Handball in den USA:Wasserball ohne Wasser

Viele Amerikaner wissen nicht einmal, dass es Handball überhaupt gibt. Ein Deutscher hat es geschafft, im Speckgürtel von San Francisco eines der besten Teams des Landes aufzubauen - aller Widrigkeiten zum Trotz.

Carsten Eberts

Wer als Handballer eine nationale Meisterschaft gewinnen will, muss nur in die USA auswandern. Das ist natürlich böse formuliert, doch tatsächlich sind die USA eines der Länder, in denen die Handball-Konkurrenz überschaubar ist. Um zu den besten Mannschaften der USA zu gehören, braucht es keine lange Meisterschaft, tägliches Training oder herausragende Spieler. Im Grunde muss man einfach nur da sein - und sich dann nicht so blöd anstellen.

Handball USA

Handball in den USA: In Chicago spielt Meister Los Angeles gegen die US-Nationalmannschaft.

(Foto: imago sportfotodienst)

So wie die Mannschaft von Cal Heat aus dem Speckgürtel von San Francisco. Hier spielen hauptsächlich europäische Auswanderer - aus Deutschland, Frankreich und Polen, auch ein Russe ist dabei. Sven Mayer, 37, ist ihr Spielertrainer und Manager, er stammt aus Lüdenscheid in Nordrhein-Westfalen, war bei den Stadtklubs Rot-Weiß und HSG Lüdenscheid aktiv. Schon kurz nach dem Studium in den USA spielte er drei Jahre für Cal Heat, vor fünf Jahren zog es ihn endgültig nach San Francisco. "Ich wollte hier auf meinen Sport einfach nicht verzichten", sagt Mayer, "heute helfe ich mit, Cal Heat am Leben zu halten."

Cal Heat war einige Jahre lang das beste Team im Westen der USA, wurde bei den nationalen Meisterschaften zweimal Dritter. Nun hat ihnen ein Konkurrent ein wenig den Rang abgelaufen - ausgerechnet das Team aus Los Angeles, der anderen Metropole in Kalifornien. Bei den Meisterschaften 2010 in Las Vegas holte Los Angeles überraschend den Titel, Cal Heat wurde Fünfter. Mayer sieht es sportlich: "Die haben kurzerhand zwei Teams zusammengelegt. Da haben wir natürlich keine Chance."

Nun ist es nicht so, dass die beiden kalifornischen Teams Handball von einem anderen Stern spielen. Vielmehr: Es gibt im Westen kaum andere Gegner, insgesamt nur zehn Klubs in ganz Kalifornien, in Arizona gar nur einen einzigen, in Kansas ebenso. Erst im Finalturnier treffen die Klubs aus San Francisco und Los Angeles dann auf andere gute Teams des Landes - aus Chicago, Atlanta oder Boston.

Als Deutscher muss man sich an die amerikanischen Verhältnisse erst mal gewöhnen. In Deutschland ist Handball der Mannschaftssport Nummer zwei hinter Fußball. Der deutsche Verband hat über 800.000 Mitglieder, etwa 33.000 Mannschaften teilen sich auf rund 4600 Vereine auf. Der Verband ist der größte der Welt, die Bundesliga die stärkste überhaupt. Gäbe es den Fußball nicht, wäre Handball Volkssport.

"In den USA", sagt Mayer, "da kommt Handball vielleicht an Nummer 20." Hinter American Football, Basketball und Eishockey, natürlich, aber auch hinter Leichtathletik, Volleyball oder sogar Lacrosse. Höchstens wer für Basketball oder Football nicht talentiert genug ist, findet über Umwege zum Handball. Im Westen kennen viele Menschen den Sport überhaupt nicht. Mayer hat sich daran gewöhnt: "Ich sage dann, Handball ist am ehestens wie Wasserball." Er lacht: "Nur ohne Wasser."

Damit Handball in den USA eine funktionierende Sportart wird, bedarf es grundlegender Dinge. Es fehlt an Nachwuchs, einem Ligensystem, vor allem jedoch an einer Grundpopularität im Land. 1993, bei der WM in Schweden, gelang der Männer-Nationalmannschaft ihre beste Platzierung - es reichte zu Platz 16 von 16 Mannschaften. Von einer eigenen Profiliga ist das Land meilenweit entfernt.

Vorherrschaft in Kalifornien

In Europa stellt man sich die Eroberung des riesigen Marktes in den USA bisweilen romantisch vor. Man müsse schließlich nur dafür sorgen, dass Handball dort populärer wird, dann würden die Spektakel-liebenden Amerikaner schon anbeißen. Handball ist schließlich ein ungemein schnelles Spiel, die Sportler sind athletisch, es fallen viele Tore.

Handball USA Cal Heat

Handball in San Francisco: Cal Heat (schwarze Trikots) gehört zu den besten Mannschaften der USA.

Als sich die deutsche und polnische Nationalmannschaft im Sommer bereit erklärten, in Chicago ein Werbespiel zu veranstalten, wurde dies in Europa als Aufbruch verkauft. Deutschland gegen Polen in der riesigen UCI-Pavillon von Chicago, zwei der besten Teams der Welt in Bestbesetzung - mit Pascal Hens, Lars Kaufmann oder den polnischen Brüdern Krzysztof und Marcin Lijewski. Ein großes Ding? Die Bundesliga (HBL) verkaufte das Spiel als Einstieg den attraktivsten Werbemarkt der Welt.

Spielertrainer Mayer erzählt, wie dieses Spiel bei ihm im Westen wahrgenommen wurde: Gar nicht. "Nur die Handballgemeinde hat sich dafür interessiert. Und die ist sehr klein", sagt er. Das Spiel war zwar ausverkauft, das lag jedoch an der großen polnischen Landsmannschaft, die sich rund um Chicago angesiedelt hat.

Bei Cal Heat kennen sie diese Probleme auch. Trotz einer Kooperation mit einer örtlichen Junior High School fehlt es ihnen an Nachwuchs. Um mehr Spielpraxis zu bekommen, veranstaltet der Klub jeden Januar den "California Cup" gegen japanische, mexikanische oder kanadische Teams. Für Cal Heat ist es einer der Höhepunkte des Jahres.

Neben den amerikanischen Meisterschaften natürlich. Spielertrainer Mayer hat die Mannschaft im vergangenen Jahr auf Rang fünf geführt. "Wir hoffen sehr stark, dass es diesmal wieder zu einer Medaille reicht", sagt Mayer. Nicht unwichtig auch, was die Konkurrenz aus Los Angeles diesmal anstellt: Es geht schließlich um die Vorherrschaft in Handball-Kalifornien.

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