Handball:Forelle am Haken

29 11 2018 Handball 1 Bundesliga DKB HBL Saison 2018 2019 15 Spieltag HC Erlangen Metrop

Kleine Jubelrunde beim 24:23 gegen Leipzig: Erlangens Johannes Sellin.

(Foto: Zink/imago)

Dem HC Erlangen gelingt die Wende in der Handball-Bundesliga - weil Leipzigs Trainer sein Team auf bizarre Art um ein Remis bringt.

Von Sebastian Leisgang

Da stand Adalsteinn Eyjolfsson also vor der Ersatzbank, beinahe eine halbe Stunde noch auf der Uhr. Wobei: Eigentlich stand er nicht bloß da - er trat Löcher in die Luft, erst mit dem rechten Fuß, dann mit dem linken, dann noch mal mit dem rechten. Fast so, als führe er einen sonderbaren Volkstanz auf. Dann warf Eyjolfsson beide Arme über den Kopf und fuchtelte wild herum. Kurzum: Er zappelte, einer Forelle gleich, die am Angelhaken nur zu gut weiß, was ihr blüht, aber noch einen erbitterten Kampf führt, der schon bald ihr letzter gewesen sein wird.

Rund eine Stunde später war Eyjolfsson wieder Eyjolfsson. Ein besonnener und reflektierter Mann. Eyjolfsson hatte diesen erbitterten Kampf, der nicht sein letzter war, gerade so gewonnen, jetzt saß der Trainer des HC Erlangen vor den Journalisten und referierte über das erlebte 24:23 (15:13) gegen Leipzig. Seine Mannschaft habe 60 Minuten lang in der Deckung sehr gut gespielt, sagte er. Im Angriff habe sie aber ihre Durchschlagskraft in der zweiten Hälfte eingebüßt. Es ging jetzt wieder um Handball, um Tempogegenstöße, um Würfe aus dem Rückraum und um Positionsangriffe - dabei ging es an diesem Donnerstagabend doch eigentlich um so viel mehr als um Handball.

Nach 13 Saisonspielen stand Erlangen mit gerade einmal 6:20 Punkten da, denkbar knapp oberhalb der beiden Abstiegsplätze. In den vergangenen Wochen hatte Eyjolfssons Team ein ums andere Mal gut gespielt, sich allerdings nicht belohnt, wie das auch im Handballdeutsch heißt. Am Donnerstagabend ging es also nicht nur darum, mit einem Sieg gegen Leipzig die prekäre sportliche Lage zumindest ein wenig zu entschärfen, sondern eben auch darum, einen Beweis anzutreten. Einen Beweis, dass die ausbleibenden Resultate über die Fortschritte der Mannschaft hinwegtäuschen. Und dass Zweifel an Trainer Eyjolfsson nicht angebracht sind.

Und dazu bedurfte es einen energischen Eyjolfsson, einen heißspornigen Eyjolfsson, einen Eyjolfsson eben, der in manchen Augenblicken nicht mehr wie Eyjolfsson daherkam.

Später, als der erbitterte Kampf ausgefochten war, räumte auch Erlangens Coach offen ein: "Man hat einfach gemerkt, dass wir mit sechs Punkten natürlich unter immensem Druck standen." Das war auf dem Feld seiner Mannschaft anzumerken, die zunehmend ihre Linie im Angriff verlor, je weiter das Spiel voranschritt. Und das war am Spielfeldrand Eyjolfsson anzumerken, der seine Besonnenheit zunehmend ablegte, je mehr sich dieses Spiel zu einem bühnenreifen Drama in drei Akten zuspitzte.

Zunächst traf Petter Overby zehn Minuten vor dem Ende zum 23:20 für Erlangen. Nach dieser Exposition verkürzte Leipzig den Rückstand mehr und mehr, ehe Kreisläufer Alen Milosevic mit dem 23:23 den Höhepunkt herbeiführte - und schließlich im dritten Akt die Katastrophe ihren Lauf nahm: Durch Nikolai Links Tor führte Erlangen erneut, schloss seinen letzten Angriff aber nicht mehr erfolgreich ab. Als noch knapp zehn Sekunden auf der Uhr standen, kam Leipzig noch mal in Ballbesitz - und traf nach einem weiten Pass über das gesamte Feld unmittelbar vor dem Ende zum vermeintlichen Ausgleich. Trainer André Haber hatte im Augenblick des Zuspiels aber eine letzte Auszeit beantragt, deshalb zählte das Tor nicht. Als auch Haber später im Pressekonferenzsaal Platz genommen hatte, war er sichtlich niedergeschlagen und entschuldigte sich bei seinen Spielern: "Das ist sehr bitter, das tut mir leid für meine Jungs."

Und die Erlanger? Waren schlichtweg erleichtert, dem Unentschieden von der Schippe gesprungen zu sein. "Man darf sich das nicht so vorstellen, dass wir nach dem schlechten Punktestand in der Halle saßen und getrauert haben", sagte Linksaußen Christopher Bissel, "aber wir haben uns natürlich schon gesagt, dass wir für die Moral und das Selbstvertrauen Punkte holen müssen." Der Plan ging auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: