Handball:Wie spielen die Handballer ohne Knorr und Köster?

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Handball-Bundestrainer Alfred Gislason hat momentan einige Verletzungssorgen. (Foto: Alex Davidson/Getty)

Bundestrainer Gislason muss genau dies in zwei Länderspielen herausfinden. Und dann gibt es noch Verwirrung um eine mögliche Rücktrittsankündigung.

Von Carsten Scheele

Schockschwerenot, der Bundestrainer hört auf, die Nachricht geisterte Anfang der Woche durch die Nachrichtenagenturen. Doch Alfred Gislason, 65, hat bloß sein süffisantes Grinsen aufgesetzt, das er immer dann wählt, wenn er die Aufregung um eine Sache nicht ganz nachvollziehen kann. Ja, er habe in einem Interview in einem Nebensatz erwähnt, dass nach der Heim-WM 2027 vermutlich Schluss sei für ihn als Bundestrainer. Aber das sei „eigentlich überhaupt keine Nachricht“, sagte der Isländer.

Erstens sei sein Vertrag beim Deutschen Handballbund (DHB) für genau diesen Zyklus bis zur Weltmeisterschaft im eigenen Land verlängert worden. Zweitens seien drei Jahre bis 2027 eine verdammt lange Zeit. Der neue Nationalmannschaftsmanager Benjamin Chatton gab sich ebenfalls amüsiert ob der Dringlichkeit der Nachfragen. Alles in Ordnung, sagte Chatton: „Solange Alfred keinen Antrag auf Altersteilzeit stellt...“

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Altersteilzeit, ein kleiner Witz ganz nach Gislasons Geschmack. Eine Lame-Duck-Diskussion um seinen sehr erfahrenen Bundestrainer hat der DHB damit gerade noch vermieden. Es gibt ja wirklich Wichtigeres als die Frage, ob man sich in drei Jahren einen neuen Bundestrainer suchen muss (oder ob sich Gislason doch noch einmal überreden lässt). Zuvorderst die beiden Länderspiele am Donnerstag in Mannheim gegen die Schweiz (18.30 Uhr, sportschau.de) und am Sonntag in der Türkei (15.10 Uhr, ARD), die nicht deshalb besonders sind, weil mit ihnen die EM-Qualifikation beginnt. Einen der ersten beiden Plätze in der Quali-Gruppe mit der Schweiz, Türkei und Österreich sollte man notfalls auch mit dem U21-Team hinbekommen.

Max Beneke ist ein großes Talent, für ihn könnte die WM aber noch zu früh kommen

Dringlicher ist, dass sich die Nationalmannschaft endlich einmal wieder trifft nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Paris. Genaugenommen ist es die einzige Gelegenheit für Gislason, die Automatismen zu schärfen oder etwas auszuprobieren, ehe die Auswahl Ende Dezember zur unmittelbaren WM-Vorbereitung zusammenkommt. Ideal ist das gewiss nicht, und jetzt hat sich auch noch ein stattlicher Teil der Stammformation, im Handball spricht man von der ersten Sieben, verletzt abgemeldet.

Prinzipiell ist Gislason heilfroh, dass der Umbruch im Team so gut funktioniert hat. Platz zwei bei Olympia war nicht mal eingeplant, da hat seine junge Mannschaft sehr überrascht. Doch um Fixpunkte wie Mittelmann Juri Knorr, Abwehrchef Julian Köster und Rückraumspieler Renars Uscins hat sich schneller als erwartet eine Mannschaft formiert, die nicht nur dem Bundestrainer viel Freude bereitet. Unvergessen, wie die Deutschen bei Olympia im Viertelfinale die Franzosen in die Verlängerung zwangen: In einer irrwitzigen Situation hatte Köster vier Sekunden vor der Schlusssirene mit seinen elendig langen Armen einen Ball der Franzosen abgefangen und zu Uscins gepasst, der ihn mit der Schlusssirene zum Ausgleich im Tor unterbrachte. In der Verlängerung siegte Deutschland 35:34.

Doch jetzt ist Uscins der Einzige aus der Hochbegabtenkombo, der für die Länderspiele an Bord ist. Knorr laboriert an einer Daumenverletzung, Köster an einem Innenbandriss. Auch Philipp Weber, der in Magdeburg eine starke Saison spielt und als Ersatz für Knorr infrage gekommen wäre, ist verletzt, ebenso Franz Semper. Also muss Gislason mehr basteln, als ihm lieb ist, so kehren Rechtsaußen Timo Kastening (MT Melsungen) sowie die Mittelleute Nils Lichtlein (Füchse Berlin) und Lukas Stutzke (TSV Hannover-Burgdorf) ins Nationalteam zurück. In der Abwehrmitte muss er zudem einen neuen Innenblock bauen – ohne Köster. In Max Beneke, ebenfalls Füchse Berlin, nimmt der Isländer außerdem ein hoch veranlagtes Talent mit, an dem der deutsche Handball künftig viel Freude haben dürfte, auch wenn die anstehende WM für den rechten Rückraumspieler zu früh kommen dürfte.

Kurz vor der WM wäre Gislason eine konzentrierte Kaderarbeit mit der eingespielten Truppe lieber gewesen. Man müsse „schnell in die Spur kommen“, sagte Gislason beim Lehrgang in Großwallstadt: „Gerade die Spieler, die von der Bank kommen, sind nicht eingespielt.“ Jede Trainingseinheit sei deshalb wichtig. Der letzte Auftritt gegen die Schweiz ist dem DHB-Team noch in guter Erinnerung: Beim Weltrekordspiel zum Auftakt der Heim-EM 2024 im Düsseldorfer Fußballstadion fertigte man das Nachbarland 27:14 ab – allerdings mit Knorr und Köster. Ohne sie könnte es anstrengender werden.

Zu seiner Zukunft als Trainer hat Gislason doch noch etwas mit Substanz gesagt. Er wolle – so viel zum Thema Altersteilzeit – auf jeden Fall Trainer bleiben, auch wenn er im Jahr 2027 schon 68 Jahre alt sein wird. „Fakt ist, ich habe mal versucht, aufzuhören mit Handball“, sagte Gislason. Das war 2019, als er nach elf Jahren den THW Kiel verlassen hatte. Sein Fazit: „Ging nicht.“

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