Süddeutsche Zeitung

Handball: Meister HSV Hamburg:Mächtiger als Borussia Dortmund

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Der neue Handballmeister HSV Hamburg hat jahrelang vom großen THW Kiel gelernt. Dem FC Bayern des Handball ist damit ein bleibender Konkurrent erwachsen.

Carsten Eberts

Als Martin Schwalb der zentrale Satz des Abends einfiel, da stand er abgekämpft, heiser und biergeduscht in der geleerten Hamburger Handball-Arena. Noch Minuten zuvor hatte sein HSV Handball hier den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte gefeiert, am viertletzten Spieltag, mit einem Heimsieg gegen Gummersbach. "Das ist ein sehr, sehr tiefes Gefühl", sagte Schwalb schließlich, "weil ich weiß, wie lange dieser Weg war."

Noch vor Saisonbeginn hatte sich Schwalb anders angehört. Schwalb saß auf einer Hotelterrasse in Herrsching am Ammersee, zurückgelehnt und entspannt, nach der bislang erfolgreichsten Saison der Vereinsgeschichte. Nur einen Klub hatten die Hamburger zu diesem Zeitpunkt noch nicht übertrumpft: den THW Kiel. Über den sagte Schwalb: "Natürlich ist Kiel verdient Meister geworden. Sie waren deutlich konstanter als wir. Darauf kommt es immer noch an."

Wie der Fußball mit Borussia Dortmund erlebt auch der Handball einen neuen Deutschen Meister. Doch Handball ist zugegebenermaßen nicht Fußball. Eine Handball-Meisterschaft wird nicht maßgeblich in den Spitzenspielen zwischen Krösus und Herausforderer entschieden: Noch wichtiger ist, wer in den Partien gegen kleinere Gegner die wenigsten Punkte abgibt - trotz Verletzungen, kraftraubenden Europapokalspielen und Länderspieleinsätzen für die Nationalspieler.

Lange schaffte das einzig der THW Kiel. Niemand war konstanter und auf höherem Niveau eingespielt als der Rekordmeister. Sechs Meistertitel in sechs Jahren lähmten die Konkurrenz. Lange versuchte der HSV vergeblich, das Kieler Erfolgssystem zu adaptieren.

Ein bleibender Konkurrent

Erst jetzt hat der HSV aufgeschlossen - und Kiel sogar überholt. Auch Hamburg hat nun ein Team, das auf jeder Position doppelt gleichwertig besetzt ist. In dem es nicht auffällt, wenn einzelne Spieler angeschlagen oder müde von einem Europapokaleinsatz zurückkehren.

Die Hamburger Meisterschaft ist deshalb sehr hoch einzuordnen. Der HSV hat den Erfolg über neun Jahre hinweg strategisch geplant, nicht etwa ausschließlich davon profitiert, dass die Konkurrenz deutlich schlechter agierte als zuvor. Es ist, als hätte der FC Bayern 2010/11 eine richtig gute Saison gespielt, mit von der WM bestens regenerierten Spieler und ruhigem Umfeld - und trotzdem hieße der Deutsche Meister am Ende Borussia Dortmund.

Der FC Bayern hat es gut. Der Klub kann sich darauf verlassen, dass Dortmund nicht noch so eine fulminante Saison gelingen wird. Die ersten Spieler verlassen den Klub, Nuri Sahin ist schon weg, für Lucas Barrios und Mario Götze gibt es Interessenten. Der Überraschungsmeister hat eine schwere Saison vor sich.

Der THW Kiel kann sich darauf nicht verlassen. Hamburg hat seine stilprägenden Spieler langfristig gebunden, eine Abwerbe-Mentalität wie im Fußball gibt es im Handball noch nicht. Mit dem HSV ist ein bleibender Konkurrent erwachsen, der das Kieler Erfolgsmodell nahezu kopiert hat. Der THW kann nicht einfach eine bessere Saison spielen und wird automatisch wieder Meister. Besser kann es für den deutschen Handball gar nicht laufen.

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