürstenfeldbrucks Handballer Tabellenzweiter der dritten Liga Süd, nur einen Punkt hinter Spitzenreiter Oppenweiler und einen Punkt vor Verfolger Kornwestheim. Die beiden Erstplatzierten der fünf Drittligagruppen gehen in die Aufstiegsrunde, die dann in zwei Fünfergruppen den einen Zweitliga-Aufsteiger ausspielen. 13 Drittligisten haben dafür Interesse beim Deutschen Handballbund (DHB) hinterlegt, davon allein fünf aus der hart umkämpften Südstaffel.

Sportlich sind die Brucker erneut so erfolgreich, dass sie wirtschaftlich nicht mithalten können

In Fürstenfeldbruck müssen sie sich trotz des sportlichen Erfolgs die Frage stellen, ob es überhaupt Sinn ergeben würde, die Aufstiegsrunde zu spielen. Denn "wir haben uns zwar ein bisschen weiterentwickelt, aber nicht entscheidend", weiß Handball-Abteilungsleiter Michael Schneck. Es gibt weder einen hauptamtlichen Geschäftsführer noch einen Sportlichen Leiter, Sponsorengeld ist knapp und die Spielstätte eine Schulturnhalle. Zudem hat der DHB die Anforderungen ausgeweitet, und so müssen künftig auch die Zweitligaklubs einen elektronischen Buzzer für das Timeout vorweisen, eine LED-Wand für Werbung an der Seitenlinie und einen Hallenboden, auf dem nur Handballlinien zu finden sind. Das würde bedeuten, der TuS Fürstenfeldbruck müsste entsprechende Auslegeware besorgen und zu jedem Heimspiel in der Halle ausrollen, wieder abbauen und irgendwo lagern, skizziert Schneck.

Andernorts geht mehr. Beim TuS Vinnhorst zum Beispiel, unangefochtener Tabellenführer der Drittligagruppe Nord und vom TuS Fürstenfeldbruck besonders beäugt: In Falk Kolodziej, Matthias Hild und Torhüter Stefan Hanemann stehen dort drei ehemalige TuS-Spieler unter Vertrag. Auch Konstanz, langjähriger Rivale der Brucker und derzeit wieder in Liga zwei, arbeite längst unter professionellen Bedingungen, erzählt Wild: Anreise zum Auswärtsspiel einen Tag vorher, Trainingseinheiten auch am Vormittag. Das freilich geht nur, wenn berufstätige Spieler dafür ihre Arbeitszeit verkürzen und vom Verein entsprechend entlohnt werden können.

HT München strebt mit Macht in die dritte Liga, das Werben um die größten Talente aus der Region ist bereits eröffnet

Wild, 44, ist seit 2010 Übungsleiter der Brucker. Der sportliche Aufschwung ist auch sein Werk. Seit Jahren baut er hier immer wieder neue erfolgreiche Teams zusammen. Auch als am Ende der Vorjahressaison gleich sechs Spieler den Verein verließen - darunter die aussichtsreichsten Nachwuchstalente -, trieb anschließend ein neu formierter Kader den Verein dazu, sich erneut die Grundsatzfrage zu stellen: Geht zweite Liga in Fürstenfeldbruck überhaupt? Danach sieht es nicht aus. Schneck sagt, die Rahmenbedingungen würden wohl nicht ausreichen. Kommende Woche will man eine Entscheidung treffen, ob man überhaupt zur Aufstiegsrunde antreten würde. Und auch Martin Wild sagt, durchaus ein wenig desillusioniert, dass "die zweite Liga leider vermutlich kein realistisches Ziel sein kann".

Fest steht, dass der TuS Fürstenfeldbruck schon wieder vor einem großen Umbruch steht. Erneut werden ein halbes Dutzend Spieler anderswo andocken oder ganz aufhören. Wer das ist, will Wild noch nicht sagen, auch nicht, wer die beiden bereits feststehenden Neuzugänge sind. Nach SZ-Informationen wird Kapitän Yannick Engelmann künftig für HT München antreten, Kreisläufer Julian Prause zieht es zum TSV Allach. Beide Vereine sind Bayernligisten mit Ambitionen. HT München - eine Spielgemeinschaft der Handballer aus Unterhaching und Taufkirchen - durchlief souverän die Vorrunde der Bayernliga Süd und führt derzeit mit knappem Vorsprung die Aufstiegsrunde zur dritten Liga an. Seit Jahresbeginn ist dort auch Korbinian Lex im Einsatz, der ehemalige Kapitän des TuS Fürstenfeldbruck. In Trainer Johannes Borschel, 39, findet er dort jemanden vor, mit dem er zuletzt noch zwei Jahre lang beim TuS Fürstenfeldbruck zusammengespielt hatte. Und auch Marco Müller, Übungsleiter beim TSV Allach, hat eine Brucker Vergangenheit: Er war jahrelang Martin Wilds Co-Trainer.

Dem TuS Fürstenfeldbruck könnten damit erstmals seit Jahren ernsthafte Konkurrenten im Umkreis auch im Kampf um jene Talente erwachsen, die zuletzt stets den Weg nach Fürstenfeldbruck fanden. "Es ist eine gefährliche Situation für uns. Wir müssen langfristig auf der Hut sein", weiß Martin Wild. HT-Trainer Borschel indes sagt: "Konkurrenz belebt das Geschäft." Der gesamten Region täte es gut, wenn es mehr als nur einen Drittligisten geben würde.

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