Handball:Landins Rausch

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Alles im Griff: Kiels Torwart Niklas Landin sorgt für Ordnung vor seinem Kasten und pariert knapp die Hälfte der Flensburger Würfe. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Der THW Kiel besiegt, ja phasenweise deklassiert seinen Rivalen aus Flensburg. Das gelingt vor allem dank der Reflexe des Torwarts.

Von Thomas Hürner, Kiel/Hamburg

Auf dieses Spiel hatte sogar der "König des Nordens" sehnlichst gewartet. Diesen gloriosen Beinamen trägt der Norweger Sander Sagosen, 25, für viele Beobachter der beste Handballer der Welt; seine neuen Mitspieler nennen ihn hingegen einfach nur "Saggy". Sagosen selbst wiederum hat kurz nach seiner Ankunft beim THW Kiel gesagt, dass er sich nun in der "besten Mannschaft der Welt" wähnt, und wo ließe sich so viel Extraklasse einer besseren Prüfung unterziehen als im Nordderby gegen die SG Flensburg-Handewitt?

Er wolle unbedingt dabei sein, hatte Sagosen vor dem 103. Duell der beiden Erzrivalen gesagt. Und Sagosen war dabei, obwohl sein Einsatz wegen eines Muskelfaserrisses im rechten Oberschenkel lange fraglich gewesen war. Zwar eher als Nebendarsteller denn als Hauptprotagonist, aber eben doch als solides Element in einer herausragenden Kieler Mannschaft. Am Ende gewann der THW mit 31:22 - es war ein Spiel, das zumindest phasenweise einer Demontage des Gegners gleichkam. In seiner Analyse machte der Flensburger Trainer Maik Machulla hinterher bei Sky drei Hauptfaktoren für die hohe Niederlage aus: zu wenig "Eingespieltheit" aufgrund vieler Ausfälle, mangelnde Chancenverwertung - und deshalb auch die Leistung des Kieler Torwarts Niklas Landin. Nicht viel anders hörte sich das bei THW-Trainer Filip Jicha an. "In einen Rausch" habe sich Landin gespielt, sagte Jicha.

Dabei hatten einige der rund 2400 Zuschauer in der Kieler Ostseehalle vielleicht noch ein ausgeklügeltes Täuschungsmanöver vermutet, als Sagosen vor der Partie Landin mit ein paar Würfen warm machte, denn auch der Einsatz des dänischen Torwarts hatte zuletzt nicht gerade als wahrscheinlich gegolten. Landin hatte sich noch vor drei Wochen einer Meniskus-Operation unterzogen. Dass die beiden Rekonvaleszenten so schnell wieder dabei waren, dürfte zum einen mit der besonderen Bedeutung des Nordderbys zu tun gehabt haben. Die Kieler hatten aber auch einen eher missratenen Saisonstart gutzumachen; vor der Partie gegen Flensburg hatte es noch eine Niederlage mit neun Toren Unterschied gegen die HSG Wetzlar gegeben.

Im Spiel gegen Flensburg hingegen deutete sich schon früh an, dass die Kieler diesmal konzentrierter zu Werke gehen würden. In der ersten Hälfte blieben die Kräfte noch einigermaßen gleichmäßig verteilt, es waren Nuancen, die den Unterschied ausmachten. Der Mittelblock um Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler stand sicher gegen die Flensburger Rückraumspieler, und wenn die Gäste zu ihren Abschlüssen kamen, dann hatten sie ja noch Landin zu überwinden. Zehn Paraden standen zur Halbzeit auf dem Konto des Kieler Torwarts. Zum Vergleich: Sein Flensburger Pendant Torbjörn Bergerud konnte vier Schüsse entschärfen. "So gut, wie das heute gelaufen ist", sagte Landin hinterher, "das hätte ich selber nicht erwartet." Die Stärken der Kieler verortete er aber nicht nur bei sich. "Wir waren stark im Tempospiel, bei Gegenstößen und bei den zweiten Bällen", so Landin. Nach 21 Minuten lagen die Kieler erstmals mit vier Treffern in Führung, bis zur Halbzeit konnte Flensburg aber auf zwei Treffer verkürzen.

Es wäre also noch etwas drin gewesen für die Gäste, wenn sie nach der Pause eine ähnliche Offensivgewalt auf die Platte gebracht hätten wie Kiel. Mit einem 7:0-Lauf in sieben Minuten kam der THW aus der Kabine, daran hatte auch der bis dahin eher unauffällige Sagosen seinen Anteil. Am Ende hatte der Norweger ein Tor und vier Vorlagen vorzuweisen. "Ich freue mich, dass ich zurück bin", sagte er nach der Partie. Wie ein König des Nordens hat Sagosen zwar noch nicht gespielt. Dafür war aber diesmal sein Teamkollege Landin nahe dran.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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