Handball:In der Lücke

DKB Handball Bundesliga Herren 12 Spieltag in der HUK COBURG Arena in Coburg Saison 2016 2017 HSC 2

Erlebnis vor vollen Rängen: Stefan Lex (rechts) und seine Coburger Kollegen mussten Kiels klare Überlegenheit anerkennen.

(Foto: Peter Kolb/imago)

Coburgs Handballer sind gegen Kiel erwartungsgemäß chancenlos.

Von Ralf Tögel

Andreas Wolff war der entscheidende Mann. Seine Paraden sicherten den hauchdünnen 24:23-Heimsieg des THW Kiel gegen die SG Flensburg-Handewitt, in diesem so prestigebeladenen Nordderby der ewigen Kontrahenten. Lange sah es vor mehr als 10 000 Zuschauern schlecht aus, Flensburg spielte souverän, war dem Rekordmeister zwischenzeitlich auf sechs Tore einteilt. Dann kam Nationaltorhüter Wolff. Kiel hat das Spiel umgebogen, Flensburg die erste Niederlage beigebracht und sich damit selbst an die Spitze gesetzt. Ein starkes Zeichen, zweifellos.

Ortswechsel, Coburg, drei Tage später, wieder eine volle Halle, prächtige Stimmung. Wieder gewinnt der THW Kiel, dieses Mal deutlich mit 30:23 Toren. Andreas Wolff? Sitzt auf der Bank. Das allein sagt viel über die Möglichkeiten der Kieler aus, sie konnten es sich leisten, dem Matchwinner vom Sonntag ein Päuschen zu gönnen. Dass aber nicht etwa ein talentierter Azubi seinen Platz einnahm, sondern Niklas Landin, verdeutlicht, dass der THW im Vergleich zu Coburg eine andere Welt ist. Landin, das muss man wissen, hat Dänemark in Rio zur Goldmedaille geführt und streitet sich derzeit mit Europameister Andreas Wolff um den Stammplatz im Kieler Tor.

"Es ist schon brutal, was die draufhaben", staunt der Torwart

Von solchen Problemen kann Coburgs Trainer Jan Gorr nur träumen, er befehligt den Tabellenletzten. Dass das Spiel gegen Kiel an der unschönen Position nichts ändern würde, war wohl allen Beteiligten schon vor dem Anpfiff bewusst. Dass die Kieler aber derart schnell und nachdrücklich daran erinnerten, kam dann doch überraschend. Noch keine zehn Minuten waren gespielt, da führten die Gäste 7:1, Gorr hatte bereits eine Auszeit genommen und versucht, seine Spieler wachzubrüllen. Was immerhin einigermaßen gelang, denn fortan schaffte es Coburg immerhin, das drohende Debakel zu verhindern. Die Kieler Auswahl an Extrakönnern freilich hielt den Abstand stabil, sie hatten das Nötigste schon in der Anfangsphase erledigt. Die Coburger schienen beeindruckt ob der schieren Klasse ihrer Kontrahenten: "Es war ein besonderes Spiel", sagte HSC-Rechtsaußen Lukas Wucherpfennig, was nicht nur an seinen drei Treffern lag, oder dass er vom THW nach Coburg gewechselt war. Und ja, vielleicht habe man zu viel Respekt gehabt in den ersten Minuten. Torhüter Oliver Krechel wurde deutlicher: "Es ist schon brutal, was die draufhaben."

Egal wie man es sehen will, der HSC hatte Probleme im Positionsspiel, spielte überhastet, machte Fehler. "Kiel ist wohl die Mannschaft, die Ballverluste am härtesten und direktesten bestraft", sagt Jan Gorr. Was auch am erlesenen Personal liegen mag, jedenfalls warfen Schwedens National-Rechtsaußen Niclas Ekberg, die Europameister Patrick Wiencek und Steffen Weinhold sowie der österreichische Auswahlspieler Raul Santos den vorentscheidenden Vorsprung heraus. Freundlich unterstützt von Keeper Landin, der sich wie erwähnt im Konkurrenzkampf der beiden wohl weltbesten Torhüter beweisen muss. HSC-Trainer Gorr erinnert aber daran, dass man die restlichen 50 Minuten immerhin habe mithalten konnte, trotz dem seiner Ansicht erkennbaren Bemühen der Kieler, im Titelkampf "ein Torepolster herauszuwerfen". Kollege Alfred Gislason wollte dem nicht widersprechen, der Isländer zeigte sich vielmehr sehr zufrieden, dass seine Mannschaft die vermeintlich leichte Aufgabe mit dem notwendigen Arbeitsethos anging: "Wir hatten schon Respekt."

Lemgo hat gewonnen und ist nun zwei Zähler besser als der HSC

Neben den Nettigkeiten bleibt den Coburgern aber auch die Bestätigung, ein "weiteres taktisches Element" im Repertoire zu haben. Gorr hatte seinen Linksaußen Steffen Coßbau phasenweise durch einen zweiten Kreisläufer ersetzt: "Wir wollten Kiel vor eine ungewohnte Aufgabe stellen", erklärte der Trainer, "das war ein ganz guter Test." Was selbstredend nicht bedeute, er habe der Partie gegen den Meisterfavoriten von vorneherein Übungscharakter gegeben. Die Oberfranken bleiben vielmehr realistisch - und mit vier Zählern Schlusslicht. Gorr hat natürlich den Sieg von Lemgo zur Kenntnis genommen, das nun zwei Punkte besser ist als der HSC. Der Abstand zum ersten Nichtabstiegsplatz dagegen bleibt bei drei Zählern, viel wichtiger ist dem Coburger Chefcoach aber die Entwicklung in der Mannschaft: "Wir haben realisiert, dass die Unterschiede teilweise sehr groß sind. Aber die Mannschaft sieht das weiterhin als Motivation, diese Lücke zu verkleinern."

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