Süddeutsche Zeitung

Handball:Reich wird er nicht

Harald Feuchtmann vom Handball-Bayernligisten DJK Waldbüttelbrunn ist wie seine beiden Brüder bei der Weltmeisterschaft in Frankreich für den deutschen Gruppengegner Chile im Einsatz.

Von Joachim Mölter

An diesem Wochenende könnten sie bei der DJK Waldbüttelbrunn jeden Mann gebrauchen, da müssen die Handballer aus dem Würzburger Vorort nämlich gleich zweimal antreten: Am Samstagabend erwarten sie den SV Anzing zum Bayernliga-Punktspiel, am Sonntagnachmittag dann den TSV Neuhausen/Filder zum Achtelfinale im deutschen Amateurpokal. Doch an diesem Wochenende müssen sie auf einen ihrer Besten verzichten, den Linksaußen Harald Feuchtmann. "Es wär' schon schön, wenn er da wär'", gibt Winfried Körner zu, der Vorstand Spielbetrieb des unterfränkischen Klubs: "Er fehlt uns mit seiner Routine." Andererseits versteht Körner, dass Feuchtmann gerade unabkömmlich ist. Der 29-Jährige wird am Freitag bei der Weltmeisterschaft in Frankreich gebraucht - "im wichtigsten Spiel in der Geschichte des chilenischen Handballs", wie sein Bruder Erwin sagt.

Chiles Auswahl kann zum ersten Mal in die K.o.-Runde eines globalen Turniers einziehen, unter die besten 16 Teams. Sie haben zum Turnierauftakt überraschend Weißrussland besiegt, 32:28, und wenn sie nun noch gegen Saudi-Arabien gewinnen, wäre das der größte Erfolg ihres Verbandes. "Das schaffen sie auch", glaubt Körner, "ich drücke ihnen jedenfalls die Daumen - auch wenn ich dann länger auf Harald warten muss." In seiner Stimme schwingt Stolz mit, "es macht schon Spaß, wenn man jemanden kennt, der bei einer WM dabei ist", gibt er zu. Es ist ja nicht alltäglich, dass man als Viertligist einen aktuellen WM-Teilnehmer in seinen Reihe hat.

Aber die Familie Feuchtmann ist ja auch nicht alltäglich. Harald Feuchtmann ist der mittlere von drei Brüdern, die gerade bei der WM für Chile im Einsatz sind, ebenso wie ihre Schwester Inga. Die erledigt zweckmäßigerweise die Medienarbeit für den Verband, und im Vorrundenspielort Rouen waren die Feuchtmann-Brüder gefragte Gesprächspartner. Chiles Auswahl war ja nicht nur Gruppengegner der Deutschen, sondern logierte auch im selben Hotel; klar, dass viele wissen wollten, was es auf sich hat mit den drei Chilenen und ihren deutschen Namen.

Emil und Harald Feuchtmann Perez gleichen sich wie Zwillinge

Nun, ihre Herkunft ist schnell erklärt: Ihr Großvater wanderte in den dreißiger Jahren von Mannheim nach Valpariso aus, ihre Eltern brachten sie dort mit dem Handballsport zusammen, und weil man dem ambitioniert am ehesten in Europa nachgehen kann, wanderten die Enkel wieder zurück. Über untere Ligen in Deutschland arbeiteten sie sich nach oben. Emil, mit 33 der Älteste, ist inzwischen beim Schweizer Erstligisten Wacker Thun unter Vertrag; Erwin, mit 26 der Jüngste und mit 1,90 Meter auch der Größte, spielt derzeit für die SGH West Wien in Österreichs höchster Liga.

Emil und Harald Feuchtmann Perez, wie sie mit vollständigem Namen heißen, gleichen sich wie Zwillinge, eine Saison spielten sie sogar zusammen in einer Mannschaft, beim unterfränkischen Drittligsten HSC Bad Neustadt. Von dort kam Harald Feuchtmann dann zur DJK Waldbüttelbrunn, wo er nun im zweiten Jahr ist. Wenn es nach Winfried Körner geht, könnte er gern länger bleiben.

Aber der Funktionär weiß: "Bei uns wird er nicht reich." Harald Feuchtmann arbeitet nebenher als Fitness-Trainer in einem örtlichen Studio, er hat seine Trainerscheine gemacht und sagt: "Wenn man schlau genug ist, kann man Karriere machen als Trainer. Aber im Moment mache ich mir keine Gedanken, ich bin für alles offen, habe keine langfristigen Pläne." Er hat wie seine Brüder eine deutsche Freundin, die beiden sind örtlich ungebunden, wenn man sich mit Harald Feuchtmann unterhält, spürt man die Abenteuer- und Reiselust, die er offenbar von seinem Großvater geerbt hat.

Er sagt, er wolle noch ein paar Jahre Handball spielen, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio reizen ihn. "Wenn wir uns konsequent steigern, haben wir eine Chance", glaubt er. Aus Südamerika darf immer nur eine Nation zu den Spielen, die bislang vorherrschenden Brasilianer und Argentinier sind im Umbruch. "Unser Trainer hat darüber gesprochen, dass das ein Ziel ist", sagt Harald Feuchtmann. Seit neuestem werden die Chilenen von dem Spanier Mateo Garraldo gecoacht, einem ehemaligen Weltmeister von 2005.

Der hat seine Auswahl bereits im Dezember zusammengeholt, so lange fehlt Harald Feuchtmann der DJK Waldbüttelbrunn also schon. Über Whatsapp hält er Kontakt zu den Teamkollegen, er weiß, dass sie den zweiten Tabellenplatz halten und dass ein wegweisendes Pokalspiel bevorsteht.

Was keiner weiß, ist, ob und wie die DJK Waldbüttelbrunn für die Abstellung ihres Nationalspielers entschädigt wird. Als Feuchtmann im vorigen Sommer bei der Olympia-Qualifikation mitgemacht hat, hat der Weltverband IHF später 140 Schweizer Franken überwiesen, rund 130 Euro. Reich wird da keiner bei so einem internationalen Turniereinsatz, weder die DJK Waldbüttelbrunn noch Harald Feuchtmann. Aber stolz sie sind trotzdem.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2017
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