Handball:Michael Haaß lacht wieder

14.12.2021 - Handball - DHB-Pokal - Saison 2021 2022 - Achtelfinale : HC Erlangen Metropolregion Nürnberg HCE - HSG Wet

Freude mit den Fans: Erlangens Linksaußen Christopher Bissel.

(Foto: Wolfgang Zink/imago)

Mit dem überragenden 31:19-Pokalsieg gegen Wetzlar zieht der HC Erlangen ins Pokalviertelfinale und beendet eine Serie von drei Niederlagen - ein Erfolg, der sich beruhigend auswirkt.

Von Sebastian Leisgang

Als Michael Haaß das Spielfeld betritt, lässt er es ruhig angehen. Er winkt den Leuten zu, die oben auf der Tribüne stehen, dann klatscht er mit dem Maskottchen ab und läuft gemächlichen Schrittes auf die andere Seite der Halle, dorthin, wo die Bank des HC Erlangen steht. Wer genau hinschaut, erkennt, dass es ein anderer Haaß ist als der, der sich zwei Stunden später vor den Fans auf den Boden setzen wird.

Dass Haaß angespannt ist, dass er weiß, dass es jetzt gleich um mehr geht als nur um einen Platz im Viertelfinale des Pokals, das lässt sich schon am Winken ausmachen. Es wirkt pflichtgemäß, man kann das an seinem Gesicht ablesen. Haaß lächelt nicht, er zieht die Mundwinkel nur kurz nach oben und presst die Lippen aneinander.

Zwei Stunden später, als Erlangen die HSG Wetzlar in einem mitreißenden Handballspiel 31:19 geschlagen hat, da sitzt Haaß vor dem Torpfosten und wird von den Fans besungen. Jetzt ist es geschafft, jetzt lacht Haaß. Seine Mannschaft hat auf imponierende Art und Weise gezeigt, zu was sie imstande ist. Sie hat fabelhaft verteidigt, und sie hat einen Gegner, gegen den sie vor nicht einmal zwei Wochen in der Bundesliga verloren hat, regelrecht in seine Einzelteile zerlegt.

Als auch die letzten Jubelschreie an diesem Dienstagabend verklungen sind, steht Carsten Bissel mitten auf dem Spielfeld und sagt: "Es ist immer Druck drauf. Der Trainer hat vom ersten bis zum letzten Spieltag Druck - der Mannschaftsarzt aber auch." Dass die Augen besonders auf Haaß gerichtet waren? Das will der Vorsitzende des Erlanger Aufsichtsrats nicht sagen. Bissel meint nur: "Was wir in den letzten Spielen gezeigt haben, war nicht das, was wir sehen wollen."

"Es ging nur darum, dass wir wieder in die Spur kommen", sagt Rechtsaußen Johannes Sellin

Drei vergebliche Anläufe hat der HCE zuletzt genommen, dreimal hat er verloren, doch das alleine ist es nicht, was die Erlanger in den vergangenen Tagen umgetrieben hat. Was sie beschäftigt hat, war vor allem das Wie, der Gesamteindruck nach mittlerweile 15 Bundesligaspielen. In der Tabelle stehen Haaß und seine Mannschaft mit 12:18 Punkten da, Rang 13, hinteres Mittelfeld, weit weg von jenen Plätzen, die inzwischen Erlangens Anspruch sein müssten.

Wie bedeutend es vor diesem Hintergrund war, Wetzlar am Dienstagabend zu schlagen, das ging auch aus den Aussagen von Johannes Sellin hervor. "Jedem im Verein ist ein kleiner Stein vom Herzen gefallen", sagte der Rechtsaußen. Und: "Es war das erste K.o.-Spiel, bei dem es uns gar nicht interessiert hat, dass es ein K.o.-Spiel ist - es ging nur darum, dass wir wieder in die Spur kommen."

Am Ende war es gerade die Art und Weise des Sieges, die sich ziemlich beruhigend auf die Erlanger Seele auswirkte. Dass die vergangenen Wochen Spuren hinterlassen hatten, dass eine Menge Druck auf Haaß und seinen Spielern lag, das spürte man von Anfang an. Wie schwer die Last war, kam vor allem in abseitigen Szenen zum Ausdruck, in Augenblicken wie diesen: Als Christoph Steinert nach ein paar Sekunden ein erstes Foul begeht, springen fast alle Ersatzspieler auf und jubeln ihm zu. Als Christopher Bissel wenig später an Wetzlars Torwart Till Klimpke scheitert, da greift Carsten Bissel mit beiden Händen nach einem Tribünengeländer und schreit vor Frust. Als Wetzlar in den letzten Minuten des Spiels nochmal eine Auszeit nimmt, reißt Sellin die Arme hoch und stößt einen lauten Jubelschrei aus. Alles Szenen, in denen sich einerseits zeigte, wie angeschlagen die Erlanger waren und was die vergangenen Wochen mit ihnen gemacht hatten - andererseits aber eben auch, wie sehr sie am Dienstagabend bei der Sache waren.

"Wir haben von der ersten Minute an genau das gemacht, was wir gefordert haben: Wir haben die Zweikämpfe gewonnen", sagte Carsten Bissel auf dem Feld der Erlanger Karl-Heinz-Hiersemann-Halle. Hier hatte der HCE mehr als sieben Jahre lang kein einziges Pflichtspiel mehr ausgetragen, nun war Erlangen zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte ins Viertelfinale des Pokals vorgedrungen.

Das aber war tatsächlich eher nachrangig. Im Vordergrund stand an diesem Dienstagabend die Erkenntnis: Die Erlanger können es ja doch.

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