Süddeutsche Zeitung

Dortmunder Handballerinnen:Titel mit Trostwirkung

28 Spiele, 28 Siege: Die Handball-Frauen von Borussia Dortmund sind endlich Deutscher Meister - nachdem ihnen der Titel im Vorjahr noch verweigert worden war.

Von Ulrich Hartmann

In der Handball-Bundesliga der Frauen herrscht in dieser zu Ende gehenden Saison eine Dominanz, gegen die mutet die Rolle des FC Bayern im deutschen Männerfußball beinahe gemeinnützig an. Die Handballerinnen von Borussia Dortmund werden am Samstag gegen Neckarsulm voraussichtlich ihren 29. Sieg im 29. Spiel feiern. Anschließend überreicht ihnen der frühere Nationaltorwart Andreas Thiel als Vorstandsvorsitzender der Frauen-Bundesliga die Meisterschale.

Auf Thiel waren die Dortmunderinnen noch vor einem Jahr gar nicht gut zu sprechen. Nach dem pandemie-verursachten Saisonabbruch acht Spieltage vor Schluss hatte der Liga-Vorstand unter Thiels Führung dem BVB, der auch im März 2020 Tabellenführer war, den Meistertitel verweigert. Grund: Das entscheidende Spiel gegen den Verfolger und Titelverteidiger SG Bietigheim stand noch aus. Weil der THW Kiel in der Männer-Bundesliga ebenfalls acht Spieltage vor Schluss hingegen zum Meister ernannt wurde, fühlten sich die Dortmunderinnen benachteiligt. Zum Protest klebten sie sich Bärte ins Gesicht.

Diesen Samstag benötigen sie keine falschen Bärte mehr. Sie fühlen sich erleichtert, zumal ihnen Corona-Kapriolen kürzlich bereits zum zweiten Mal schadeten. Nach der verwehrten Meisterschaft vor einem Jahr schieden die BVB-Frauen vor einem Monat nämlich auch noch kampflos aus der Champions League aus. Weil sie zufällig von einem Corona-Fall bei ihrem französischen Gegner Metz erfahren hatten, verweigerten sie die Reise nach Frankreich und hätten das Achtelfinale gerne neu terminiert bekommen. Stattdessen erklärte der europäische Verband Metz zum Sieger - schon wieder spielte die Pandemie den Dortmunderinnen übel mit.

Die Bundesliga braucht aber wohl keine Langeweile zu fürchten

Die Meisterschale ist daher mehr als nur der sportliche Lohn für eine überragende Saison. Sie verschafft auch Trost und Genugtuung. Am nächsten Montag wird die Schale in eine Vitrine des Vereinsmuseums "Borusseum" im Fußballstadion gestellt. "Das ist ein würdiger Platz", sagt Dortmunds Handballchef und Frauen-Teammanager Andreas Heiermann: "Der BVB-Fußball ist unser großer Bruder." Man profitiere nicht nur von der Marke BVB, sondern auch von den professionellen Verwaltungsstrukturen in der Konzernzentrale. Heiermann und seine Funktionärskollegen sind ehrenamtlich tätig, und so kann mehr Geld in den Kader fließen.

Die Bundesliga braucht aber wohl keine jahrelange Dominanz und Langeweile zu fürchten - schon in der kommenden Saison dürfte es spannender werden. Dortmunds herausragende Spielerinnen, Kelly Dulfer und Inger Smits, wechseln zu Verfolger Bietigheim, dem Meister von 2019. Nach diesem niederländischen Doppeltransfer erwarten sie in Dortmund für die nächste Spielzeit sogar eher Bietigheim als Favorit.

Neun Niederländerinnen haben in dieser Saison für Dortmund gespielt, fünf von ihnen Weltmeisterinnen 2019. Die Grenze ist nur 100 Kilometer weg, und als Zuschauer noch erlaubt waren, pilgerten niederländische Handballfans regelmäßig nach Dortmund. Doch die Oranje-Fraktion schrumpft nun. Stattdessen kommen in Madita Kohorst, Amelie Berger und Mia Zschocke deutsche Nationalspielerinnen. Das Ziel des Handball-Chefs Heiermann lautet: "Borussia Dortmund will auch weiterhin zeigen, dass der Verein mehr zu bieten hat als Fußball."

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