Süddeutsche Zeitung

Handball:Positive Signale in Andalusien

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft zeigt sich nach der schwachen Leistung gegen Schweden deutlich verbessert. Das zeigt: An guten Tagen kann sie mit den Besten mithalten. Die Frage ist, wofür das bei der WM reicht.

Von Ralf Tögel, München

Die letzte Aktion hätte kaum exemplarischer ausfallen können: Der deutsche Spielmacher Philip Weber hatte den richtigen Moment abgewartet, um Kreisläufer Tim Zechel zu finden. Der bekam, hart bedrängt von Spaniens Abwehrhaudegen Gideon Guardiola, den Ball im Nachfassen zu packen, hechtete in den Kreis und traf per Aufsetzer - an die Unterkante der Latte. Das Spielgerät hopste zurück ins Feld, Schlusssirene, Niederlage für Deutschland.

Das 31:32 im andalusischen Jaen konnte Bundestrainer Alfred Gislason indes als positives Zeichen interpretieren; es dürfte den Spielern auch ein gutes Gefühl im Hinblick auf die Weltmeisterschaft im Januar in Polen und Schweden bescheren. Letztlich drückt eine solche knappe Niederlage ja auch aus: Viel fehlt bisweilen nicht zur Spitze.

Auch die beiden beteiligten Spieler kann man als beispielhaft für den Kader des deutsche Teams bei den bevorstehenden Welttitelkämpfen ansehen: Der 26-jährige Zechel vom aufstrebenden HC Erlangen ist einer jener Newcomer, die für den Umbruch in der Mannschaft stehen. Weber repräsentiert den verbliebenen Stamm an erfahrenen Kräften, die das Team anleiten sollen. Daraus soll der Bundestrainer bis zum 13. Januar eine Einheit formen, dann startet Deutschland mit der Partie gegen Katar im polnischen Katowice in die WM.

Die jüngste Testspielreihe der Deutschen ging auf ein vom europäischen Verband ins Leben gerufenes Format zurück, bei dem sich die bereits qualifizierten Nationen ein paar hochklassige Duelle liefern, mit Blick auf die EM 2024 wohlgemerkt. Schweden, Spanien und Dänemark sind als die besten drei Teilnehmer der EM vom Januar 2022 gesetzt. Deutschland ist als Gastgeber ebenfalls automatisch dabei und hat die jüngsten Partien gegen Schweden (33:37) und Spanien als Stresstest für die nahende WM proklamiert; im Handball findet wegen des Zweijahresturnus bei EM und WM in jedem Jahr ein internationales Großturnier statt.

So maß Gislason diesen beiden Vergleichen nach dem wenig aussagekräftigen EM-Turnier von Bratislava im Januar - seine Spieler meldeten sich damals reihenweise wegen Corona ab - dann auch große Bedeutung bei. Er sprach von einer "wichtigen Standortbestimmung". Dazu gehörte freilich auch die Ableitung, dass sich seine Auswahl beim 33:37 in Mannheim gegen das skandinavische Spitzenensemble zunächst als kaum konkurrenzfähig erwies. Immerhin korrigierten die an der Ehre gepackten Profis den Eindruck am Samstagabend mit einer sehenswerten Darbietung in Spanien. Gislason musste dabei auch ohne Viruserkrankte improvisieren, neben einigen Langzeitverletzten meldeten sich kurzfristig die wichtigen Kräfte Jannik Kohlbacher, Fabian Wiede und Paul Drux ab.

Die neuformierte Abwehr offenbart phasenweise große Schwächen

Vor allem die zweite Halbzeit gegen Schweden gab Gislason zu denken, als seinen Spielern vom Europameister die Grenzen aufgezeigt wurden. Die Abwehr, die mittlerweile ohne ihr jahrelanges Herzstück Patrick Wiencek (zurückgetreten) und Hendrik Pekeler (pausiert) auskommen muss, offenbarte große Schwächen. Dadurch kamen die Schweden zu einfachen Toren, die Deutschen nicht zu ihrem gewohnten Tempogegenstoßspiel.

Zudem leistete sich die DHB-Auswahl eine Reihe leichter Fehler, und solche Ballverluste quittiert der Gegner auf diesem Niveau mit Kontertoren. Phasenweise wurden die Deutschen vorgeführt, vor allem die jungen Akteure um Spielmacher Juri Knorr und Rückraumwerfer Julian Köster blieben vieles schuldig. Lediglich Kapitän Johannes Golla erreichte mit zwölf Treffern das geforderte Weltklasseniveau. Gislason konstatierte geknickt, dass sein Team "Phasen hatte, in denen wir den Kopf verloren haben. Wir wollten lernen, aber wir mussten Lehrgeld bezahlen. Das tat weh."

Ein völlig anderes Bild dann bei den starken Spaniern: Gislasons Auswahl war ebenbürtig, phasenweise sogar besser, die Mischung aus jungen und routinierten Akteuren agierte harmonisch. In der Abwehr bildeten Köster und Golla ein starkes Zentrum, Routinier Kai Häfner sorgte für viel Druck aus dem Rückraum, Knorr und Weber ordneten das Spiel.

Was fürs Erste bleibt? Zum einen die Erkenntnis, an guten Tagen mit den Großen mithalten zu können. In der Bilanz standen zum anderen zwei Niederlagen, wie Sportvorstand Axel Kromer festhielt: "Wir hatten tolle Phasen, aber es ist wichtig, gegen große Mannschaften zu punkten." Auch Handball bleibt Ergebnissport.

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