EM-Qualifikation:Zwei Siege und Ärger in Ankara

Lesezeit: 3 Min.

Vor allem das Tempospiel klappt: Lukas Zerbe ist zweimal mit je acht Treffern der beste deutsche Torschütze. (Foto: Max Krause/Lobeca/Imago)

Das ersatzgeschwächte deutsche Handball-Team schlägt die Schweiz ungefährdet, hat beim Sieg in der Türkei aber mehr Mühe. Das missfällt Trainer Gislason vor allem im Hinblick auf die WM im Januar.

Von Ralf Tögel, München/Ankara

Dass Sportfans in der Türkei mitunter zu hitziger Begeisterung neigen, ist regelmäßig beim Fußball oder Basketball zu beobachten. Im Handball hat die Türkei keine große Tradition, das Spiel gegen Deutschland, eine anerkannt große wie traditionsreiche Handballnation, war für die Gastgeber dennoch oder gerade deshalb eine besondere Sache – zumal in einem EM-Qualifikationsspiel. Dass die Atmosphäre in der Arena in Ankara keine allzu hohen Temperaturen erreichte, war am Sonntag dem DHB-Team geschuldet, das zwar glanzlos, aber ungefährdet 36:29 gewann. Dabei hatte die türkische Auswahl zuvor mit einer knappen 28:31-Niederlage in Österreich noch aufhorchen lassen.

Die brauchbaren Erkenntnisse aus dem ungleichen Kräftemessen blieben für Bundestrainer Alfred Gislason überschaubar, der sich gehörig über den fehlerhaften Auftritt gegen einen deutlich unterlegenen Gegner ärgerte und von „dummen Fehlern“ sprach. Dessen bekannteste Spieler sind Doruk Pehlivan, der beim Zweitligisten HC Elbflorenz unter Vertrag steht und mit sieben Toren bester Schütze war, sowie Koray Ayar vom Erstligisten Hannover. Das deutsche Team startete unrund und konnte sich bei Torhüter Andreas Wolff bedanken, dass es nur 1:2 in Rückstand geriet. Letztlich setzten sich die körperliche Überlegenheit sowie das Tempospiel der DHB-Auswahl durch, der Sieg war trotz des fehlerhaften Auftritts nie in Gefahr, bester Schütze war Rechtsaußen Lukas Zerbe mit acht Treffern.

Das 35:26 zum Start in die Qualifikation zur EM 2026 vom Donnerstag gegen die Schweiz war aussagekräftiger. Da nämlich war die Favoritenrolle weniger klar an die Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB) vergeben: Die Eidgenossen verfügen über einen Kader, der sich vorwiegend aus Bundesligaprofis speist, unter ihnen in Manuel Zehnder der Torschützenkönig der Bundesliga vom Meister Magdeburg. Angeleitet wird das Ensemble von Andy Schmid, jahrelang Fixpunkt der Rhein-Neckar Löwen und einer der weltweit besten Strategen auf der Spielmacherposition des vergangenen Jahrzehnts.

In Kapitän Golla, Abwehrchef Köster und Regisseur Knorr fehlen gegen die Türken drei Schlüsselspieler, das kompensieren die nachrückenden Talente problemlos

Zudem musste Gislason improvisieren, in Juri Knorr (Fingerbruch) und Julian Köster (Innenbandriss) fehlten zwei Schlüsselspieler. Womit man bei den belastbaren Erkenntnissen wäre: Knorr gilt dem Nationalteam auf der Spielmacherposition als eine Art Heilsbringer, auch wenn der 24-Jährige derlei Lobhudelei stets vehement ablehnt. Gleichwohl war dies in den vergangenen Jahren die neuralgische Position der deutschen Auswahl, nun fiel Knorrs Fehlen nicht groß auf. Denn in Niels Lichtlein, 22, und Luca Witzke, 25, stehen gute Ersatzkräfte bereit, die Knorr in den beiden Spielen gut vertraten.

Welche Rolle Köster für den Bundestrainer spielt, hat Gislason oft genug betont, der 24-Jährige ist neben Kapitän Golla Abwehrchef, der auch offensiv wichtige Impulse setzt. Auch dessen Absenz fiel letztlich nicht ins Gewicht, im Innenblock erwiesen sich Sebastian Heymann, 26, und Justus Fischer, 21, als brauchbare Alternativen.

Das Fazit von Gilsason fiel vor allem für das Schweiz-Spiel positiv aus: „Ich bin sehr zufrieden“, befand der Bundestrainer, womit er besonders Tempospiel und Spielfreude im Angriff meinte sowie die aufmerksame Abwehrarbeit. Mit den Siegen gegen Frankreich und Schweden bei den Olympischen Spielen schloss seine Auswahl die Lücke zu den drei großen Nationen, lediglich Dänemark war im Finale eine Nummer zu groß.

Handball
:Wie spielen die Handballer ohne Knorr und Köster?

Bundestrainer Gislason muss genau dies in zwei Länderspielen herausfinden. Und dann gibt es noch Verwirrung um eine mögliche Rücktrittsankündigung.

Von Carsten Scheele

Der deutliche und ungefährdete Sieg der ersatzgeschwächten DHB-Auswahl gegen die Schweiz darf als weiterer Beleg für diese These gelten, die Eidgenossen kann man zu den ambitionierten Verfolgern zählen, denen die DHB-Auswahl augenscheinlich weit entrückt ist.

Für das türkische Team, das sich noch nie für ein großes Turnier qualifizieren konnte, darf dies nicht gelten. Gislason hatte in Ankara zudem auf seinen angeschlagenen Kapitän Golla verzichten müssen und Stammkraft Christoph Steinert, der sich im Training die Hand gebrochen hat, was auch auf die im Januar anstehende WM Auswirkungen haben könnte. Max Beneke von den Berliner Füchsen rückte nach, einer jener U21-Weltmeister, die mit starken Leistungen im Verein vehement nachdrängen. Und von denen sich neben Lichtlein und Fischer vor allem Renars Uscins in den Vordergrund gespielt hat, der Linkshänder von den Recken Hannover ist nicht erst seit seinen Galaauftritten bei Olympia gesetzt.

Nach den beiden ungefährdeten Siegen sollte die EM-Qualifikation kein Problem mehr sein, fast wichtiger war für Gislason der Test von Alternativen: Im Januar steht die Weltmeisterschaft an, da werden die Gegner ungleich stärker sein.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Karriereende von Paul Drux
:Schluss mit 29 Jahren

Wegen nicht enden wollender Verletzungen muss Paul Drux seine Handballkarriere beenden. Die Berliner Füchse wollen den Nationalspieler und langjährigen Mannschaftskapitän in einer anderen Funktion halten.

Von Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: