Topspiel der Handball-Bundesliga„Das ist schon brutal“

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Zehn Treffer in den ersten zehn Versuchen: Der Berliner Mathias Gidsel überragt, aber nur in der ersten Halbzeit.
Zehn Treffer in den ersten zehn Versuchen: Der Berliner Mathias Gidsel überragt, aber nur in der ersten Halbzeit. (Foto: Daniel Lakomski/mix1/Imago)

Beim hochklassigen 31:31 demonstrieren die Füchse Berlin und der SC Magdeburg das außergewöhnlich hohe Niveau in der Handball-Bundesliga. Sie zeigen aber auch, welchen Preis die Topmannschaften aktuell bezahlen.

Von Ralf Tögel, Berlin

Es war eine gute Nachricht für den deutschen Handball, die sich da am Sonntagabend im Bezirk Prenzlauer Berg manifestierte: Mathias Gidsel ist doch nur ein Mensch. In den ersten 30 Minuten des Bundesliga-Topspiels zwischen den Füchsen Berlin und dem deutschen Meister SC Magdeburg hatte man fast vermuten können, dass auf dem Spielfeld der Max-Schmeling-Halle ein Handball-Roboter seine unglaublichen Möglichkeiten demonstriert hatte. Und diese „Maschine“, wie ihn Füchse-Sportvorstand Stefan Kretschmar später bezeichnete, wird im Januar bei der Weltmeisterschaft mit großer Wahrscheinlichkeit auch gegen Deutschland antreten - keine sportlich schöne Vorstellung, wie das deutsche Team schon bei der 26:39-Niederlage im Olympiafinale von Paris hatte erfahren müssen.

Der dänische Welthandballer Gidsel dominierte das Geschehen inmitten dieser Ansammlung an Weltklassespielern derart, dass die Magdeburger Abwehr phasenweise hilflos gegen die Offensivwucht des Linkshänders wirkte. Gidsel, 25, erzielte Tore mit glasharten Würfen aus dem Rückraum, vollendete Tempogegenstöße mit chirurgischer Präzision, überraschte die gegnerische Defensive mit blitzschnellen Schlagwürfen und traf einmal sogar mit dem Rücken zum Tor. In Eins-gegen-eins-Duellen sei er ohnehin kaum zu halten, stellte Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert fest. Zehn Treffer bei zehn Versuchen gelangen dem Rückraumspieler in der ersten Halbzeit, Berlin war schon deutlich auf 23:17 davongezogen.

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Mathias Gidsel ist dabei, Mikkel Hansen bei den Dänen als prägenden Spieler abzulösen. Sein Trainer ist begeistert, will die Euphorie aber lieber bremsen.

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Die gute Nachricht für den deutschen Handball? In der zweiten Halbzeit fand die Magdeburger Abwehr einen Weg, Gidsels zweiten Teil der Performance weitgehend zu unterbinden. Mit Blick auf die WM gibt es also Hoffnung, den zuletzt übermächtigen Dänen doch wirksam begegnen zu können. Magdeburg schaffte es jedenfalls, ein 31:31 ins Ziel zu retten, wobei die Gäste sogar mit dem letzten Angriff die Möglichkeit zum Sieg hatten. Wiegert sah ein „von der ersten Minute an superintensives Spiel“, er hätte es auch als Werbung für den Handball bezeichnen können: 9000 begeisterte Zuschauer aus beiden Lagern, zwei Rivalen auf Augenhöhe, Handballkunst auf höchstem Niveau.

Dass Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning hernach gegen die Schiedsrichter wütete und Protest wegen eines nicht gegebenen, seiner Meinung nach regulären Treffers des Füchse-Spielers Lasse Andersson einlegte, war nur ein kleiner Schönheitsfehler. Trainer Jaron Siewert jedenfalls gab diesem Protest wenig Aussicht auf Erfolg, zumal er sich „nicht vorstellen kann, wann man das Spiel nachholt“. Viel zu eng ist der Terminkalender gesetzt.

