Süddeutsche Zeitung

Handballer Ekberg:Rekord per Kempa-Trick

Der THW Kiel hat einen neuen Rekordtorschützen: Niclas Ekberg, ein bodenständiger Schwede, der sich für seine Krönung etwas besonderes überlegt hat.

Von Carsten Scheele

Mindens Trainer Frank Carstens erfasste den Moment auf die bestmögliche Weise. Da hatte sich Niclas Ekberg, 32, gerade zum Rekordtorschützen des THW Kiel erklärt, mit seinem Treffer zum 28:22 am Sonntagabend gegen GWD Minden - und was tat Carstens? Er nahm eine Auszeit. Nicht, dass er diese benötigt hätte; zu diesem Zeitpunkt war klar, dass seine Mindener dieses Spiel verlieren würden (Endstand 25:34). Aber der Trainer verschaffte Ekberg und den Kielern eine weitere Jubelminute, in der es nochmal richtig laut wurde in der Halle.

Es war Ekbergs 1333. Bundesliga-Treffer für den THW, also einer mehr als Magnus Wislander (1332) je erzielt hat, der große Schwede, den sie in Kiel "Jahrhunderthandballer" nennen. All die anderen bedeutenden Spieler -Marcus Ahlm, Uwe Schwenker oder Filip Jicha - hatte er in den vergangenen Jahren bereits überholt, also wurde Ekberg nach der Partie in die Luft geschleudert, er flog über den Köpfen seiner Kollegen, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Nach meiner Karriere werde ich an den heutigen Tag zurückdenken und bemerken, dass es schon einige geile Spieler waren, die für diesen Verein viele Tore geworfen haben", sagte Ekberg später, "sie alle habe ich irgendwie überholt."

Der Schwede Ekberg, seit 2012 in Kiel, gehört zweifellos zu den besten Spielern der Bundesliga; in der Kategorie "Superstars" werden aber meist andere genannt. Dafür ist Ekberg vermutlich viel zu bodenständig. Er überlässt die Extravaganzen gerne den anderen und erledigt einfach nur seinen Job: Tore werfen, und zwar viele. Statistisch gesehen kommt dem Rechtsaußen zugute, dass er in Kiel einer der etatmäßigen Siebenmeterverwandler ist, das macht stets ein paar Treffer mehr pro Spiel. Gleich sieben Strafwürfe konnte er in der ersten Halbzeit gegen Minden verwandeln; das Tor, mit dem er mit Wislander gleichzog, war dann ein feiner Dreher von außen. Da schwoll die Stimmung in der Kieler Arena bereits an.

Der Südkoreaner Kyung-Shin Yoon kam auf fast 3000 Treffer, allerdings bei einem deutlich kleineren Verein

Bei Tor Nummer neun, dem Rekordtreffer, erreichte sie ihren Höhepunkt. Sander Sagosen spielte Linksaußen Magnus Landin frei, der hätte bereits abschließen können, erfasste den Moment aber blitzschnell: weicher Pass quer hinüber zum einfliegenden Ekberg, der den Ball in der Luft fing und unten rechts im Tor einschlagen ließ. Ein Kempa-Trick, die berühmteste Spielerei des Handballs, benannt nach dem früheren Feldhandball-Weltmeister Bernhard Kempa, der diesen gewitzten Torwurf einst ersann. Ein würdiger Moment.

"Dass Eki das heute geschafft hat, zeigt, was er für ein Weltklasse-Handballer ist", sagte sein Trainer Filip Jicha. Bis zur Nummer eins der ewigen Bundesliga-Rekordliste ist Ekbergs Weg allerdings noch weit: Dort steht Yoon Kyung-shin ganz oben, der in den Neunzigern und 2000er Jahren lange für den VfL Gummersbach spielte und bis 2008, als er die Liga verließ, sagenhafte 2905 Tore erzielte hatte.

Doch jeder weiß: Bei kleineren Teams kommen die Spitzenspieler schneller auf eine höhere Anzahl an Treffern, weil das Spiel häufig auf sie ausgerichtet ist. Der Südkoreaner Yoon war ein Rückraumshooter, der regelmäßig zehn bis 20 Treffer pro Spiel beisteuerte, weil er von den Kollegen immerzu gesucht wurde. Ekberg ist in Kiel bloß eine von zahlreichen Spitzenkräften - und findet zudem beim Rekordmeister eine ganz andere Konkurrenzsituation vor. Das macht seine Leistung, an Wislander vorbeigezogen zu sein, umso besonderer.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5429882
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/sjo/klef
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.