Sander Sagosen:Der wohl beste Handballer der Welt

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Künftig ein Kieler: Sander Sagosen (links). (Foto: Robert Michael/dpa)

Die Handball-Bundesliga hat eine neue Attraktion: Sander Sagosen spielt bald beim THW Kiel, der Norweger vereint viele Gegensätze. Aktuell sitzt er aber in seiner Heimat fest.

Von Carsten Scheele

Die neue, die größte Attraktion der Handball-Bundesliga schwitzt gerade noch im Kraftraum seiner Eltern. Mama und Papa haben sich in Trondheim einen Fitnesskeller ins Haus gebaut, dort trainiert Sander Sagosen, die Lage ist vertrackt: Zurück nach Paris, um seinen Mitspielern Lebewohl zu sagen, kann er nicht. Nach Deutschland zum THW Kiel, zu den neuen Mannschaftskollegen, denen er sich im Sommer offiziell anschließt, darf er auch nicht, der Virus-Pandemie sei Dank. Was kann er also tun, außer sich fit zu halten?

Die Saison bei Paris Saint-Germain endete für Sagosen sehr abrupt. Es war klar, dass er nach Kiel wechseln würde, seit mehr als einem Jahr bereits - aber nicht auf diese Weise, ohne Abschiedsfeier. Zwar wurde PSG im April zum französischen Meister erklärt, mit dem Titelgewinn zum Abschied hat es also geklappt. Sportlich war jedoch nach 18 von 26 Spieltagen Schluss. Als in Paris immer stärkere Ausgangsbeschränkungen in Kraft traten und Sagosen hörte, dass sein Heimatland die Grenzen schließen wolle, kehrte er nach Norwegen zurück. Dort wartet er nun auf das Ende seines Vertrags und offene Grenzen Richtung Deutschland.

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Doch ob er nun ein paar Tage früher oder später ankommt: Der THW Kiel wird an Sagosen viel Freude haben. Obwohl erst 24 Jahre alt, wird der Norweger von vielen als gerade bester Handballer der Welt bezeichnet - zum Beispiel von Domagoj Duvnjak, seinem neuen THW-Teamkollegen, der selbst sehr viel von dem gewonnen hat, was es im Handball zu gewinnen gibt. Zuletzt bei der Europameisterschaft hat Duvnjak gesehen, welch ein kompletter Handballer Sagosen bereits ist, im Gesamtpaket vielleicht noch etwas stärker als der Däne Mikkel Hansen, der aktuelle Welthandballer, der häufig mehr Wurfmaschine als Spiellenker ist.

Manche sagen, der Wechsel von PSG nach Kiel sei ein Rückschritt

Sagosen vereint viele Gegensätze: Er ist fast zwei Meter groß, aber trotzdem pfeilschnell. Er spielt wuchtig und dynamisch, aber gleichzeitig filigran. Er lenkt das Spiel und wirft in den entscheidenden Minuten die wichtigen Tore. Bei der EM im Januar, die in seinem Heimatland Norwegen und in Österreich stattfand, klappte es mit dem Titelgewinn nicht ganz; der Starkult um Sagosen war trotzdem gewaltig. "König des Nordens" wurde er genannt, in Anlehnung an die populäre Serie "Game of Thrones". Wie bei der WM 2019 schaffte es Sagosen ins All-Star-Team.

"Er kann seine Mitspieler besser machen", sagt Viktor Szilagy, der Sportliche Leiter des THW Kiel. Wenn das die Konkurrenten in der Bundesliga hören: Schon jetzt zeichnet sich ab, was für ein starkes Team der THW im Sommer beisammen haben wird, wenn der im April unter Schmerzen unterbrochene Handballbetrieb wieder aufgenommen wird. Dann ist Sagosen da, aber auch weiterhin Duvnjak, Niklas Landin im Tor, Steffen Weinhold, Harald Reinkind, Lukas Nilsson, Niclas Ekberg, Nikola Bilyk, Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek. Sie alle wird Sagosen künftig anleiten. Der Meisterfavorit? Wird THW Kiel heißen, es geht nicht anders.

Als der Deal im Frühjahr 2019 publik wurde, wurde Kiel ligaweit beglückwünscht zu diesem Transfer. Vor fünf Jahren, als der damals 19 Jahre alte Sagosen in Aalborg spielte, wollte der THW ihn bereits verpflichten. Doch Sagosen ging zunächst nach Paris, ins weltbeste und weltreichste Team. Ein Wagnis, aber er setzte sich durch, begleitet von Nikola Karabatic, dem dreimaligen Welthandballer, der ihn nach und nach zu seinem Nachfolger ausbildete. Manche sagen, der Wechsel von PSG nach Deutschland sei für Sagosen ein Rückschritt, doch der sieht das anders. Er wolle mit Kiel "eine märchenhafte Zeit" erleben und alles gewinnen, sagte er den Kieler Nachrichten, und schickte selbstbewusst hinterher: "Ich möchte der beste Spieler der Welt sein, und dass sich darüber alle einig sind."

Im Final-Four-Turnier trifft Sagosen vermutlich auf PSG

Ein märchenhaftes Gefühl würde sich gewiss einstellen, könnte Sagosen dem THW helfen, nach 2007, 2010 und 2012 wieder den Champions-League-Titel an die Förde zu holen. Im Dezember hat Kiel die Chance dazu, in dem um ein halbes Jahr verlegten Final-Four-Turnier in Köln, in das Kiel als Gruppenerster nach der Hauptrunde hineinversetzt wurde. Dort kommt es für Sagosen zu einer kuriosen Situation: Der Norweger tritt mit dem THW Kiel an, seinem neuen Team, trifft aber möglicherweise auf Paris Saint-Germain, sein altes Team, mit dem er das Finalturnier erreicht hatte. Der Wettbewerb zählt noch zur alten Saison 2019/20, zeitlich ist aber schon die neue angebrochen, 2020/21, und Sagosen beim THW Kiel angestellt, wie die Europäische Handball-Föderation (EHF) offiziell bestätigt hat.

Es sei natürlich "schade, dass ich Paris verlasse, ohne unsere gemeinsame Mission vollenden zu können", sagt Sagosen. Doch der Fokus ist neu justiert: "So habe ich die Möglichkeit, mit Kiel den bestmöglichen Start zu bekommen." Und wenn er im Finale der Champions League tatsächlich auf Paris trifft, auf Karabatic, Hansen, die alten Kollegen? Dann wird Sagosen ihnen zeigen wollen, wie gut er tatsächlich geworden ist.

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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