Süddeutsche Zeitung

Handball:Nach dem Komma

Wenn der größte Erfolg der Vereinsgeschichte nur ein bürokratischer Akt ist: Haspo Bayreuths Drittliga-Aufstieg.

Von Sebastian Leisgang

Die Geschichte, die Andreas Berghammer zu erzählen hat, kreist um einzelne Worte und um Zahlen, bei denen es auf die zweite Stelle nach dem Komma ankommt. Es geht um Paragrafen und um eine Mannschaft, die aus dem Spielbetrieb ausgeschieden ist, lange bevor die Ausbreitung des Coronavirus den Handball zum Saisonabbruch bewegt hat. Die Geschichte ist zwar gut ausgegangen, allerdings nicht so, wie Berghammer sich das vorgestellt hat.

Sein Verein Haspo Bayreuth steht inzwischen zwar als Aufsteiger in die dritthöchste Liga fest - als Berghammer aber die Hintergründe erklärt, wird klar, dass sie ihn noch immer erregen. Er sagt dann Sätze wie: "Groß ist die Freude nicht." Oder: "Die Art und Weise des Aufstiegs ist nicht in unserem Sinn."

Wer Berghammer verstehen will, muss zunächst einmal wissen, welche Position er einnimmt. Es wäre zwar ziemlich überspitzt zu behaupten, Haspo Bayreuth wäre Andreas Berghammer und Andreas Berghammer Haspo Bayreuth; es würde Berghammer aber auch nicht gerecht werden, zu behaupten, er sei bloß der Vorsitzende des Vereins. Berghammer, 60, ist so etwas wie der Geburtshelfer. Er hat einst selbst für den Bayreuther SV gespielt, jenen Klub, aus dem Haspo 2001 hervorgegangen ist. Er hat den Nachwuchs trainiert, er hat die Frauenmannschaft trainiert, derzeit trainiert er die Reserve, und er gehört dem Vorstand seit der ersten Stunde an.

Der Aufstieg in die dritte Liga ist einer der größten Erfolge überhaupt, doch Berghammer kann jetzt nicht davon erzählen, wie eindrucksvoll der Weg dieser jungen Bayreuther Mannschaft gewesen ist - er muss über dieses siebenseitige Schreiben sprechen, das sein Vorstandskollege Rolf Emrik Meyer-Siebert ausgearbeitet und an den Bayerischen Handballverband geschickt hat.

"Ich fasse das jetzt mal in zwei Sätzen zusammen", sagt Berghammer und holt dann aus zu einem Vortrag, der eher zwanzig Sätze umfasst. Er stellt in erster Linie die Quotientenregel in Frage, die Grundlage für die Abschlusstabelle, die Bayreuth vom ersten auf den zweiten Platz versetzt und - zumindest zunächst - um den Aufstieg gebracht hat. "Der Verband hat uns in einem Schreiben mitgeteilt, dass in diese Quotientenregel alle - und jetzt kommt das entscheidende Wort", sagt Berghammer und macht dann eine kleine Kunstpause, "absolvierten Spiele einfließen."

Die Bayreuther begreifen das so, dass auch die Partien gegen die TG Heidingsfeld berücksichtigt werden müssten, obwohl sich der Aufsteiger Mitte Januar aus dem Spielbetrieb zurückgezogen hat. Würde der Verband die Heidingsfelder Partien einbeziehen, wäre Bayreuths Quotient besser als jener des VfL Günzburg. Aber: Das tut der Verband nicht. Er beruft sich vielmehr darauf, dass eine Mannschaft aus der Wertung genommen wird, wenn sie aus dem Spielbetrieb ausscheidet - so sähen es die Regularien seit jeher vor.

Die Bayreuther zweifeln allerdings daran, dass der entsprechende Paragraf in Zeiten der Corona-Krise anwendbar ist, da im Grunde ja alle Teams aus dem Spielbetrieb ausgeschieden sind. Und, so argumentiert Haspo weiter: Die unterschiedliche Anzahl von Partien sei ausschließlich auf das Heidingsfelder Aus zurückzuführen, und es sei reiner Zufall, dass das Günzburger Rückspiel gegen die TGH noch vor dem Aussetzen des Spielbetriebs gewesen wäre, das Bayreuther hingegen erst danach.

"Wir sind nicht zufrieden mit der Kommunikation des Verbandes", sagt Berghammer jetzt. Er schlägt nun diplomatischere Töne an, er will nicht nachkarten in aller Öffentlichkeit, schließlich wird Haspo in der nächsten Saison nun doch in der dritten Liga spielen. In einer sogenannten Härtefalltabelle aller deutschen Oberligisten haben die Bayreuther Rang drei belegt, weil ihr Quotient nur um 0,03 niedriger war als der Günzburger. Und weil außerdem Concordia Delitzsch in der mitteldeutschen Oberliga auf den Aufstieg verzichtete, rückte Bayreuth nach.

Inzwischen, erklärt Berghammer, habe Haspo den Widerspruch gegen die Quotientenregel zurückgezogen. Als Eingeständnis, dass der Verband womöglich doch im Recht ist, will er das allerdings nicht verstanden wissen. "Wir haben den Einspruch ja auch nicht mit einem einzigen Satz zurückgezogen, sondern sehr ausführlich begründet, warum wir eigentlich Lust hätten, das Ganze weiterzuführen", sagt Berghammer. Das ist den Bayreuthern ja nach wie vor wichtig: klarzustellen, dass sie in ihren Augen Recht haben - auch wenn darüber nun kein Gericht befinden wird.

Haspo lässt die Sache nun auf sich beruhen. Die Mannschaft habe ja ihr Ziel, den Aufstieg, erreicht, sagt Berghammer. Jetzt stehe nur noch ein Fest mit den Fans aus, "eine gescheite Feier, auf der es richtig knallt", wie Berghammer sagt. Er weiß aber: In diesen Tagen ist eine solche Feier nicht umzusetzen. Nicht einmal, wenn Meyer-Siebert ein siebenseitiges Schreiben ausarbeitet.

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SZ vom 29.05.2020
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