Süddeutsche Zeitung

Handball-Bundesliga:Kieler Partycrasher

Der Zweite schlägt den Ersten: Im hitzigen Spitzenspiel mit allerlei Nickligkeiten gewinnt der THW Kiel beim SC Magdeburg - die Fans des SCM singen dennoch trotzig von der Meisterschaft.

Von Carsten Scheele

Am Ende stand Domagoj Duvnjak nur noch im Zentrum und dirigierte. Mit seinen langen Armen fing der Kroate des THW Kiel Ball um Ball ab, beförderte ihn nach vorne zu den davonsprintenden Mitspielern - gleich gefolgt vom nächsten Kommando, was die Kollegen nun bitte zu tun hätten. Duvnjak ist mittlerweile 33 Jahre alt, er agierte in diesen Momenten aber fast noch besser und gewinnbringender als vor neun Jahren, als er zum Welthandballer gewählt wurde.

Duvnjaks herausragende Leistung in der Schlussviertelstunde hat dieses Spitzenspiel der Handball-Bundesliga letztlich entschieden. 30:25 (17:15) siegte Kiel beim Tabellenführer SC Magdeburg, weil der SCM auf Duvnjak einfach keine Antworten mehr fand. "Ich ziehe den Hut vor meinen Jungs", sagte Kiels Trainer Filip Jicha, noch ganz heiser nach dem Spiel: "Wir waren nicht der Favorit heute, aber wir wollten die Party hier verhindern."

Für die Magdeburger ist es erst die zweite Niederlage dieser Saison, in Sachen Meisterschaft sieht es trotzdem sehr gut aus: Der SCM führt die Tabelle mit 44:4 Punkten weiterhin komfortabel an. "Das ist eine luxuriöse Situation, die wir uns erarbeitet haben", sagte Magdeburgs Trainer Bennett Wiegert.

Seltenes Bild im Handball: Gleich nach vier Minuten gibt es eine Rudelbildung um Wiencek und Weber

Auch die Kieler wären wohl noch voll drin im Meisterschaftsgeschehen, hätten sie nicht all diese ärgerlichen Niederlagen gesammelt: in Nettelstedt, in Wetzlar, dazu die Unentschieden gegen Berlin und Lemgo. Acht Punkte Rückstand auf den SCM waren es vor dem Spiel, ein ungehörig großer Abstand für den Rekordmeister. Nun sind es sechs - vermutlich immer noch zu viele, um noch einmal ernsthaft in den Kampf um die Meisterschaft einzutreten; Berlin ist einen Minuspunkt näher dran.

Zumal Magdeburg auch in diesem Spitzenspiel nie den Eindruck machte, als würde der von manchen Experten erwartete Einbruch in dieser Saison noch kommen. Magdeburg versuchte wie so oft, den Gegner in den ersten Minuten zu überrennen - und es war wieder ein höllisches Tempo, das der SCM veranschlagte. Doch Kiel hielt dagegen. Mit mehr als zwei Toren konnten sich die Magdeburger nicht absetzen; nach 19 Minuten schaffte der THW den Ausgleich, ein abgefälschter Ball von Duvnjak - das 10:10.

Bis zur Halbzeit zog der THW gar mit zwei Toren davon, immer wieder traf Sander Sagosen ins Magdeburger Tor, Kiels angehender Welthandballer. So oft die Kieler in dieser Saison gezaudert hatten, diesmal waren sie da: mit Sagosen (insgesamt neun Treffer), mit Duvnjak, auch mit Torwart Niklas Landin, der entscheidende Bälle parierte. "Wir wussten, dass der THW angepikst ist und solche Leistungen immer abrufen kann", sagte Wiegert. Vielleicht, mutmaßte der Trainer, war dieses Spiel "heute für uns auch zu emotional".

Am Ende singt das Magdeburger Publikum trotzdem von der Meisterschaft

Er meinte damit sicher auch die Szene gleich nach vier Minuten, als Patrick Wiencek am Boden lag. Rudelbildung gibt's im Handball normalerweise nicht, doch jetzt stürzten die Spieler beider Teams herbei. Was war passiert? Wiencek hatte einen Tempogegenstoß abgebrochen und einen Schrittfehler begangen, eigentlich keine Betrachtung wert, doch Magdeburgs Philipp Weber wollte ihm den Ball entreißen und traktierte ihn kräftig mit beiden Armen. Wiencek fiel zu Boden und konnte nicht sofort wieder aufstehen, weil Weber sich über ihm aufbaute.

Beide keiften sich an, was schon lustig anzusehen war, zumal Wiencek und Weber zwei eher besonnene Typen sind, die sich zudem aus der Nationalmannschaft sehr gut kennen. Ein Beleg für die große Emotionalität in diesem Gipfeltreffen. Weber erhielt eine Zwei-Minuten-Zeitstrafe, er entschuldigte sich prompt, Wiencek nahm an. Alles wieder gut, für diesen Moment.

Am Ende, als Kiel schon als Sieger feststand, erhitzten sich die Gemüter ein weiteres Mal. Ein Magdeburger Fan bahnte sich in der engen Halle den Weg zu Kiels Trainer Jicha, baute sich unten auf der Tribüne vor ihm auf und beschimpfte ihn mit wutverzerrtem Gesicht, ehe er zurückgehalten wurde. Der friedliche Teil des Magdeburger Publikums akzeptierte zwar die Kieler Dominanz an diesem Samstagabend, schickte aber einen trotzigen Gruß in Richtung Spielfeld. "Deutscher Meister wird nur der SCM", sangen sie. Trotz allem. Ätsch.

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