Das Spiel der deutschen Champions-League-Teilnehmer ist in der Bundesliga nur ein Verfolgerduell

Aller Klasse und Intensität zum Trotz handelte es sich beim Spiel der beiden Champions-League-Vertreter nur um ein Verfolgerduell, denn Berlin ist mit zwei Punkten Abstand Tabellendritter, Magdeburg mit einem Zähler und einem Spiel weniger Sechster. Der Meister befindet sich in einer schwierigen Situation, Wiegert muss verletzungsbedingt konstant improvisieren. Neben Felix Claar und Nationalspieler Tim Hornke fehlte in Berlin im Isländer Omar Ingi Magnusson sein wichtigster Torschütze. Philipp Weber saß zwar auf der Bank, blieb aber angeschlagen draußen. Den Füchsen ergeht es im Dezember dieses ungemein intensiven Handballjahres kaum besser: Für Jerry Tollbring ist die Saison (Kreuzbandriss) beendet, für Paul Drux sogar die Karriere wegen eines Knorpelschadens, am Sonntag fehlte Tobias Reichmann verletzt. Er habe ein paar angeschlagene Spieler aufs Feld schicken müssen, beschrieb Coach Siewert seine Not.

Und: Die Konkurrenz wird besser. An der Tabellenspitze stehen gleichauf die MT Melsungen und der TSV Hannover-Burgdorf (beide 22:4 Punkte) zwei punktgleiche Teams, vor dem SCM liegen auch noch Flensburg und Kiel, zwei Traditionsklubs, die den Anspruch auf den Titel in ihrer Vereins-DNA tragen. Und hinter dem Meister lauern die wiedererstarkten Gummersbacher und die Rhein-Neckar Löwen, alles Gegner mit ähnlichem Leistungsvermögen. Dass die Bundesliga die „mit Abstand“ beste Liga der Welt ist, wie Paul Drux erklärt, äußert sich auch darin, dass „alle Mannschaften so stark besetzt sind, dass du immer voll da sein musst, wenn du gewinnen willst“.

Zudem werden die Topteams neben den Europapokalspielen auch durch das Abstellen der Nationalspieler belastet, die jedes Jahr mindestens ein Großturnier spielen. In einem Jahr mit Olympischen Sommerspielen wie 2024 sind die Profis über dem Limit, Verletzungen sind die Folge – gut zu sehen am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle.

Und die Handballer der Bundesliga selbst? Wollen nicht jammern

Es ist ein bekanntes Problem, für das auch Füchse-Sportchef Stefan Kretzschmar keine Lösung hat: „Das ist schon brutal, gerade für Mannschaften wie uns oder Magdeburg, die auch Champions League spielen. Es ist aller Ehren wert, was die Topspieler da abrufen, das ist nicht selbstverständlich.“ Der ehemalige Nationalspieler kennt diese Probleme „seit zehn Jahren“, die einzige kurzfristige Lösung sieht er darin, „die Kader zu vergrößern“. An die WM im Januar will Kretzschmar noch gar nicht denken, er könne „nur hoffen, dass alle gesund zurückkommen“.

Und die Spieler selbst? Wollen nicht jammern. Auf die Frage, ob ihn in der zweiten Halbzeit die Kräfte verlassen hätten, winkte Mathias Gidsel ab: „Ach, es ist immer einfach zu sagen, es lag an der Kraft. Ich hatte nicht das Gefühl.“ Nach der Pause gelang Gidsel nur noch ein Tor. „Ich glaube, das haben sie besprochen in der Halbzeit“, sagte Gidsel, „sie haben mich mehr gedoppelt, und wir haben es nicht mehr geschafft, bessere Lösungen zu finden.“

Das lag vornehmlich am Magdeburger Kreisläufer Magnus Saugstrup, der ebenfalls groß aufspielte, fünf Tore erzielte und Gidsel wirksam stoppte. Saugstrup im Übrigen ist ein Kumpel von Gidsel, gilt als einer der weltweit besten Abwehrspieler – und spielt natürlich in der dänischen Nationalmannschaft. Das ist keine gute Nachricht für den deutschen Handball.

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