Markus Gaugisch kommt schnell zur Sache, er hat auch nicht viel Zeit zu vergeuden. Derzeit bereitet der Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft seine Handballerinnen bei einem Kurzlehrgang in Großwallstadt auf die bevorstehende Europameisterschaft im kommenden November vor. Der Frage nach Zielen im kontinentalen Wettbewerb begegnet der 50-Jährige mit seinem ersten Satz: „An der Ausgangslage hat sich nichts geändert.“
Bei den Olympischen Spielen, für die sich das deutsche Team erstmals seit 16 Jahren hatte wieder qualifizieren können, sollte der nächste Schritt in Richtung der dominierenden Mächte im internationalen Frauenhandball gelingen. Nicht zuletzt die starken Leistungen bei der erfolgreichen Qualifikation gegen Montenegro und Slowenien sollte die deutschen Handballerinnen beflügeln. Doch was den Männern, die mit einer ähnlichen Ausgangslage nach Paris gereist waren, trotz der Finalniederlage gegen Dänemark so bravourös mit Silber gelang, endete für die Frauen im Viertelfinale von Lille mit einer Niederlage gegen die Gastgeberinnen.
Nun beginnt also der nächste Anlauf, in das Quartett der besten Nationen Norwegen, Frankreich, Dänemark und Schweden einzubrechen, wenn die EM in Österreich, Ungarn und der Schweiz (28. November bis 15. Dezember) für das deutsche Team mit den Partien gegen die Ukraine, die Niederlande und Island am Vorrundenspielort Innsbruck beginnen wird.
Nach hinten, so sagt Gaugisch, habe die Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB) „eine Lücke gerissen“, sprich Konkurrenten wie Slowenien, Spanien, Ungarn und die Ukraine „stabil geschlagen“. Auch der Abstand nach vorn sei wieder etwas geschrumpft, findet der Bundestrainer, aber man befinde sich halt nach wie vor in dieser Lücke. Sicher, an einem Sahnetag, so Gaugisch, sei auch den Großen beizukommen, aber es fehle noch die Konstanz, solche Leistungen „auch 60 Minuten lang“ verlässlich abzurufen.
In Abwehr und Effizienz ist das deutsche Team vorn dabei, im Rückraum muss es sich steigern
Olympia immerhin habe gezeigt, dass die DHB-Auswahl in einigen Disziplinen schon vorn dabei ist, findet Gaugisch: „Wir spielen eine flexible Abwehr“, gegen welche die Konkurrenz sicher nicht gerne antrete - sein Team habe so die meisten Ballgewinne geholt. Julia Behnke war die Kreisläuferin mit der größten Effizienz des gesamten Turniers, was auch für die Außenpositionen gelte. Aber: „Wir müssen diese Stärken besser einbringen“, sagt Gaugisch. So habe Behnke trotz eines einzigen Fehlversuches nur ein Drittel der Treffer der norwegischen Konkurrentin erzielt. Das war ein großer Pluspunkt der Skandinavierinnen auf dem Weg zur Goldmedaille.
Es ist nicht der einzige Verbesserungsansatz. Gaugisch nennt auch die Durchschlagskraft aus dem Rückraum, das konsequente Stoßen in die Nahtstellen, die oft fehlerhaften Entscheidungen bei Abschlüssen und im Aufbau. Gleichwohl scheint das deutsche Team auf dem richtigen Weg zu sein, seit Gaugisch vor zwei Jahren übernommen hat: Der sechste Platz bei der Weltmeisterschaft im Vorjahr war die beste Platzierung seit 2007, auch das Erreichen des olympischen Viertelfinales darf als Erfolg gelten.

Handball bei Olympia:Immerhin kurz das Stadion zum Schweigen gebracht
Vor der Riesenkulisse von 27 000 Zuschauern zeigen die deutschen Handballerinnen ihr bestes Spiel bei Olympia – scheitern aber knapp an Gastgeber Frankreich.
Was fehlt, ist ein Erweckungserlebnis gegen einen jener übermächtigen Gegner - das diente schon bei den Männern als Schlüsselerlebnis. Die nächsten Gelegenheiten bietet der sogenannte Golden Cup im norwegischen Larvik mit den Testspielen gegen Olympiasieger Norwegen (Donnerstag), EM-Gruppengegner Niederlande (Samstag) und den Olympiadritten Dänemark (Sonntag).
Dass die Qualität dafür vorhanden ist, zeigen die vielen international erfahrene Kräfte im Kader wie Spielmacherin Alina Grijseels, die beim rumänischen Topklub CSM Bukarest spielt, oder Emily Bölk, die bei Ferencvaros Budapest eine Schlüsselrolle einnimmt. Und bei Champions-League-Finalist HB Ludwigsburg stehen gleich fünf Nationalspielerinnen regelmäßig im höchsten europäischen Wettbewerb auf dem Parkett.
Neben dem Mannschaftskern, mit dem Gaugisch seit 2022 arbeitet, hat er den Kader um vier Talente erweitert; der Blick geht über den EM-November hinaus. Im kommenden Jahr richtet der DHB die WM für die Frauen und die Männer aus. Dann soll die Lücke nach vorn auch geschlechterübergreifend überwunden sein.