Handball-Klub-WM in Katar:Hitze wie eine weiße Wand

JOhannes Bitter

Hitze in Doha: Johannes Bitter (rechts) hat dieses Bild bei Facebook gepostet.

(Foto: Quelle: Facebook)

Fast 40 Grad, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit, überall Klimaanlagen: Die Handballer des HSV Hamburg wollen in Doha Klub-Weltmeister werden. Sie erleben ein skurriles Abenteuer mit einer Studententruppe aus Sydney und den unwirtlichen Bedingungen im Wüstenemirat.

Von Carsten Eberts

Johannes Bitter hat bei Facebook ein Bild gepostet. Mit seinem Torwartkollegen Marcus Cleverly steht er vor dem Mannschaftshotel in Doha, sie tragen blaue Polo-Shirts, beide kneifen die Augen zusammen, so sehr brennt die Sonne herab. Man könne sich gar nicht vorstellen, wie heiß es in Doha ist, schreibt Bitter unter das Foto: "Es fühlt sich an wie ein Saunagang..."

Die Handballer des HSV Hamburg erleben gerade ein skurriles Abenteuer. Während daheim in Deutschland die Bundesliga allmählich ihren Betrieb aufnimmt, ist der HSV als Champions-League-Sieger zur Klub-WM ins Wüstenemirat Katar gereist. Sportlich verläuft das Turnier bislang passabel, am Dienstagabend siegte der HSV knapp 30:29 (18:15) gegen den katarischen Klub Al-Sadd SC und steht als Gruppensieger im Halbfinale. Am Ende könnte der HSV erstmals Klub-Weltmeister sein, ein satter Siegerscheck über 400.000 Dollar winkt.

Klingt nach einem netten Ausflug in ein exotisches Land, finanziell lukrativ obendrein. Wäre da nicht diese Hitze.

Schon bei der Ankunft am Flughafen wurden die Spieler fast erschlagen. Fast 40 Grad Celsius, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit machen jeden Schritt im Freien zur Tortur. "Es fühlt sich an, als läufst du gegen eine weiße Wand", erzählt Bitter. Katar liegt am Persischen Golf, mitten in der Wüste. Hier soll im Sommer 2022 eine Fußball-WM stattfinden?

"Ich kann mit das überhaupt nicht vorstellen", sagt Bitter. Es geht ja nicht nur um die Spiele, die laut Fifa-Plan in klimatisierten Stadien stattfinden sollen. Sondern auch um die Fans, die von ihren Hotels an die Spielstätten gelangen müssen. Gerade hat sich Fifa-Präsident Blatter zu Wort gemeldet und abermals eine Verlegung der Sommer-WM in den Winter in Aussicht gestellt. "In diesem Klima ist kein attraktiver Hochleistungssport möglich", findet auch Bitter.

So retten sich die Handballer von Klimaanlage zu Klimaanlage. Vom Hotelzimmer in die Lobby, von dort in den Bus, nach der Ankunft in der Al-Gharafa Sports Hall direkt in die Umkleidekabine. In der Halle herrschen angenehme 20 Grad, es ist manchmal sogar kühler als in Deutschland. "Du kriegst gar nicht mit, wo du gerade bist", sagt Bitter. Trainer Martin Schwalb witzelte, er müsse keinen seiner Spieler warnen, die klimatisierten Bereiche zu verlassen: "Nach zehn Metern kehrt er ohnehin um."

Die größten Exoten sind raus

Auch abgesehen von den Temperaturen erlebt der HSV ein wenig alltägliches Turnier. Nicht, dass es in Katar amateurhaft zugehen würde: Die Hallen sind zwar klein, haben jedoch durchaus europäisches Niveau. Über 1000 Zuschauer kommen zu den meisten Spielen, auf den Tribünen sitzen jedoch nur Männer und Jungen. "Frauen habe ich auf den Tribünen noch nicht gesehen", sagt Bitter. Sportveranstaltungen sind im Wüstenemirat Männersache. Bei der Handball-WM, die im Winter 2015 hier stattfindet, wird es kaum anders sein.

Sportlich sind die größten Exoten bereits ausgeschieden. Die Studententruppe von Sydney University HC blieb im Vorrundenspiel gegen den HSV 14 Minuten ohne eigenen Torerfolg, brachte es in der ersten Halbzeit auf ganze vier Tore. Ebenso ausgeschieden ist Handebol Taubaté aus Brasilien, das gegen den FC Barcelona eine ähnliche Klatsche erhielt wie Sydney gegen Hamburg. Doch so ist das bei der Klub-WM: Jeder Kontinentalverband darf einen Vertreter schicken, auch wenn die Mannschaft ohne Chance ist.

Besseres Niveau haben die Vertreter aus Katar und Tunesien, die sich teilweise mit europäischen Gastspielern verstärkt haben. So steht Ex-HSV-Keeper Dan Beutler bei El Jaish im Tor, der Isländer Olafur Stefansson läuft für Asiens Champions-League-Sieger Al Rayyan auf. Der Internationale Handballverband sieht diese Art von WM-Tourismus nicht gerne und will künftig dagegen vorgehen. Doch das sportliche Niveau steigt.

"Das hier ist kein Halligalli-Turnier", findet Bitter. Im Halbfinale gegen den tunesische Spitzenklub Etoile Sportive du Sahel muss der HSV zumindest eine ordentliche Leistung abrufen, will er das Endspiel erreichen. Im Finale kommt es wahrscheinlich zum großen Duell mit dem FC Barcelona, die Neuauflage des Champions-League-Finals vor zweieinhalb Monaten, das der HSV gewann. Dann ist endgültig keine Zeit mehr für Halligalli, dann wird Handball auf europäischen Topniveau gespielt.

An diesem Mittwoch haben die HSV-Handballer ihren freien Tag. Bitter und seine Kollegen werden mit dem Bus (klimatisiert!) in ein großes Shoppingcenter (klimatisiert!) gefahren, vielleicht auch in ein benachbartes Hotel (natürlich klimatisiert!), um möglichst wenig Zeit unter der prallen Sonne verbringen zu müssen. Es geht weiter, von Klimaanlage zu Klimaanlage. Bis zum Rückflug ins wohltemperierte Hamburg.

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