Süddeutsche Zeitung

Handball-Bundesliga:Flensburg ist Meister - Drama um Gummersbach

Von Carsten Scheele

Die Blicke der Fans in der alten Ostseehalle gingen immer wieder auf die Smartphones, auf die Liveticker der Partie des großen Rivalen, der SG Flensburg-Handewitt. Es war wie so oft in den vergangenen Wochen: Die Kieler spielten gut, bezwangen am letzten Spieltag der Handball-Bundesliga auch den TSV Hannover-Burgdorf mit 30:26 - doch all das nutzte nicht viel. Wenn Kiel noch Meister werden wollte, musste Flensburg patzten. Nur ein einziges Mal. Also wurde auf die Telefone gestarrt, gehofft, gebangt.

Es war schon verflixt in diesem Jahr. Der THW spielte ja eine starke Saison, am Ende sollten es 31 Siege und nur drei Niederlagen werden. 60:6 Punkte, dazu ein überragendes Torverhältnis - das kann locker zur Meisterschaft reichen. Doch nicht in diesem Jahr. Das Problem der Kieler hieß Flensburg, denn der Nordrivale spielte noch einen Tick konstanter. Und hielt auch dem nervlichen Druck stand.

Eine einzige Niederlage, und Kiel hätte vorbeiziehen können. Doch Flensburg patzte einfach nicht. Auch nicht am finalen Spieltag beim Bergischen HC: Zur Halbzeit führte die SG mit 13:8 - der Gegner verkürzte in der zweiten Halbzeit zwar noch einmal, am Ende stand ein verdienter 27:24-Sieg für den alten und neuen deutschen Meister. Die Flensburger tanzten durch die Halle des Gegners, sie haben erstmals in der Vereinsgeschichte den Titel verteidigt - ein besonderer Triumph.

Trainer Maik Machulla, der im zweiten Jahr als Chefcoach seinen zweiten Meistertitel feiern konnte, weinte nach dem Schlusspfiff. "Es ist unbeschreiblich. Für mich ist das ein traumhaftes Ende", jubilierte auch der langjährige Kapitän Tobias Karlsson, der den Klub verlassen wird. Marius Steinhauser kündigte euphorisiert an: "Heute reißen wir Flensburg ein."

Gummersbach muss tatsächlich absteigen

Richtig dramatisch wurde es im Abstiegskampf. Bietigheim, Ludwigshafen und Gummersbach spielten die zwei Absteiger unter sich aus, Bietigheim und Gummersbach trafen sogar im direkten Duell aufeinander. Nur ein Team konnte sich retten; die Lage war so knapp, dass die Blitztabelle im Zehn-Sekunden-Takt zwei neue Absteiger auswies.

Retten konnten sich schließlich die Eulen Ludwigshafen - obwohl das Team vor drei Wochen mit vier Punkten Rückstand bereits als abgestiegen galt und auch im Saisonfinale die schlechteste Ausgangslage hatte. Doch weil Bietigheim und Gummersbach unentschieden (25:25) spielten, reichte den Eulen ein 31:30-Sieg gegen Minden zum Klassenerhalt. Jonathan Scholz erzielte 29 Sekunden vor Schluss den entscheidenden Treffer. "Wir waren tot", jubilierte Trainer Benjamin Matschke, "nun muss das Wort Wunder neu definiert werden."

Während die Spieler in Ludwigshafen besinnungslos durch die Halle hüpften, brach für die Gummersbacher eine Welt zusammen. "Es ist das eingetreten, was zu befürchten war", klagte Klub-Legende Heiner Brand. Die Spieler hatten die letzten Sekunden auf die Bildschirme gestarrt und verfolgen müssen, wie Scholz vom Kreis für Ludwigshafen traf. Zum ersten Mal steigt der zwölffache Meister und elfmalige Europapokalsieger damit ab. Am Ende fehlte bloß ein Tor.

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