Süddeutsche Zeitung

Handball:Philosoph von Weltrang

Nachdem der Traditionsverein den Klassenerhalt in der zweiten Liga gerade noch geschafft hat, verpflichtet er den kroatischen Rekord-Nationalspieler Igor Vori als Trainer.

Von Ralf Tögel

Es sollte die Krönung seiner großen Karriere werden, die Europameisterschaft im eigenen Land, dafür war der Handball-Profi Igor Vori im reifen Alter von 37 Jahren reaktiviert worden. Weltmeistertitel und Olympia-Gold waren längst abgehakt (2003 und 2004), Europameister war Kroatien noch nie. Es sollte dabei bleiben, die Niederlage gegen Frankreich im letzten Hauptrundenspiel in Voris Geburtsstadt Zagreb besiegelte das Aus, Kroatien wurde Fünfter. Vori gab im Anschluss mit gesenktem Haupt Auskunft über die Gründe, maß sich selbstkritisch einen Anteil am Misserfolg zu. "Wir haben es nicht geschafft, das müssen wir akzeptieren. Man wächst an jeder Niederlage." Das sagt viel aus über den Sportsmann Igor Vori, der 2019 seine aktive Karriere beendet hatte und sich mit nun 41 Jahren ganz auf den Job des Trainers konzentrieren will, wie der TV Großwallstadt bekannt gab.

Igor Vori folgt also auf Maik Handschke, der den Verbleib in der zweiten Liga am letzten Spieltag sichergestellt hatte und danach wieder als Sportdirektor zum luxemburgischen Verband ging. Wobei man mit dem Ende der aktiven Karriere im Fall des 2,03 Meter großen Kreisläufers, der im Laufe seiner langen und erfolgreichen Karriere so ziemlich jede nennenswerte Ehrung erfahren hat, vorsichtig sein muss. Im April noch stand Vori für die Füchse Berlin auf dem Spielfeld, die ihn reaktiviert hatten.

Das kennt auch der ehemalige Nationalspieler Michael Spatz, den der TVG vor einem Jahr aufgrund akuter Personalprobleme kurzfristig zurück in den Kader geholt hatte. Seither ist Spatz Geschäftsführer - und er zeichnet für den Trainer-Coup verantwortlich: "Ich bin davon überzeugt, dass Igor mit seinen Ideen und seiner Philosophie den TVG weiter nach vorne bringen wird." Geschäftsführer-Kollege Stefan Wüst glaubte anfangs an einen Scherz, als Spatz ihm den Namen zugerufen habe. Gleichwohl sei die Verpflichtung Voris, der mit einem Zweijahresvertrag ausgestattet wird, Beleg dafür, welchen Stellenwert der ehemalige Serienmeister und Europapokalsieger nach wie vor genieße.

Die Verpflichtung Voris ähnelt der von Welthandballer Sigurdsson in Gummersbach, Verein und Trainernovize haben davon profitiert

Einen großen Namen hat auch der Handball-Profi Vori, der kroatische Rekord-Nationalspieler (246 Länderspiele) spielte für zahlreiche Spitzenklubs wie Barcelona oder Paris St. Germain, mit dem HSV Hamburg gewann der Kreisläufer neben der deutschen Meisterschaft (2011) auch die Champions League (2013). Als Trainer wurde der A-Lizenz-Inhaber und EHF-Master-Coach im Sommer 2020 von seinem Heimatklub und Serienmeister Zagreb verpflichtet, der die Zusammenarbeit aber nach nur fünf Monaten beendete. Danach heuerte Vori beim kroatischen Verband an, derzeit ist er mit der U20 bei der EM in Portugal.

Ein bisschen ähnelt die Personalie an den ehemaligen Welthandballer Gudjon Valur Sigurdsson, der als Trainernovize beim damaligen Zweitligisten Gummersbach, wie der TVG einer der großen deutschen Traditionsklubs, anheuerte. Trainer wie Verein profitierten von der Zusammenarbeit, was man sich auch beim TVG erhofft. Für Vori ist es die Chance, sich als Coach zu profilieren, Großwallstadt will mittelfristig zurück ins Oberhaus. "Ich bin sehr stolz darauf, bei einem Traditionsverein wie Großwallstadt antreten zu dürfen", sagt Vori bescheiden, ein Satz, der zu diesem Sportsmann passt.

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